CDU: Friedrich Merz, Max Otte und eine „Politik mit Augenmaß“

Was ist von der CDU zu erwarten? Wie kann sie als Oppositionspartei handeln? Merz lässt Konservative hoffen.
Titelbild
Friedrich Merz findet, dass die CDU die Oppositionsrolle schnell annehmen muss.Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images
Von 28. Januar 2022
Jetzt neu: Epoch Times Wochenzeitung auch als Podcast

Die CDU lag bei der letzten Bundestagswahl bei 24 Prozent Zweitstimmen, 2013 waren es noch über 40 Prozent. Es ist gut denkbar, dass die CDU die kommenden Landtagswahlen im Saarland (27.3.), in Schleswig-Holstein (8.5.) und auch in Nordrhein-Westfalen (15.5.) verlieren könnte. Das würde bedeuten, dass die Ampel auch im Bundesrat durchregieren könnte. Auch in Niedersachsen wird im Herbst gewählt.

Wie geht es nun mit der Partei weiter? Ist sie noch eine Volkspartei? Selbst als eine kleinere Partei braucht sie ein klares konservatives Profil, ein Gegengewicht zur links-liberalen Regierung. Kann Friedrich Merz diese Rolle ausfüllen?

Auf dem digitalen Parteitag wählten ihn 915 von 983 Delegierte als CDU-Chef. „Ich bin tief bewegt und beeindruckt von diesem Wahlergebnis“, dankte Friedrich Merz anschließend. Und äußert sofort, dass die Partei als Opposition von heute den Weg bereiten müsse, um wieder die Regierung von morgen zu werden. Wegen einer aus rechtlichen Gründen noch nötigen Briefwahl wird Merz sein Amt voraussichtlich erst Ende Januar antreten können, ebenso die anderen neu gewählten Politiker wie der künftige CDU-Generalsekretär Mario Czaja.

Friedrich Merz eine Chance geben

„Das klare Wahlergebnis der Mitgliederbefragung für Friedrich Merz zeigt, dass die Basis der CDU eine Kurskorrektur will. Friedrich Merz ist ein erfahrener Politiker, der Familie hat und wirtschaftlich unabhängig ist“, stellt Sylvia Pantel fest. Die langjährige Unternehmerin aus Düsseldorf war acht Jahre für die CDU im Bundestag und gehört zum konservativen Flügel der Partei. Sie plädiert dafür, Friedrich Merz eine Chance zu geben.

Merz wird ebenfalls dem konservativen Flügel zugerechnet, Pantel sieht in ihm jemanden, „der das Bewährte schützt und sich an die Spitze des Fortschritts stellt. Ich traue ihm zu, dass er die unterschiedlichen Meinungen in Kompromisse zusammenführen kann und die CDU zu einer starken Opposition führt.“

Soweit sie gesehen hat, sei er der „einzige Fels in der Brandung“, sei es beim Thema Gendern, der Energieversorgung oder bei der Wirtschaftspolitik. Er habe immer den Finger in die Wunde gelegt. Die Unternehmerin ist besorgt darüber, dass die Ampelregierung gerade versuche, die Gesellschaft umzubauen, mit Verantwortungsgemeinschaften und Kinderrechten. Man wolle die Kinder aus der Familie herausnehmen, sie sollen bis zu vier Erziehungsberechtigte haben. „Das ist irre und das ist schlimmer als das, was wir in den letzten Jahren im Parlament erlebt haben. Ich hoffe, dass hier die Bürger auf die Barrikaden gehen.“

Zwei Aufgaben für Merz

Vor Friedrich Merz stünden zwei Fragen, bilanziert der Politologe Werner Patzelt. Die eine sei, wofür die Union für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre stehen möchte und die andere, warum. Die Diskussion darum müsse offen geführt werden.

Jede Partei habe eine Funktion. Die Aufgabe der CDU sei, bei neuen Ideen nicht gleich ja zu sagen, sondern zu überprüfen, ob sie etwas taugten. Patzelt erklärt: „Sie muss immer die Partei sein, die sagt ‚Freunde, macht mal halblang‘. Wir prüfen erst einmal und machen dann vorsichtige Schritte.“ Und eine CDU, die diese Rolle nicht ausfülle, die brauche es im Lande nicht. „Die CDU der Zukunft wird konservativ sein, oder sie wird nicht sein. Konservativ heißt aber nicht ranzig. Konservativ ist das Gegenteil von reaktionär.“

Die Menschen hätten genug von der links-grünen intellektuellen Hegemonie. Sie seien unzufrieden mit der politischen Klasse, den Medien und dem System. Der emeritierte Professor nennt es eine „sprungbereite Empörungsbereitschaft“, die sich unterschiedliche Anlässe suche und die Menschen auf die Straße treibe. Früher sei die Migrationspolitik der Grund gewesen, jetzt die Coronapolitik, später vielleicht die Klimapolitik. Für die derzeitige Regierung seien „die Corona-Protestierer einfach lästig, sie stören dabei, durchzuregieren“, erklärt er prägnant.

