Experten sehen Integrationsmarathon kommen – erleichterter Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge gefordert

In ihrem Abschlussbericht zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik am heutigen Mittwoch bemängelten die Experten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft unter anderem das Fehlen von belastbaren Informationen über die schulischen und beruflichen Qualifikationen von Flüchtlingen. Gleichzeitig forderten sie Reformen bei der Arbeitsverwaltung und wiesen auf einen bevorstehenden Integrationsmarathon hin. Der Vorsitzende der hochkarätig besetzten Robert-Bosch-Expertenkommission, CDU-Vize Armin Laschet, stellte einige Forderungen:
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Foto: Bardur Eklund/AFP/Getty Images
Epoch Times6. April 2016

"Ich glaube, dass wir jetzt an dem Punkt sind, wo es darum geht, ob wir es schaffen und wie wir es schaffen", so der Kommissionsvorsitzende Armin Laschet (CDU).

Doch bekanntlich gibt es auch die zweite Seite einer Medaille. Die baden-württembergische Integrationsministerin Bilkay Öney verweist auf diese:

"Es hängt nicht nur davon ab, ob wir es schaffen, es hängt auch davon ab, was Flüchtlinge und ihr Umfeld leisten können und wollen."

Auch wenn es wohl nicht bei allen Flüchtlingen reibungslose Integrationsprozesse geben werde, müsse die Politik dafür die Weichen stellen, so die Ministerin.

Wie Laschet anmerkte, habe die Kommission im März 2015 mit ihrer Arbeit begonnen. Damals sei man noch von 200.000 Flüchtlingen für das ganze Jahr ausgegangen.

Seither stieg die Zahl der Migranten extrem an, die Stimmung in der Bevölkerung kippte und zwei Asylpakete durchliefen den Bundestag.

Die Frage der Qualifikationen

"Flüchtlingen schnell und unkompliziert Wege in Ausbildung und Arbeit zu eröffnen, ist die beste, weil nachhaltigste Integrationspolitik", so Laschet.

Dies sei derzeit aber nicht möglich, weil die Behörden keine belastbaren Informationen über schulische und berufliche Qualifikationen der Flüchtlinge hätten.

Heinrich Alt, langjähriger Vorstand bei der Bundesagentur für Arbeit, sagte beim Treffen: "Diese Menschen bringen Talente mit. Wir müssen sie erkennen."

Die Experten empfehlen, die Kompetenzen von Flüchtlingen mittels eines mehrstufigen Systems frühzeitig erfasst und anschließend auf einer zentralen Datenplattform allen beteiligten Behörden zur Verfügung gestellt werden.

Darüber hinaus müsse die Arbeitsaufnahme für Flüchtlinge weiter vereinfacht werden, beispielsweise durch den Zugang zu Zeitarbeit für alle arbeitsberechtigten Asylbewerber und die Überarbeitung der derzeitigen Vorrangprüfung für Asylsuchende.

Diese führe aktuell dazu, dass Flüchtlinge selbst dann nicht beschäftigt werden können, wenn es keinen bevorrechtigten deutschen Arbeitssuchenden für die Stelle gebe.

Ausbildung und Existenzgründung

Für die Berufsausbildung sollten alle Fördermöglichkeiten bereits zu Beginn der Ausbildung zugänglich sein und nicht erst wie bisher nach 15 Monaten. Für die Dauer der Ausbildung empfehlen die Experten eine Aufenthaltserlaubnis statt der bisher vorgesehenen Duldung. Somit könnten die betroffenen Personen auch die Gewissheit haben, die Ausbildung zu beenden, ohne ständig zu befürchten, abgeschoben zu werden, wie Friedrich Alt darstellte.

Weitere Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge könnten auch durch Existenzgründungen entstehen. Dieses Potenzial wird nach Einschätzung der Kommission bislang nur unzureichend genutzt.

Reformbedarf BA und Jobcenter

Weiteren Reformbedarf sieht die Kommission im Bereich der Arbeitsverwaltung. Dort komme es aufgrund der derzeitigen Regelung zu vermeidbaren Doppelstrukturen bei Arbeitsagentur und örtlichen Jobcentern.

Außerdem sollten bereits bestehende arbeitsmarktpolitische Förderinstrumente wie berufliche Weiterbildungen oder Vermittlungsgutscheine für private Arbeitsvermittler auch für Flüchtlinge mit Bleibeperspektive voll eingesetzt werden.

Integrationsmarathon liegt vor uns

"Unser Land hat im letzten Jahr einen enormen Sprint bei der Unterbringung und Versorgung Hunderttausender Flüchtlinge geleistet", sagte Kommissionsvorsitzender Laschet weiter.

"Der Marathon der Integration liegt größtenteils noch vor uns. Dafür kommt es auf Zusammenhalt und Ausdauer an. Es gibt keine Patentlösung, aber viele gute Ideen, die in politische Konzepte überführt werden müssen. Die Expertenkommission will einen Beitrag dazu leisten, wie wir es schaffen können – für die Politik, für die Gesellschaft, für unser Land."

(Quelle: dts/Focus)



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