Fass vor dem Überlaufen? Politologe hält breite Proteste gegen Klimapolitik und Fahrverbote für möglich

Politikwissenschaftler Edgar Grande warnt davor, dass die AfD mit der Debatte um Diesel-Fahrverbote und Tempolimits ein drittes großes Mobilisierungsthema gewinnen könnte. Der deutsche Konsens der Alternativlosigkeit in der Umwelt- und Klimapolitik droht zu bröckeln.
Von 30. Januar 2019

Nach der Eurorettung und der Flüchtlingspolitik könnten Fahrverbote und Tempolimits schon bald zur nächsten Quelle von Protesten werden, die eine weitere Entfremdung zwischen Bürgern und politischen Funktionseliten zum Ausdruck bringen. Dies meint jedenfalls der Politikwissenschaftler Edgar Grande vom „Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung“ (WZB), der gegenüber „Focus online“ diagnostiziert, dass „politischer Sprengstoff“ in den aktuellen Debatten um Feinstaubgrenzwerte, Diesel-Fahrverbote oder den Kohleausstieg liege.

„Proteste wie in Frankreich kann man auch in Deutschland nicht ausschließen, wenn auch nicht unbedingt in der extremen Form, wie man sie besonders in Paris gesehen hat“, erklärt Grande gegenüber dem Magazin. Die jüngsten Demonstrationen wie am vergangenen Wochenende in Stuttgart gegen das drohende Diesel-Fahrverbot mit mehr als 1000 Teilnehmern könnten erst der Anfang gewesen sein.

Graben zwischen den Lebensstilen

Der Politikwissenschaftler meint, dass sich „neue Umweltkonflikte“ abzeichnen, vor allem über die Folgekosten, wenn „der Klimawandel gebremst werden soll“. Dabei werde es auch Verlierer geben und die Fronten in dem Konflikt würden nicht mehr zwischen links und rechts verlaufen. Stattdessen stehen ein postmaterialistisches urbanes Bildungsbürgertum und dessen Lebensstil gegen ein ländliches und kleinstädtisches Kleinbürgertum mit seinem. Grande hält es für möglich, dass sich der Graben zwischen „urbanen Kosmopoliten, die gut aufs Auto verzichten können“ und „stark in lokalen Gemeinschaften Verwurzelten, für die ein Auto eine Notwendigkeit ist“ noch weiter vertiefe.

Dass der weitreichende Umbau von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft im Namen ökologischer Ziele überhaupt noch auf nennenswerten Widerstand in der Bevölkerung stoßen könnte, erschien spätestens seit Beginn der Ära Angela Merkel als wenig wahrscheinlich. Mit der Energiewende von 2011, bei der die Kanzlerin ihren hilflosen Koalitionspartner FDP gleichsam vor vollendete Tatsachen stellte, begann gleichsam ein Wettlauf darum, wer die weitreichendsten Ideen zum „Klimaschutz“ und zur Verminderung des „CO2-Fußabdrucks“ im Land zu bieten habe.

Die schiefe Ebene, auf der die Politik in diesem Bereich spielte, fand ihre Entsprechung in den Medien. In der Eurokrise kamen immerhin in manchen Talkshows Kritiker des Rettungsschirms wie AfD-Mitgründer Bernd Lucke oder FDP-Rebell Frank Schäffler zu Wort und auch Fernsehdiskussionen über den Islam, die Ukrainekrise oder die Flüchtlingspolitik waren im Regelfall zumindest annähernd so besetzt, dass wenigstens ein Teilnehmer nicht die Position des politischen Mainstreams repräsentierte.