„Immer mehr von dieser Politik zeigt eben nicht gleich viel an segensreichen Wirkungen“, so der Politologe. Viele Menschen würden spüren, dass noch mehr Liberalität das Bildungssystem und die öffentliche Sicherheit nicht besser macht. Sie spüren, dass noch mehr Europa nicht unseren Wohlstand vermehrt, sondern ihn innerhalb der Verschuldungsunion der Eurozone riskiert. Diesen aktuell sich zuspitzenden „Kulturkampf“ würde die Linke fürchten.

Hans-Georg Maaßen sieht in Merz einen Hoffnungsträger

„Opposition besteht darin, dass man Alternativen vorschlägt“, erklärt Hans-Georg Maaßen. Er sieht Friedrich Merz als einen Hoffnungsträger und wünscht ihm, dass er es schafft, die CDU wieder in die richtige Richtung zu steuern. „Wir brauchen wieder eine Politik mit Augenmaß.“

Der frühere Verfassungsschutzpräsident macht sich große Sorgen um Deutschland sowie darum, dass „wir es an die Wand fahren“. Er hält es für verantwortungslos, Atom- und Braunkohlekraftwerke abzuschalten, ohne Vorsorge zu treffen und zu glauben, Strom komme aus der Autobatterie oder der Steckdose. Irgendwo müsse der Strom erzeugt werden. Allerdings sei es viel schöner, ein Idealist zu sein. „Sich für bestimmte Ziele einzusetzen und den Leuten einzureden – diese Ziele kann man ganz einfach erreichen. Es ist ganz billig, weil das Geld eben aus der Druckerei kommt, man braucht sich auch nicht anzustrengen.“

Viele Wähler von Gelb seien mittlerweile ernüchtert oder enttäuscht von der links-gelben Politik, bei der vom Gelb nicht mehr viel übrig geblieben ist. Genau das sei eine Chance für die CDU. Der Spitzenpolitiker sieht einen Weg für die CDU darin, dass sie sich zu einer Partei entwickelt, die die Probleme realistisch anspricht und Lösungen sucht, die weder radikal noch extremistisch sind. Es müsse zu sehen sein, dass es jenseits der AfD eine Partei der Mitte gebe. Es sollte eine Partei sein, die keine Probleme erfindet und dann ihre Lösungen zu den erfundenen Problemen anbiete.

Die reale Wirklichkeit als Verbündeter der CDU

Einen Verbündeten im politischen Alltag sieht CDU-Mitglied Max Otte für die Zukunft. „Die Wirklichkeit selbst ist unser wichtigster Verbündeter bei der Kritik an der neuen Bundesregierung.“ Max Otte ist Ökonom und lässt sein Amt als Vorsitzender der WerteUnion derzeit ruhen.

Er meint „jene Wirklichkeit, auf die unsere Außenministerin in der Ukraine und in Moskau trifft, jene Wirklichkeit, auf der sich unsere Energie- und Wirtschaftsminister bei jeder Tagung über das europäische Energienetz befinden.“ Die CDU hätte die Wirklichkeit zur Kenntnis zu nehmen. Die Welt, die in den Medien dargestellt wird, habe sich völlig von der Wirklichkeit entfernt. Das würden die Menschen im Land spüren, dagegen würden sie sich zu Wort melden. 

Der Ökonom sieht die Hinterlassenschaften der früheren Kanzlerin Angela Merkel sehr kritisch. Seit 2011 würden in der Politik katastrophale Weichen gestellt, mit der Energiewende, der Eurorettung, der EU-Schuldenunion, der Migrationspolitik, der Covidpolitik. Für ihn ist es unfassbar, dass sich ein ganzes Land 16 Jahre oder länger von ihr hat täuschen lassen.

Nun habe Deutschland einen Punkt erreicht, an dem sich die Dinge ändern. „Wir sind in einer Kulturrevolution. Der Konservative weiß, dass gewachsene Strukturen wichtig sind, dass man sie schrittweise verändert, dass Traditionen einen Wert darstellen.“ Das sei etwas, was bewährt ist. Der Konservative wisse auch, dass praktische Vernunft statt Hirngespinsten wichtig sei.

„Wenn wir den Menschen verändern wollen, wenn wir das Himmelreich auf Erden schaffen wollen, dann schaffen wir uns die Hölle“, erinnerte er. Genau das würden wir gerade tun, mit der Genderfrage oder der Impffrage. Otte greift zu einem Vergleich: „Wir sind dabei, uns die Hölle zu schaffen. Es sieht im Moment so aus, als ob ein Magnet über die Festplatte unserer Gesellschaft geht. Über alles das, was uns lieb und teuer ist, wird der Magnet drüber gezogen. Alles wird weggewischt, das führt zu einer ganz schrecklichen Situation.“

Daher sei die WerteUnion angetreten, um „für christliche, freiheitliche, menschliche, humane Werte zu streiten, für Maß und Mitte“ – und dabei sei jedes Zeichen wichtig.

Max Otte: Streit um die Kandidatur als Bundespräsident

Nachdem Max Otte von der AfD als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten vorgeschlagen wurde, der am 13. Februar gewählt wird, forderte ihn Noch-Generalsekretär Paul Ziemiak zum sofortigen Verlassen der Partei auf. Wer nicht unverzüglich ausschließe, sich durch AfD-Vertreter wählen zu lassen, „verletzt das Wertefundament der CDU in einem so erheblichen Maße, dass er keinen Platz in der CDU mehr haben kann“. Nach einer kurzen Beratung am späten Nachmittag des 25. Januar beschloss der CDU-Bundesvorstand einstimmig seinen vorläufigen Ausschluss. Über einen endgültigen Ausschluss soll ein Parteigericht entscheiden.

Max Otte erklärte: „Das Amt bietet die Chance, zu heilen, zu versöhnen, zu ermahnen“, einen Widerspruch zu seiner CDU-Mitgliedschaft sehe er nicht. Es gehe um „das höchste Staatsamt, das über den Parteien steht“. Dies sei „keine Zusammenarbeit“ mit der AfD und damit kein Widerspruch zur CDU-Beschlusslage. „Es ist eine individuelle Entscheidung, ob ich diesen Vorschlag annehme oder nicht.“

Er kündigte an, mit den Themen Soziales sowie Bürger- und Grundrechte zu kandidieren. „Ich sehe die AfD klar auf dem Boden des Grundgesetzes“, sagte er. Deswegen sei „ein CDU-Ausschlussverfahren gegen mich nicht nur nicht nachvollziehbar, sondern auch unvereinbar mit den demokratischen Grundsätzen“. Für seine Entscheidungsfindung hätten die Warnungen der CDU „keine Rolle gespielt“.

Laut Paul Ziemiaks designiertem Nachfolger, Mario Czaja, steht die neue CDU-Führung unter Merz „voll und ganz“ hinter der Entscheidung des scheidenden Bundesvorstands. Seither kündigten einige Spitzenpolitiker und WerteUnion-Mitglieder ihren Austritt aus der Organisation an, darunter sind auch der frühere Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen und Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt.

Friedrich Merz, die CSU und die Leitung der Bundestagsfraktion

Gegenüber der Bundesregierung gab sich Merz auf dem CDU-Parteitag angriffslustig. Weder in der Debatte über die allgemeine Impfpflicht noch bei der hohen Inflation noch im Ukraine-Konflikt habe Kanzler Olaf Scholz (SPD) die von ihm versprochene Führung gezeigt. Wichtigste Aufgabe der CDU als Opposition im Bund werde es deshalb sein, „diese Regierung zu kontrollieren, diesen Bundeskanzler herauszufordern“.

Mit der Schwesterpartei CSU soll nun der „Blick nach vorne“ gerichtet werden, sagte Merz. Markus Söder (CSU) bestätigte, Merz und er seien „entschlossen, ein neues Kapitel aufzuschlagen und gut zusammenzuarbeiten“. Es seien Fehler gemacht worden „und es gab Verletzungen“ auf beiden Seiten. Diese Verletzungen „müssen auch heilen, um wieder erfolgreich zu sein“.

Verschiedene Ortsverbände der CDU fordern, dass CDU-Chef Merz auch die Leitung der Bundestagsfraktion übernimmt, „damit die Union als starke, konstruktive und bürgerliche Oppositionskraft sichtbar wird“.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 29, vom 29. Januar 2022.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion