Ethische Fragen von Corona bis Streumunition: Wie unabhängig ist der Ethikrat?

Nicht zuletzt die Impfempfehlungen durch den Ethikrat während der Corona-Pandemie haben Fragen nach der Unabhängigkeit des Gremiums aufkommen lassen. Auch die Finanzierung von Projekten durch die Pharmaindustrie mit besonderer Nähe zu Ratsmitgliedern werfen Fragen auf. Eine Analyse.
Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, spricht bei der Vorstellung der Ad-hoc-Empfehlung des Deutschen Ethikrates «Pandemie und psychische Gesundheit.
Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, auf der BundespressekonferenzFoto: Michael Kappeler/dpa
Von 14. August 2023

An dieser Stelle wird ein Podcast von Podcaster angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um den Podcast anzuhören.

Der Deutsche Ethikrat beschäftigt sich mit den großen Fragen des Lebens, so steht es auf der Website des Gremiums, und weiter: „Mit seinen Stellungnahmen und Empfehlungen gibt er Orientierung für die Gesellschaft und die Politik.“ Das nach offizieller Aussage unabhängige Gremium wurde 2007 gegründet. Seine Mitglieder werden von der Bundesregierung für eine Dauer von vier Jahren berufen.

„Moralische Pflicht zur Impfung“

Wie unabhängig ist der Ethikrat? Der Frage ist im Februar 2022 die „Welt“ nachgegangen und hat sich im Besonderen der Ethikrat-Chefin Alena Buyx zugewandt. Dass solche Fragen überhaupt gestellt werden, steht mutmaßlich mit der Positionierung des Ethikrates in der Corona-Zeit in Zusammenhang. Denn der Rat hatte sich mitten in der Corona-Zeit für eine Ausweitung der Impfpflicht für Personal in Einrichtungen wie Kliniken und Pflegeheimen ausgesprochen.

Seinerzeit stimmten 20 der derzeit 24 Mitglieder des Gremiums für die Empfehlung. Ethiktrat-Vorsitzende Alena Buyx hatte noch auf dem Höhepunkt der „Pandemie“ verkündet, es gäbe eine „moralische Pflicht, sich impfen zu lassen“. Ergänzt hat sie diese Aussage in einem „Spiegel“-Interview mit „Jede Dosis muss in einen Arm“.

Ethik ist ein Teilgebiet der Philosophie, das sich mit moralischen Prinzipien, Werten und Normen beschäftigt. Es untersucht die Fragen nach dem richtigen Handeln, dem guten Leben und den Grundlagen moralischer Urteile. Der Begriff „Ethik“ stammt vom altgriechischen Wort „ethos“ ab, das so viel wie „Sitte“ oder „Gewohnheit“ bedeutet.

Deutscher Nationalpreis für Einsatz in Corona-Zeit

Alena Buyx wurde 2021 mit dem Deutschen Nationalpreis „für ihren Einsatz für den gesellschaftlichen Zusammenhalt während der Corona-Krise geehrt“. Zudem verlieh ihr der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder abschließend zur Corona-Zeit den Bayerischen Verdienstorden. Einspruch gab es vernehmbar von der AfD und explizit vom Parlamentarischen Geschäftsführer und gesundheitspolitischen Sprecher der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag, Andreas Winhart:

„Es ist skandalös, wenn der Bayerische Ministerpräsident auch im Namen der bayerischen Bürger einer Person den Bayerischen Verdienstorden verleiht, die während der Corona-Krise in hohem Maße zur Spaltung der Gesellschaft beigetragen hat. Als Vorsitzende des Deutschen Ethikrates hat sie nicht nur die menschenverachtende 2G-Regel vehement gefordert und gerechtfertigt, sondern sie hat auch Menschen, die sich der experimentellen Impfung nicht unterziehen lassen wollten, diffamiert und ausgegrenzt.“

Der Ethikrat hat die Einschränkung von Grundrechten und das Ausgrenzen von Impfunwilligen befürwortet. Die „Welt“ schaute jetzt nach in „Die verborgene Seite der Ethikrat-Chefin“, und stellt vorab fest: „Essenziell für seine Legitimation in der Öffentlichkeit ist die Unabhängigkeit seiner Mitglieder und speziell seiner Chefin. Doch daran gibt es Zweifel.”

