Bundesverfassungsgericht könnte Wahlwiederholung in Berlin verhindern

Die Klagen gegen die Wahlwiederholung in Berlin sind noch nicht vom Tisch. Das Bundesverfassungsgericht holt derzeit Stellungnahmen ein.
Zahlreiche Wählerinnen und Wähler warten im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg in einer langen Schlange vor einem Wahllokal, das in einer Grundschule untergebracht ist.
Zahlreiche Wähler warteten im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg in einer langen Schlange vor einem Wahllokal, das in einer Grundschule untergebracht war.Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Von 5. Januar 2023

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Ist eine Wahl zu einer gesetzgebenden Körperschaft in Deutschland erst dann ungültig, wenn es in allen Wahllokalen Unregelmäßigkeiten gab? Dieser Ansicht ist beispielsweise der grüne Bezirksverordnete Bertram von Boxberg aus Tempelhof-Schöneberg.

Seine und die Argumente anderer Kläger gegen eine Wahlwiederholung in Berlin wird sich das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zumindest anhören.

Teilweise Wiederholung der Bundestagswahl wird gesondert betrachtet

Erst dann wird das Höchstgericht entscheiden, ob es sich überhaupt als zuständig betrachtet, die Verfassungsbeschwerde gegen die Wahlwiederholung anzunehmen. Wie unter anderem der „Tagesspiegel“ berichtet, hat das Bundesverfassungsgericht den 43 Klägern eine Frist zur Stellungnahme bis 10. Januar eingeräumt.

Die Kläger hatten am vergangenen Freitag die Verfassungsbeschwerde samt Eilantrag eingebracht. Ihr Ziel ist es, die Wahlwiederholung zu verhindern, die das Berliner Landesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 16. November angeordnet hatte.

Grund damals war die Vielzahl an Unregelmäßigkeiten, Fehlern und Pannen, die den Wahlprozess am 26. September 2021 überschattet hatten. Diese seien so schwerwiegend gewesen, dass das Landesverfassungsgericht die Wiederholung der gesamten Abgeordnetenhauswahl inklusive der Bezirksverordnetenversammlungen anordnete. Der Landeswahlleiter setzte den 12. Februar 2023 als Termin für die Wahlwiederholung an.

Auch die ebenfalls am 26. September 2021 abgehaltene Bundestagswahl wird in einzelnen Bezirken wiederholt. Für diese Anordnung war jedoch der Bundestag auf Empfehlung des Bundeswahlausschusses zuständig. Dagegen gerichtete Wahlprüfungsbeschwerden wird das Bundesverfassungsgericht in einem gesonderten Verfahren prüfen.

Kläger fühlen sich durch Wahlwiederholung für Fehler Dritter bestraft

In zahlreichen Wahllokalen Berlins herrschten an jenem Tag chaotische Zustände. Es kam zu langen Schlangen und erheblichen Wartezeiten. Wahllokale mussten wegen fehlender oder falscher Stimmzettel zeitweilig schließen. Einige waren noch bis weit nach 18 Uhr geöffnet – und damit hatten die noch wartenden Wähler die Gelegenheit, ihre Stimmabgabe nach den bereits bekannten Prognosen auszurichten.

Die Kläger sind zumeist Abgeordnete auf Bezirks- und Landesebene aus mehreren Parteien. Allerdings haben sich auch einige sogenannte Nichtmandatsträger der Beschwerde angeschlossen – und Bezirksverordnete wie Bertram von Boxberg ausdrücklich als „Privatpersonen“.

Sie bringen im Wesentlichen vor, durch eine Wiederholung der kompletten Wahl auf unbillige Weise benachteiligt zu sein. Immerhin habe es in ihrem Bereich keine mandatsrelevanten Unregelmäßigkeiten gegeben.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe hätte die Beschwerde bereits ohne weitere Anhörung zurückweisen können. Immerhin geht es um eine Landeswahl und damit eine Ländersache. Das Bundesverfassungsgericht kann seine Zuständigkeit nach Erörterung der eingeholten Stellungnahmen immer noch ablehnen.

Das BVerfG könnte sich allerdings auch für zuständig erklären und die Beschwerde zur Befassung annehmen. In diesem Fall könnte es auch die von den Klägern beantragte Einstweilige Anordnung auf Aussetzung der Wahlwiederholung erlassen. Diese würde frühestens nach mehreren Monaten stattfinden. Denn so lange wird die Entscheidung Karlsruhes in der Sache selbst auf sich warten lassen.

Nach Angaben des Berliner Verfassungsgerichtshofs vom Tag der Urteilsverkündung haben „etwaige außerordentliche Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung“. Aus diesem Grund gehen die Wahlvorbereitungen mit Blick auf den 12. Februar 2023 ohne Unterbrechung weiter.

Aus für Wahlwiederholung in Berlin würde Politikverdrossenheit weiter vertiefen

Obwohl die Einräumung der Stellungnahmefrist einen Etappensieg für die Kläger darstellt, ist es unsicher, ob das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde annehmen wird. Es käme einem Affront gegen das Föderalismusprinzip gleich, würde Karlsruhe sich als Bundesorgan über ein Urteil eines Landesverfassungsgerichts zu einer Landeswahl hinwegsetzen.

Und selbst wenn das BVerfG nicht seine Unzuständigkeit in einer Ländersache erklären würde, würde das noch nicht eine Vorentscheidung zugunsten der Kläger bedeuten. Diese müssten etwa erläutern, welche entscheidenden Argumente gegen eine Wahlwiederholung sprächen, die nicht schon vor dem Landesverfassungsgericht vorgebracht werden konnten.

Außerdem wäre es gewissermaßen auch ein Bruch mit der eigenen gefestigten Spruchpraxis, würde Karlsruhe der Verfassungsbeschwerde folgen. Im Kern würde das BVerfG damit das Interesse in einer teilweise irregulären Wahl gewählter Politiker am Erhalt ihres Mandats höher gewichten als jenes der Wahlberechtigten an einer fehlerfreien Wahl.

In Anbetracht der Vielzahl und Schwere an Fehlern, die den Abstimmungsprozess in Berlin überschattet hatten, würde dies die Kluft zwischen Politik und Bevölkerung nur noch weiter vertiefen.



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