„Ein bisschen retro“: Straßenbahn soll in Frankfurt Pakete bringen

Wo normalerweise die Fahrgäste ein- und aussteigen, versperrt eine große Holzkiste den Weg. Doch Menschen soll die Frankfurter Straßenbahn im typischen türkisblauen Farbton am Montag auch gar nicht befördern.
Titelbild
Die Straßenbahn soll die Pakete in die jeweiligen Stadtteile bringen. Dort werden sie auf E-Bike-Kuriere verteilt.Foto: Nicolas Armer/dpa
Epoch Times17. September 2018

Obwohl die Frankfurter Straßenbahn wie eine normale Tram aussieht, handelt es sich um eine „Logistiktram“, die statt Pendlern Pakete ans Ziel bringt. Sie war in Frankfurt das erste Mal testweise unterwegs – vom Betriebshof im Gutleutviertel ging es zur Messe. Die Idee dahinter: Pakete sollen künftig per Straßenbahn in die vom Autoverkehr überlastete Innenstadt gebracht werden.

Die Idee, via Straßenbahn Pakete an Privathaushalte auszuliefern, ist laut Verkehrsgesellschaft Frankfurt neu. Man spricht von einem Pilotprojekt. Vergleichbare wäre immerhin die Dresdener „CarGoTram“, die eine Autofabrik mit Bauteilen beliefert.

In Frankfurt wird die Tram mit sogenannten Mikrodepots beladen, Kisten voller Paketsendungen. Die Depots werden an Umschlagplätze in der Innenstadt gebracht. Von dort aus legen Fahrradkuriere mit den Kisten die letzten Meter bis an die Haustüren zurück.

Das soll die Umwelt und die völlig verstopfte Innenstadt entlasten. So lasse sich eine „nahezu emissionsfreie Citylogistik“ realisieren, sagt der Abteilungsleiter Stadtentwicklung der Stadt Frankfurt, Ansgar Roese.

Güterverkehr per Straßenbahn gibt es schon länger

Güterverkehr per Straßenbahn gab es allerdings auch schon in den 1960e-er Jahren in Deutschland, sagt Frankfurts Verkehrsdezernent Klaus Oesterling (SPD) bei der Vorstellung des Projekts. „Das ist alles ein bisschen retro hier.“

Nun sei dies erneut nötig, weil der Versandhandel übers Internet boome, aber auch wegen der Umweltsituation in den Innenstädten. Abteilungsleiter Roese sagt, die Kombination aus Tram und Fahrrad sei dem herkömmlichen Transporter in Sachen Energieeffizienz überlegen.

„Vor zehn Jahren war noch kein Markt dafür da, jetzt aber schon“ sagt die Frankfurter Umweltdezernentin Rosemarie Heilig (Grüne). Ein Grund ist nicht zuletzt das drohende Dieselfahrverbot in Frankfurt. Auch wirtschaftlich rentabel soll das Verfahren sein.

Die Konkurrenzfähigkeit der „Logistiktram“ betont auch Herbert Riemann, Geschäftsführer von Riemann Produktdesign. Er gibt ein ambitioniertes Ziel aus: „Das Verfahren soll zum Systemstandard werden“.

Riemann hat mit Klaus Grund vom Logistikunternehmen Sachen auf Rädern das System der Mikrodepots erfunden. Beide haben damit 2017 den „Ideenwettbewerb Klimaschutz“ der Stadt Frankfurt gewonnen. Mit dem Preisgeld von rund 30 000 Euro bauten die einen Prototypen ihres Fahrradanhängers. Das Gestell erinnert an einen High-Tech-Bollerwagen. Per Hydraulik werden die einzelnen Kisten aus dem transportablen Mikrodepot gehoben und an ein E-Bike gekoppelt.

Das „Mikrodepot“ kann bald Transporter ersetzen

Ein Mikrodepot bringe etwa so viel Lieferleistung wie ein Transporter, berichtet Riemann. Wie viele Depots letztlich in einen Straßenbahnwaggon passten, werde noch erforscht. Für den Herbst ist ein größerer Probebetrieb vorgesehen. Verläuft er gut, könnte das System in Frankfurt bald herkömmliche Transporter ersetzen.

Kann das Projekt die Luft in Frankfurt oder anderen Städten verbessern? Michael Müller-Görnert, Referent für Verkehrspolitik und Luftreinhaltung im Verkehr beim Verkehrsclub Deutschland (VCD), ist skeptisch, weil die Branche kaum kooperiere.

„In den 90er-Jahren war ja Citylogistik auch ein großes Stichwort. Diese Konzepte sind gescheitert, weil sich die Anbieter nicht auf einen einheitlichen Dienstleister einigen konnten. Da machen alle ihr eigenes Ding.“

Wenn es sich doch durchsetze, sei das Konzept ein guter erster Schritt – mehr aber nicht, meinte der VCD-Experte. „Wir müssen beim Klimaschutz auch an die Pkw gehen, die immerhin zwei Drittel der Verkehrsemissionen verursachen.“

Das sieht Riemann ähnlich. „Der Markt kann nicht alles regeln. Die Politik muss auch Emissionsgrenzen setzen.“ Das Dieselfahrverbot sei ein „toller erster Schritt“. Die Frankfurter Logistiktram könnte der nächste sein. (dpa)



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