Zweifel und Verstrickungen bei der Finanzierung von Buyx‘ Projekten wiegen umso mehr, da das Gremium „Ethikrat“ mehr als nur Empfehlungen liefert. Die „Welt“ schreibt, darüber hinaus verschaffe es „den Entscheidungsträgern im Land die Legitimation für politische Entscheidungen. Auch in der Corona-Krise“.

Transparancy International ermittelt

Nach Ansicht der ehemaligen Vorsitzenden der Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland, der Medizinerin Edda Müller, fehle es ausgerechnet beim Ethikrat an Transparenz und einem angemessenen Umgang mit Interessenkonflikten.

Ein Beispiel: Christiane Fischer war von 2012 bis 2020 Mitglied des Ethikrates. Dann hat sie als Geschäftsführerin mehrere Jahre die Organisation MEZIS geleitet, in der sie bis heute Mitglied ist. MEZIS wurde 2007 als Initiative unbestechlicher Ärzte gegründet (MEZIS ist die Abkürzung von „Mein Essen zahl ich selbst“), mit dem Ziel, den Einfluss der Pharmaindustrie auf den Berufsstand transparenter zu machen – und so zu verringern. Fischer und der Gesundheitswissenschaftler David Klemperer, mit dem sie unter anderen 2018 das Standardwerk „Interessenkonflikte, Korruption und Compliance im Gesundheitswesen“ verfasst hat, bemängeln fehlende Transparenz bei den Tätigkeiten der Ethikrat-Vorsitzenden Alena Buyx.

Einer der Gründe sei, dass Buyx, die 2020 als Vorsitzende des Ethikrates eingesetzt wurde, nicht nur von staatlichen Stellen wie dem Bundesforschungsministerium und dem Ethikrat Geld beziehe – seit Jahren profitiere die 45-Jährige auch von Fördermitteln pharmanaher Institutionen wie dem britischen Wellcome Trust. Der Wellcome Trust, hervorgegangen aus dem Nachlass des Pharmaunternehmers Henry Wellcome (dessen Unternehmen in GlaxoSmithKline aufgegangen ist), setzte sich in der Pandemie mit seinen Mitteln dafür ein, dass „Instrumente gegen COVID-19 schneller entwickelt und allen Ländern gerecht zur Verfügung gestellt werden“.

Das „British Medical Journal“ (BMJ) hatte schon im März 2021 offengelegt, dass das beträchtliche Vermögen der Wellcome Stiftung von insgesamt 45,77 Milliarden Euro zu einem großen Teil in Unternehmen stecke, die COVID-19-Impfstoffe und -Diagnostika herstellen.

Nähe zum Wellcome Trust

Dazu stellt wieder die „Welt“ die Frage: „Ist es in Ordnung, dass die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, die sich öffentlich zum Wohl und Wehe von schwerwiegenden Themen wie der Corona-Impfpflicht positioniert, enge Verbindungen mit dem (Wellcome) Trust hat?“

Als Buyx 2016 Mitglied im Ethikrat wurde, war sie Co-Autorin eines Buches mit dem Titel „Das Solidaritätsprinzip“. Dieser Begriff spielte bei Veröffentlichungen des Ethikrates eine Rollen, ebenso wie nachfolgend auch in der gesellschaftlichen Diskussion, in Medien und Politik.

Bis heute hat sich das Narrativ gehalten, dass diejenigen „unsolidarisch“ waren, die sich nicht den mRNA-Stoff haben spritzen lassen. Die Autorinnen selbst betonen im Buch dankend, dass die Nuffield Foundation und das Nuffield Council on Bioethics für eine „großzügige finanzielle Förderung gesorgt beziehungsweise diese zur Verfügung gestellt“ hätten. Das Geld für Nuffield Council on Bioethics kommt aus privaten Quellen, eine davon ist der Wellcome Trust. 

