Bevölkerungsentwicklung: Ostdeutschland schrumpft und altert stark

Wie viele Kitaplätze braucht eine Stadt in 16 Jahren? Und wie viele Pflegeplätze? Damit Kommunen planen können, erstellen Experten Prognosen. Das Ergebnis fällt je nach Region unterschiedlich aus.
Titelbild
Gifhorn – eine typische Vorstadtsiedlung mit Reihenhäusern in Niedersachsen.Foto: iStock
Epoch Times9. April 2024

In weiten Teilen Ostdeutschlands wird die Bevölkerung bis zum Jahr 2040 voraussichtlich massiv schrumpfen. Zu diesem Schluss kommt eine am Dienstag in Gütersloh veröffentlichte Prognose der Bertelsmann-Stiftung zur demografischen Entwicklung.

Demnach dürfte die Zahl der Einwohner verglichen mit 2020 in Sachsen-Anhalt um 12,3 Prozent zurückgehen, in Thüringen um 10,9 Prozent und in Mecklenburg-Vorpommern um 7,3 Prozent.

In Sachsen wird laut Bevölkerungsvorausberechnung der Stiftung mit einem Minus von 5,7 Prozent gerechnet, in Brandenburg um 2,4 Prozent.

Ebenfalls stark betroffen ist allerdings auch das im Westen gelegene Saarland mit einem prognostizierten Rückgang der Bevölkerung um 5,3 Prozent.

Metropolen wachsen

Ganz anders ist die Lage in den Metropolen und Ballungsgebieten: Für das Bundesland Berlin etwa wird bis 2040 mit einem Zuwachs von 5,8 Prozent gerechnet.

Auch Baden-Württemberg mit einem Plus von 4,6 Prozent und Bayern mit einem Zuwachs von 4,4 Prozent werden demnach binnen 20 Jahren deutlich zulegen. Im Stadtstaat Hamburg ist den Berechnungen der Expertinnen und Experten zufolge von einer Bevölkerungszunahme von 3,5 Prozent bis 2040 auszugehen.

Andere westliche Flächenländer werden demnach hingegen eher stagnieren – etwa Nordrhein-Westfalen mit einem prognostizierten minimalen Rückgang um 0,1 Prozent oder Niedersachsen mit einem geringfügigen Anstieg um 0,1 Prozent.

Die Bevölkerung in Deutschland insgesamt wird der Berechnung nach bis 2040 verglichen mit 2020 um 0,6 Prozent wachsen. Laut Statistischem Bundesamt lebten in jenem Jahr bundesweit rund 83,2 Millionen Menschen.

Unterschiede Stadt und Land

Treiber hinter dieser Entwicklung sind laut Studie die regional teilweise höchst unterschiedlichen demografischen Entwicklungen, vor allem zwischen städtischen und ländlichen Gebieten.

So wird auch die im Bundesland Sachsen gelegene Großstadt Leipzig bis 2040 ihre Bevölkerungszahl voraussichtlich um 14,7 Prozent steigern können – und damit stärker als jede andere Kommune.

Das brandenburgische Potsdam bei Berlin liegt mit einem Wachstum von 11,3 Prozent ebenfalls im Spitzenfeld.

Am anderen Ende rangieren Gebiete wie der Landkreis Mansfeld-Südharz in westlichen Sachsen-Anhalt mit einem Minus von 21,1 Prozent oder der Landkreis Greiz in Thüringen, dessen Einwohnerzahl bis 2040 um 19,5 Prozent und damit ebenfalls rund ein Fünftel schrumpft.

Zu wenig junge Leute

Bundesweit eine zentrale Rolle in allen Kommunen spielt der Berechnung der Stiftung zufolge künftig die fortschreitende Alterung der Gesellschaft. Die geburtenstarken Jahrgänge kommen ins Rentenalter, die Zahl der Erwerbstätigen nimmt ab.

Die Zahl der über 80-Jährigen steigt den Berechnungen zufolge von rund 5,8 Millionen im Jahr 2027 auf rund 7,7 Millionen im Jahr 2040. Der Anteil dieser Altersgruppe an der Gesamtbevölkerung liegt dann bei 9,2 Prozent.

Der Anteil der Menschen über 65 Jahren wird sich demnach von knapp 22 Prozent im Jahr 2020 binnen 20 Jahren auf annähernd 28 Prozent im Jahr 2040 erhöhen.

Auch hierbei wird es den Experten zufolge aber erhebliche regionale Differenzen geben: Das sogenannte Medianalter der Bevölkerung wird bei generell ansteigender Tendenz im Jahr 2040 in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg bei etwa 43 Jahren liegen – in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen dagegen bei mehr als 52 Jahren.

In 30 Landkreisen dürfte der Anteil der Über-65-Jährigen an der Bevölkerung im Jahr 2040 mehr als 35 Prozent betragen, also deutlich mehr als ein Drittel. Alle liegen in Ostdeutschland in ländlichen Gebieten. Ganz vorn ist dabei wiederum der Landkreis Greiz mit einem Anteil von 39,1 Prozent, dicht gefolgt vom Landkreis Spree-Neiße in Ostbrandenburg mit 38,5 Prozent.

Die Bertelsmann-Stiftung rief dazu auf, sich in allen Kommunen auf die mit der Alterung einhergehenden Herausforderungen einzustellen. Vielfach werde dies ohne Förderprogramme von Bund und Ländern aber nicht gelingen.

„Es braucht jetzt gezielte Strategien, um eine geeignete Infrastruktur für die älteren Generationen aufzubauen und die dabei entstehenden wirtschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen“, erklärte Vorstandschef Ralph Heck dazu.

Krieg hat Auswirkung auf Geburtenrate

„Drei Faktoren sind für Vorausberechnungen entscheidend: Geburten, Sterbefälle und Wanderungen. Die Punkte 1 und 2 entwickeln sich relativ stringent, die Wanderungen sind der schwierige Teil“, sagt Studienautorin Petra Klug. „Es gab in den vergangenen Jahren zwei Ereignisse, die Vorausberechnungen erschwert haben. Das war 2015 der Krieg in Syrien und 2022 der Krieg in der Ukraine. Beide hatten und haben extreme Auswirkungen auf die Berechnungen.“

Beide Ereignisse haben nach Einschätzung von Klug unterschiedliche Einflüsse mit sich gebracht. „Anders als aus Syrien sind aus der Ukraine zu einem hohen Anteil vor allem Frauen im jüngeren und mittleren Alter zu uns gekommen“, sagt die Wissenschaftlerin. Die extrem hohe Zuwanderung mit dem Ukrainekrieg werde sich nach Einschätzung der Fachleute so nicht fortsetzen.

Zu möglichen Fehlern bei solchen Prognosen sagt Klug: Die Annahmen würden mit verschiedenen Fachleuten auf Bundes- und Länderebene nach bestem Wissen und Gewissen diskutiert. „Je kleiner die Gebietseinheiten sind, desto fehleranfälliger sind die Vorausberechnungen. Aber auch kleine Kommunen müssen planen können und benötigen die Zahlen, um Trends einschätzen zu können“, sagt Klug.

So wirken sich insbesondere Wegzüge von großen Firmen aus einer Stadt auf die Bevölkerungsentwicklung aus – die seien selten einplanbar. „Schon sind alle Berechnungen nicht mehr stimmig.“ Ein anderes Problem für die Prognose seien Kommunen mit Erstaufnahmen. Klug spricht von Sonderfällen, die mit ihren Meldedaten die Statistik verzerren. (afp/dpa/red)



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