Beliebt = unbeliebt?
Das Umfrage-Geheimnis: Warum sind immer die gleichen Politiker vorn?
Wer ist beliebt, wer unbeliebt? Mit welchem Zweck werden Meinungsumfragen zu Politikern veröffentlicht? Journalist Boris Reitschuster machte dazu ein Experiment.

Bundestagssitzung am 15. Dezember 2021. Symbolbild.
Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images
ARD-Deutschlandtrend befragte laut Statista vom 3. bis 5. Januar telefonisch und online 1.325 Volljährige, wie zufrieden sie mit einigen aufgeführten Politikern sind. Das Ergebnis: Mit Karl Lauterbach waren demnach 66 Prozent zufrieden, 26 nicht zufrieden gewesen, mit Olaf Scholz 60 Prozent/30 Prozent und mit Christian Lindner 49 Prozent/40 Prozent.
Auch mit Robert Habeck waren die Befragten zu 48 Prozent zufrieden und zu 33 Prozent unzufrieden. Mit Annalena Baerbock waren nur 32 Prozent zufrieden, 57 Prozent waren eher unzufrieden. Die Differenz zu 100 Prozent ergab sich aus den Wahlmöglichkeiten: kenne ich nicht / kann ich nicht beurteilen oder weiß nicht / keine Angabe.
Die Forschungsgruppe Wahlen fragte nach den wichtigsten Politikern. Dabei sollten die 1.249 Ende Januar telefonisch befragten Wahlberechtigten selbst Politiker benennen. Das Ergebnis: Angela Merkel rangierte auf Platz 1. Auf einer Skala von +5 bis -5 holte die ehemalige Bundeskanzlerin einen Wert von 2,4 und lag damit knapp vor … Karl Lauterbach (1,4) und Olaf Scholz (1,4), gefolgt von Cem Özdemir und Robert Habeck (je 1,1) sowie Christian Lindner (0,6) und Annalena Baerbock (0,4).
Auch eine INSA-Umfrage für „Bild“ sah Karl Lauterbach (56 Punkte) ganz weit vorn, Platz 2, gleich nach … Angela Merkel (57,2). Platz 3 und 4 gingen an Robert Habeck und Markus Söder (je 46,7). Christian Lindner kam auf Platz 5 (46,6) und Annalena Baerbock wurde sechzehntbeliebteste Politikerin (37).
INSA-Umfrage im Auftrag von Reitschuster
In einer repräsentativen INSA-Umfrage des Journalisten Boris Reitschuster wurde hingegen eine ganz andere Fragestellung mit auf den Weg gegeben. Von 1.001 Erwachsenen wollte man wissen: „Welchen Politiker bzw. welche Politikerin mögen Sie am wenigsten?“
23 Prozent der Befragten nannten Annalena Baerbock, der höchste Wert unter den Antworten. Platz 2 erreichte Karl Lauterbach, den 13 Prozent als unbeliebtesten Politiker sahen, gefolgt von Alice Weidel (11 Prozent) und dem amtierenden Bundeskanzler Olaf Scholz (9 Prozent) – noch vor seiner Amtsvorgängerin Angela Merkel (6 Prozent). Robert Habeck (2 Prozent) landete nur auf dem 12. Platz der Negativliste.
Reitschuster erklärte zu den spiegelbildlichen Umfragewerten bekannter Politiker: „Eine Betrachtung von Baerbock, Lauterbach, Scholz und Co. anhand solcher Zahlen erzeugt ein völlig anderes Stimmungsbild als bei den üblichen Umfragen.“ Deshalb sei es so gefährlich, dass Umfragen in Deutschland so massiv zum Framing benutzt würden.
Reitschuster machte darauf aufmerksam, dass die in seiner Umfrage herausgekommene Aussage „Baerbock und Lauterbach sind Deutschlands unbeliebteste Politiker“ zwar völlig korrekt sei, aber ebenso auch irreführend. Die sei aber bei der umgekehrten Fragestellung genauso. „Dies zu verdeutlichen, war die Intention und der Sinn meiner Umfrage: Zu zeigen, mit welcher Vorsicht man Umfragen behandeln muss. Und wie leicht sie missbraucht und instrumentalisiert werden können.“
Reitschuster dazu: „Bei der Frage nach den beliebtesten Politikern nennen immer sehr viele Menschen diejenigen, von denen sie besonders oft hören.“ Auf die Idee der Negativ-Frage kam der Journalist nach Gesprächen mit Meinungsforschern – noch in der Merkel-Ära.
Für die Meinungsforscher war das offenbar kein Geheimnis. Sie hätten ihm erklärt, dass, wenn man eine Frage nach dem unbeliebtesten Politiker ganz offen stelle, ohne Vorgaben, sei die Wahrscheinlichkeit, dass Angela Merkel auf Platz 1 lande, sehr hoch. Sie polarisiere. Viele würden sie mögen, viele aber auch nicht.
Wenn man dann nur eine Seite beleuchte, so Reitschuster, werde das Ganze manipulativ. So führe man die Öffentlichkeit in die Irre. (sm)
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