Und der Verlag bewirbt das Buch folgendermaßen: „Der Begriff ‚Solidarität‘ erlebt gegenwärtig eine Renaissance […]. Anstatt den Begriff nur auf der abstrakten Ebene zu behandeln, zeigen sie anhand konkreter Fallbeispiele, etwa der Schweinegrippe-Pandemie von 2009/10 oder lebensstilbedingten Krankheiten, wie ethische Regelwerke und regulatorische Instrumente aus dem Blickwinkel der Solidarität verändert und verbessert werden können.“

Vier Jahre nach Erscheinen des Buches, ab der Corona-Zeit 2020, waren die in der Publikation diskutierten Themen wie Impfungen, Überwachungen und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit sowie „neue Praktiken der Solidarität“ im Fall einer Pandemie omnipräsent und an der medialen Tagesordnung.

Forschung an „Bereitschaft der Bevölkerung, Maßnahmen zu befolgen“

An einem weiteren wegweisenden oder „vorausschauenden“ Projekt war Buyx Anfang 2021 bis 2022 beteiligt, in dem es laut Bundesforschungsministerium um Solidarität und die „Bereitschaft der Bevölkerung, erlassene Maßnahmen zu befolgen“ geht und das obendrein ebenfalls vom Wellcome Trust gefördert wird: In der multinationalen Studie „SolPan – Solidarität in Zeiten einer Pandemie: Was tun die Menschen und warum?“ wird die Frage behandelt, „wie Menschen auf eingeführte politische Maßnahmen reagieren und diese bewerten, ob und wenn ja, wie und warum sie sich dagegen wehren, oder welche Maßnahmen sie aus eigener Initiative über die offiziellen Ratschläge der Regierungen hinaus ergreifen.“ Kurz: wie reagieren Menschen auf eingeführte politische Maßnahmen wie Maskentragen. Machen sie mit oder setzen sich zur Wehr? Wenn ja, warum und wie?

Der Zeit voraus waren Buyx und ihre Mitarbeiter auch schon davor, im Oktober 2020, denn da wurden – die ersten COVID-19-Impfstoffe waren noch nicht am Markt – an Buyx‘ Institut an der TU München im Rahmen des SolPan-Projekts Umfragen durchgeführt, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssten, damit sich die Menschen impfen lassen. Umfragen, deren Ergebnisse mit Sicherheit den einen oder anderen brauchbaren Tipp für möglicherweise geplante Impfpflichten bereithielten.

Finanzspritze für Symbiose von Politik und Wissenschaft

Wie kann man dieses Zusammenspiel von Politik und Wissenschaft zusammenfassen? Es wurde bereits mit Geldern vom Wellcome Trust daran geforscht, wie man die Impfbereitschaft der Menschen erhöhen kann, noch bevor es überhaupt COVID-19-Impfstoffe gab und damit auch, bevor der Ethikrat der Bundesregierung seine „ethischen“ Empfehlungen zum Thema Impfen gegeben hat.

Die „Welt“ redet von „Auffällige Überschneidungen“, obwohl Buyx‘ Teil des SolPan-Projekts offiziell nur durch Mittel des Bundesforschungsministeriums gefördert wird: „Tatsächlich aber wurden mehrere Studien, an denen Buyx’ Institut im Rahmen von SolPan beteiligt war, auch vom Wellcome Trust finanziert. Das geht zum Beispiel aus Veröffentlichungen von Buyx’ Leuten in Fachzeitschriften hervor”, schreibt dazu die „Welt“.

„Falschmeldungen, Vorwürfe, Verleumdungen“

Auf der Seite des Ethikrates erscheint im Juli 2022 eine „Richtigstellung der Vorsitzenden des Deutschen Ethikrates“, es gebe „wiederholt Falschmeldungen, Vorwürfe, Verleumdungen, Beleidigungen und Hass bis hin zur Bedrohung“ und dass Frau Prof. Buyx „insbesondere in rechtspopulistischen Medien“ vorgeworfen wird, sie sei befangen.

