Digitalisierung der Justiz: Strafanträge bald online möglich – elektronische Schriftform ausgeweitet

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch ein Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz beschlossen. Künftig soll die Schriftform in noch mehr Bereichen als bisher durch elektronische Übermittlung gewahrt bleiben. Vor allem für Anwälte soll dies Erleichterung bringen.
Justizminister Marco Buschmann (FDP) will, dass der deutsche Rechtsstaat eine Digitalisierung erfährt.
Justizminister Marco Buschmann (FDP) will, dass der deutsche Rechtsstaat eine Digitalisierung erfährt.Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Von 7. März 2024

Der bekannte Ausspruch der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel aus dem Jahr 2013, wonach das Internet hierzulande noch „Neuland“ wäre, gilt für Verwaltung und Justiz zum Teil noch heute. Allein in Hamburg sind derzeit nach wie vor 447 Faxgeräte in Ämtern und Behörden im Einsatz. Im Fall der Gerichte gibt es seit 2022 eine aktive Nutzungspflicht elektronischer Kommunikationswege aufgrund des Paragrafen 130d ZPO. Dennoch verläuft die Digitalisierung in der Praxis vielfach schleppend. Das macht das Fax auch vor Gericht nach wie vor zum Faktor.

Mangelnde Digitalisierung der Justiz als Grund für sinkende Inanspruchnahme

Bundesjustizminister Marco Buschmann erachtet die Situation bereits als alarmierend, dass er auf der offiziellen Seite seiner Behörde über rückläufiges Interesse an den ordentlichen Gerichten klagt. Die Justiz solle „attraktiver und leistungsfähiger werden“, erklärt der Minister.

„Denn immer weniger Bürger wenden sich an die Gerichte, um Rechtsstreitigkeiten dort klären zu lassen.“

Ob er damit andeuten will, dass private Schiedsvereinbarungen auf Kosten der Streitbeilegung vor staatlichen Gerichten an Bedeutung erlangen, bleibt offen. Noch zu Beginn der 2000er-Jahre waren einige Länder wie Sachsen sogar bemüht, die Gerichte von bestimmten Streitfällen zu entlasten. Sie schrieben deshalb verbindliche vorgelagerte Schiedsverfahren vor.

Seit Ende der 2000er-Jahre wiederum erfährt die Schiedsgerichtsbarkeit in Privatangelegenheiten eine zunehmende Problematisierung. Grund dafür ist die Bedeutung, die diese in religiös geprägten Einwanderermilieus erlangt hat. Die Digitalisierung ist allerdings auch dort wenig ausgeprägt.

Strafanzeige bei Polizei online möglich – gerichtlicher Strafantrag noch nicht

Das aktuelle Gesetz zur Digitalisierung soll offenbar einen Beitrag dazu leisten, dass Bürger nicht aufgrund langer Verfahrensdauern, hoher Kosten und bürokratischer Vorgaben den Weg zum Gericht scheuen.

Buschmann spricht von einem „weiteren Schritt hin zur Erleichterung der Kommunikations- und Verwaltungsabläufe“. Bereits jetzt können Bürger Strafanzeigen per Kontaktformular über die Onlinewachen von Polizeidienststellen übermitteln. Künftig sollen auch Strafanträge digital zu erledigen sein.

Straftaten wie Beleidigung, Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung werden nur dann verfolgt, wenn ein Antrag vorliegt. Dieser muss eine Unterschrift des Antragstellers auf Papier aufweisen, um die vorgeschriebene Schriftform zu wahren. Ein Antrag mit elektronischer Unterschrift ist über einen sogenannten sicheren Übermittlungsweg möglich.

Aktive Nutzungspflicht umfasst nur Teilbereiche von Verfahren

Künftig soll auch ein Strafantrag per E-Mail oder über ein Formular möglich sein. Voraussetzung dafür ist, dass die Identität der antragstellenden Person und deren Anliegen – die Verfolgung einer Straftat – eindeutig erkennbar werden.

Erleichterungen soll es auch beispielsweise bezüglich der Schriftform bei der Einwilligung in eine DNA-Identitätsfeststellung im Strafverfahren geben. An die Stelle des Ausdruckens und Wiedereinscannens von Schriftstücken soll eine digitale Aktenführung insgesamt zum Regelfall werden.

Auch die Kommunikation im Rahmen von laufenden Gerichtsverfahren soll einheitlicher und digitaler werden. Anwälte trifft bereits seit 2022 eine „aktive Nutzungspflicht“ elektronischer Wege zur Einreichung von Schriftsätzen. Allerdings ist nach wie vor eine am Papier orientierte Schriftform angeordnet, wenn es um verfahrensrechtliche Erklärungen von Mandanten geht.

Künftig soll jedoch beispielsweise auch die Übermittlung des unterschriebenen Insolvenzantrags eines Mandanten als eingescanntes Dokument zur Wahrung der Schriftform ausreichen. Auch Kündigungen, Rechnungsstellungen oder empfangsbedürftige Willenserklärungen finden in dieser Form einheitlich Anerkennung.

Recht auf digitale Leistungen und Erleichterung für Hybridakten

Um die Digitalisierung von Verwaltung und Justiz voranzubringen, hatte die Ampel bereits zuvor gesetzliche Regelungen auf den Weg gebracht. Das novellierte Onlinezugangsgesetz (OZG 2.0) soll Bürgern ab 2028 ein einklagbares Recht auf digitale Verwaltungsleistungen ermöglichen. Dies soll für alle Leistungen gelten, deren digitale Bereitstellung „technisch und rechtlich möglich“ ist.

In der Justiz soll es ab dem 1. Januar 2026 die verpflichtende E-Akte geben. Um den Umstieg des Systems zu erleichtern, soll das Verbot sogenannter Hybridakten fallen. Darunter versteht man Akten, die sowohl aus elektronischen als auch aus Papierteilen bestehen.

Im strafgerichtlichen Revisionsverfahren sollen Beteiligte künftig auch per Videokonferenz teilnehmen können. Auf diese Weise will man Verhandlungen flexibler terminieren können und unnötige Anreisen vermeiden.

Brandenburg feiert – MV hadert mit der Digitalisierung der Justiz

In Brandenburg freut man sich unterdessen über die Inbetriebnahme eines neuen Rechenzentrums. Dieses soll ein Fundament für die flächendeckende Einführung der elektronischen Akte bilden. Bereits jetzt habe man, so hieß es in einer Mitteilung, mehr als 27 Terabyte an Daten bewegt, was 5,4 Millionen MP3-Songs in mittlerer Qualität entspreche.

Die elektronische Akte ist dort seit 2023 im Zivil-, Betreuungs- und Familienrecht Standard und in diesem Jahr sollen Nachlass- und Vollstreckungssachen im Immobilienrecht dazukommen. Finanz- und Verwaltungsgerichte sollen als Nächste in umfassender Weise digitalisiert werden.

Weniger glücklich mit dem Status quo ist man hingegen in Mecklenburg-Vorpommern. Dort sieht der Richterbund Probleme bei der Umstellung. Eine veraltete Technik sei mit dem Umstieg auf die digitale Akte überfordert. Fast wöchentliche Zusammenbrüche der IT-Systeme seien die Folge.



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