Kultur der Alternativlosigkeit

In der Klimadebatte hingegen sucht man artikulierte Skeptiker des Narrativs vom „menschengemachten“ Klimawandel in deutschen Mainstreammedien seit Jahren vergebens. Dies räumt der „Deutschlandfunk“ sogar selbst ein. Zwar gebe es anders als bei der BBC keine eigene Richtlinie, so genannte „Klimaleugner“ nicht in TV-Sendungen einzuladen – aber es gebe dennoch einen Konsens, der sich wie folgt darstellt:

„In Qualitätsmedien geht es mittlerweile vor allem um die Frage, wie über den Klimawandel und seine Folgen berichtet wird.“

Nachwuchsjournalist Tilo Jung erklärte erst vor wenigen Tagen auf Twitter, dass im deutschen Journalismus in dieser Frage das strikte Prinzip der Parteilichkeit gelte:

„Als Journalisten haben wir gelernt, Leugner des menschengemachten Klimawandels medial zu ignorieren, sie lächerlich zu machen und ihnen keine (gleichberechtigte) Plattform zu bieten. Das müssen wir nun auch bei den Feinstaubbelastungsleugnern schaffen!“

Das „Wie“ diskutieren, ohne das „Ob“ infrage zu stellen – diese in der Ära Merkel immer beliebter gewordene deutsche Form der Konsensfindung unterminiert nun ausgerechnet das Bundesverkehrsministerium unter der Leitung von Andreas Scheuer. Das meint zumindest Edgar Grande. Er wirft der Regierung vor, diese habe die „Brisanz der Konflikte noch nicht erkannt“.

Besonders das Verkehrsministeriums habe bisher aus Grandes Sicht „eher dazu beigetragen, diese Konflikte zu befeuern als dazu, einen sachlichen Lösungsweg zu finden“. Damit spielt er auf Scheuers Bereitschaft an, die Argumente der Lungenärzte zur Kenntnis zu nehmen, die eine Schädlichkeit von Feinstaub und den Sinn bestehender Stickoxid-Grenzwerte anzweifeln – nicht etwa auf Forderungen der WHO und von NGOs, ohne Rücksicht auf Verluste, die umstrittenen Grenzwerte noch einmal zu halbieren.

Macht „soziale Abfederung“ zweifelhafte Grundsatzentscheidungen richtig?

Statt – wie die USA unter Donald Trump – grundsätzlich Social Engineering und vom Staat erzwungene Veränderungen der eigenen Lebens- und Wirtschaftsweise auf den Prüfstand zu stellen, sollte die Politik seiner Ansicht nach „den Bürgern ehrlich […] sagen, dass langfristig Änderungen in ihrem Lebensstil nötig sind“. Politiker sollten „sowohl die Gründe als auch die Unsicherheiten bezüglich des Ausmaßes dieser Veränderungen transparent machen, statt sich vorschnell auf eine Seite zu schlagen“. Die Politik sollte Lösungen aufzeigen und jenen, denen Nachteile entstehen, Unterstützung anbieten – statt „das Thema für plumpe Profilierung bei der eigenen Klientel zu nutzen“.

Den jüngsten „Kohlekompromiss“ sieht Grande dabei ausdrücklich als Vorbild. Der Kommission für den Kohleausstieg sei es „gelungen, mit allen Beteiligten eine Lösung zu finden, damit niemand dauerhaft als Verlierer zurückbleibt“. Die Folgen des Kohleausstiegs sollen demnach „sozial verträglich abgefedert werden“. Diese Absichtserklärung sieht er offenbar als ein ausreichend faires Zugeständnis an alle, die auf Grund des einzig auf den „politischen Gestaltungswillen“ bestimmter politischer Kräfte gestützten Entschlusses künftig Arbeitsplätze verlieren, höhere Energiepreise bezahlen und an Lebensstandard einbüßen werden.

Ob diese Meinung jedermann teilen wird, hält Grande wohl ebenfalls für ungewiss. Entsprechend warnt er davor, die AfD könnte den Themenkomplex einer ideologisch bestimmten Umweltpolitik als künftiges Agitationsfeld entdeckt und die daraus resultierenden Konflikte „zu ihrem dritten großen Mobilisierungsthema machen – nach Europa und dem Migrationsthema“.

 



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