Der Ethikrat schreibt: „Substanzlose Anschuldigungen reichen dabei von Korruptionsvorwürfen über die Annahme, sie werde von der Impfstoffe entwickelnden Pharmaindustrie bezahlt, bis hin zu Verdächtigungen, sie sei aufgrund von Forschungsmitteln für ihr Institut voreingenommen.“ Eine Verwendung von Fördergeldern, alle „ausnahmslos von reputablen, etablierten Förderinstitutionen wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Europäischen Kommission oder dem Bundesministerium für Bildung und Forschung“, für persönliche Zwecke sei nicht möglich. Anders als kolportiert habe Frau Prof. Buyx nie Fördermittel vom Wellcome Trust erhalten, einer ebenfalls reputablen britischen Stiftung, die weltweit medizinische Forschung fördert.

Auf der Website des Instituts von Frau Prof. Buyx seien alle Forschungsgelder und die jeweiligen fördernden Institutionen transparent und lückenlos abgebildet. „Die Forschungsprojekte von Frau Prof. Buyx stehen in keinem direkten Zusammenhang mit ihrer Arbeit im Deutschen Ethikrat; gleichwohl können natürlich aktuelle medizinethische Ergebnisse und Erkenntnisse aus der eigenen Forschungsarbeit in die Ratsarbeit einfließen, so wie dies bei wissenschaftlicher Beratung üblich ist.“

Zusammenspiel und perfektes Timing im Corona-Zeitraum

Laut „Welt“ seien auch die Überschneidungen zwischen den vom Wellcome Trust geförderten Arbeiten von Alena Buyx und ihrer Funktion im Ethikrat auffällig. Der zeitliche Zusammenhang zwischen dem offiziellen COVID-19-Ausbruch (Pandemiebeginn laut WHO am 12.03.2020) und einer Empfehlung der Ethikrates schon 14 Tage später (27. März 2020) zum Thema „Solidarität und Verantwortung in der Corona-Krise“ scheint doch sehr knapp, wenn man davon ausgeht, dass zu diesem Zeitpunkt vieles um das „neuartige Virus“ noch gar nicht einschätzbar gewesen war.

Unter anderem warnte das Gremium vor Triage-Situationen und einer Überlastung des Gesundheitssystems und regt eine „breite Förderung/Unterstützung von Forschung zu Impfstoffen und Therapeutika sowie Vorbereitung von Förderstrukturen für dessen massenhafte Produktion und Einführung“. Eine Goldgrube für die Pharmaindustrie, wie sich an den Bilanzen von Pharmamultis wie Pfizer und Co gezeigt hat.

Nichts am Hut mit Ethikfragen zum Krieg

Jetzt, wo die Corona-Krise und damit die ethische Einordnung von Gesundheitsthemen ausgestanden zu sein scheint, fordern neue Themen die Expertise des Ethikrates. Allgegenwärtig in den Medien ist aktuell der Krieg in der Ukraine.

Auf Anfrage von Epoch Times hin aber sieht sich der Deutsche Ethikrat beispielsweise nicht zu einer Stellungnahme zum Thema „Streumunition für die Ukraine“ verpflichtet. Streubomben enthalten bis zu hunderte Minibomben, die sich bei Explosion über große Flächen verteilen und vor allem Folgen und unsagbares Leid bei der Zivilbevölkerung haben. Über die geplante Streubombenlieferung der USA an die Ukraine nur betretenes Schweigen von der Bundesregierung. So, als hätte es das Abkommen von Oslo nie gegeben.

Auch der Deutsche Ethikrat schließt sich dem Schweigen an, er sehe es nicht als seine Aufgabe an, so die Antwort an Epoch Times, sich zum Thema Streumunition zu äußern. Dr. Joachim Vetter, der Leiter der Geschäftsstelle des Ethikrates in Berlin, antworte, der Rat habe sich bislang „nicht mit Fragen zum Umgang oder Einsatz von Streumunition“ beschäftigt. Er werde „dies auch nicht tun“.

Anmerkung der Redaktion: Epoch Times hat beim Ethikrat/Alena Buyx eine Stellungnahme angefragt. Wir werden diese ggf. nachreichen bzw. veröffentlichen, sobald uns diese zugeht.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion