Bundesregierung kündigt nach Nawalny-Urteil Beratungen über neue EU-Sanktionen an

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Steffen SeibertFoto: über dts Nachrichtenagentur
Epoch Times3. Februar 2021

Die Bundesregierung hält nach dem Urteil gegen den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny weitere EU-Sanktionen gegen Russland für denkbar. „Das weitere Vorgehen wird im Kreis der europäischen Partner zu besprechen sein, weitere Sanktionen sind nicht ausgeschlossen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin.

Er bekräftigte die Forderung, Nawalny umgehend frei zu lassen. Die Verurteilung des wichtigsten Widersachers von Kreml-Chef Wladimir Putin zu fast drei Jahren Straflager sei „fernab rechtsstaatlicher Prinzipien“, sagte Seibert.

Die Entscheidung fuße auf einem Urteil, das der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) 2017 als willkürlich eingestuft habe. Als Mitglied des Europarats sei Russland verpflichtet, die Entscheidungen des EGMR umzusetzen.

EU hatte bereits Sanktionen gegen enge Mitarbeiter Putins in Kraft gesetzt

Ein Moskauer Gericht hatte am Dienstag entschieden, dass Nawalny eine bereits verhängte Bewährungsstrafe nun in einer Strafkolonie verbüßen muss. Von der dreieinhalbjährigen Bewährungsstrafe wurde ein früherer Hausarrest abgezogen. Laut Nawalnys Anwältin Olga Michailowa läuft dies auf „ungefähr“ zwei Jahre und acht Monate Haft hinaus. Das Urteil rief international Empörung hervor.

Wegen des Giftanschlags auf Nawalny im August hatte die EU bereits im Oktober Sanktionen gegen enge Mitarbeiter Putins in Kraft gesetzt, unter ihnen der Vize-Chef der Präsidialverwaltung und der Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB. Im Gegenzug verhängte Russland im Dezember in zwei Schritten Sanktionen gegen Deutschland, Frankreich, Schweden und Großbritannien.

Bundesregierung hält an Nord Stream 2 fest

Seibert kritisierte auch das Vorgehen der russischen Sicherheitskräfte bei den landesweiten Protesten von Nawalnys Anhängern. Die Bundesregierung verurteile die „systematische Gewaltanwendung gegen Demonstranten“. Es handele sich um „empörende Beispiele von Polizeigewalt“. Seibert forderte die russische Regierung auf, das Recht auf Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit zu gewährleisten.

Ungeachtet der Kritik an Moskau hält die Bundesregierung am deutsch-russischen Pipeline-Projekt Nord Stream 2 fest. Die Haltung der Bundesregierung sei bekannt und habe sich nicht verändert, sagte Seibert.

EU-Staaten verurteilen Haftstrafe gegen Nawalny als „politisch motiviert“

Vor dem Besuch des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell in Moskau haben die Mitgliedstaaten die Haftstrafe gegen den russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny scharf kritisiert. Das Urteil von zwei Jahren und acht Monaten sei „inakzeptabel, da es politisch motiviert ist“, heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung. Die EU-Staaten wiederholten ihre Forderung nach einer „sofortigen und unbedingten Freilassung“ Nawalnys, drohten aber nicht ausdrücklich mit Sanktionen.

Nawalny war Mitte Januar bei seiner Rückkehr nach Moskau festgenommen worden. Er war zuvor in Deutschland nach einem Giftanschlag behandelt worden, für den der Kreml-Kritiker die russische Regierung verantwortlich macht. Ein Moskauer Gericht hatte dann am Dienstag entschieden, dass Nawalny eine bereits verhängte Bewährungsstrafe aus dem Jahr 2014 nun in einer Strafkolonie verbüßen muss.

Das Vorgehen gegen Nawalny überschattet den anstehenden Besuch des EU-Außenbeauftragten Borrell ab Donnerstag in Moskau. Der Beauftragte wollte dort ursprünglich Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Russland ausloten.

Borrell reist nach Moskau ohne klare Linie der EU zu möglichen Sanktionen

Borrell tritt nun auch die Reise an, ohne dass die EU eine klare Linie zu möglichen Sanktionen im Fall Nawalnys hat. Die EU-Außenminister hatten sich nach seiner Festnahme Mitte Januar zunächst nicht auf ein Vorgehen gegen Verantwortliche einigen können. Sie beschlossen deshalb, die Gerichtsverhandlung und Borrells Besuch abzuwarten.

Wegen der Sanktionsdebatte erfolgte die Veröffentlichung der Erklärung der EU-Staaten zu Nawalny am Mittwoch erst mit stundenlanger Verzögerung. Einige Länder störten sich dem Vernehmen nach daran, dass im Entwurfstext mit „restriktiven Maßnahmen“ – ein EU-Begriff für Sanktionen – gedroht wurde.

Der Begriff tauchte schließlich in der Erklärung nicht auf. Die EU werde das Thema beim nächsten Treffen der EU-Außenminister am 22. Februar „wieder aufgreifen und die Auswirkungen und das mögliche weitere Vorgehen diskutieren“, lautete die Kompromissformel. Dies schließt Sanktionen zwar nicht aus, lässt die Frage aber offen. (afp)



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