Geschlechtswechsel: Regierung hält Beratungspflicht bei Minderjährigen für „nicht erforderlich“

Trotz Warnungen, dass bei Einführung des Gesetzes Kinder und Jugendliche zu wenig geschützt seien, soll es laut Ampelregierung keine Pflichtberatung vor der Änderung des Geschlechtseintrags geben.
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Das Selbstbestimmungsgesetz sieht keine staatlich kontrollierte Aufklärung oder eine verpflichtende Beratung vor. Symbolbild.Foto: iStock
Von 17. Januar 2024

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Das „Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (SBGG) ist eines der wichtigsten, aber auch umstrittensten Projekte der Ampelregierung. Das Gesetz, das am 23. August 2023 vom Bundeskabinett beschlossen wurde, soll im ersten Quartal 2024 endgültig verabschiedet werden, um dann am 1. November in Kraft zu treten.

Die wohl als am wichtigsten wahrgenommene Änderung des SBGG-Entwurfs im Vergleich zum seit 1981 wirksamen Transsexuellengesetz (TSG) ist, dass grundsätzlich jede Person das Recht bekommen soll, den Eintrag seiner empfundenen Geschlechtszugehörigkeit und seinen Vornamen einmal im Jahr amtlich ändern zu lassen. Und das vor allem, ohne die Seriosität seines Ansinnens aufwendig glaubhaft machen zu müssen.

Nach neuem Gesetz: Keine Gutachten, kein Richterentscheid

Bislang mussten Transmenschen einen ernsthaften Wunsch zur Geschlechtsumwandlung zuerst glaubhaft machen, beispielsweise durch die Einnahme von Hormonen oder durch Operationen. Das entfällt in Zukunft.

Nach dem neuen Gesetz sind keinerlei Gutachten mehr vonnöten, man benötigt keinen Richterentscheid und die Wartezeit wird auf drei Monate verkürzt.

Eine weitere, bislang umstrittene Änderung gibt es bei Jugendlichen. Kindern ab vierzehn Jahren wird es leichter gemacht, ihren Geschlechtseintrag gegen den Willen der Eltern zu ändern.

Für den Fall, dass gesetzliche Vertreter von Jugendlichen über 13 Jahre nicht einwilligen sollten, soll gemäß Paragraf 3 (1) SBGG das Familiengericht die Zustimmung erteilen, wenn die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen dem Kindeswohl nicht widerspreche. Jetzt heißt es nur im Gesetz: „Stimmt der gesetzliche Vertreter nicht zu, so ersetzt das Familiengericht die Zustimmung.“

Zu wenig Schutzvorkehrungen für Kinder und Jugendliche

Und genau das ist auch der Knackpunkt für Kritiker des neuen Selbstbestimmungsgesetzes: Für Kinder und Jugendliche, die eine Änderung ihres Geschlechtseintrags vornehmen wollen, so die Bedenken, seien zu wenig Schutzvorkehrungen getroffen worden, warnen kritische Stimmen.

Die Ampelregierung sieht hier aber keinen Änderungsbedarf – es soll also keine „Pflichtberatung“ vor der Änderung des Geschlechtseintrags geben. Das offenbart die Antwort des Queerbeauftragten Sven Lehmann (Grüne) auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion, wie „Welt“ berichtet.

Beratungspflicht wird nicht für erforderlich gehalten

Auf die Frage der Union, ob es eine gesetzliche vorgeschriebene Beratung oder Begutachtung geben soll, kam von Lehmann eine abschlägige Antwort: „Die Bundesregierung hat bei der Erstellung des Gesetzentwurfs eine Beratungspflicht gerade auch im Hinblick auf Minderjährige geprüft und diese nicht für erforderlich gehalten“.

Es werde davon ausgegangen, dass die Kinder und Jugendlichen, die eine Änderung des Geschlechtseintrags beabsichtigen, und ihre sorgeberechtigten Personen eine so weitreichende Entscheidung im Regelfall nicht ohne Unterstützung treffen wollen und werden. „Der Fokus der Bundesregierung liegt daher auf der Stärkung von Beratungsangeboten statt der Etablierung einer starren Pflichtberatung“, so Lehmann.

Bewusst keine staatlich kontrollierte Aufklärung

Das Selbstbestimmungsgesetz sehe bewusst keine staatlich kontrollierte Aufklärung oder eine verpflichtende Beratung vor, da eine solche dem primären Regelungsziel des Gesetzes widerspräche, so Lehmann, „nämlich den betroffenen Personen eine autonome Entscheidung in Bezug auf ihre geschlechtliche Selbstbestimmung zu ermöglichen.“

Die Bundesregierung habe sich hierzu eine Vielzahl von Stellungnahmen von Wissenschaftsverbänden und wissenschaftlichen Institutionen zurate gezogen, unter diesen fachmedizinischen Stellungnahmen bestehe weitgehend Konsens, keine verpflichtende Beratung oder Begutachtung von Kindern und Jugendlichen zu fordern, bevor diese ihren Geschlechtseintrag ändern dürften.

Die Union, vertreten durch die CDU-Abgeordnete Mareike Wulf als Berichterstatterin im Familienausschuss, bemängelte, dass die Ampelkoalition offenbar nicht bereit oder in der Lage sei, angemessen auf legitime Zweifel und Bedenken einzugehen. Insbesondere bei den Regelungen für Kinder und Jugendliche sei dies ersichtlich. Wulf kommentierte: „Die Antworten lassen eindeutig darauf schließen, dass die Ampelkoalition hier keine Kurskorrektur vornehmen möchte. Anstatt zumindest ein Mindestmaß an Jugendschutz beim Geschlechtswechsel zu gewährleisten, sollen Familien in solch herausfordernden Situationen offenbar sich selbst überlassen werden.“

Eine deutschlandweite statistische Erfassung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die von Genderdysphorie oder Genderinkongruenz (Personen, die sich nicht mit dem ihnen bei Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren) betroffen sind, plant die Bundesregierung derzeit nicht.

Kleine Anfrage: Unionsfraktion hat 92 Fragen zum Gesetz

Die Unionsfraktion hatte vor Weihnachten einen umfangreichen Fragenkatalog mit 92 Fragen zum geplanten Selbstbestimmungsgesetz an die Regierung geschickt.

Nach Auffassung der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag „führt die Möglichkeit, dass beinahe ausnahmslos jede Person ‚auf Zuruf‘ ihren Geschlechtseintrag ändern kann, zu einer Fülle an Folgeproblemen, die rechtlich nicht gelöst werden können“, steht in der Einleitung einer „Kleinen Anfrage“ (Epoch Times berichtete).

Die Fragen zum neuen Gesetz betreffen „Schutzräume“ für Frauen, Haftungsfragen bei Falschberatung, die Identität von Migranten, Häftlingen oder Soldaten und thematisieren auch das Kindeswohl oder das Sorgerecht der Eltern.

Neben dem Ruf nach einer gesetzlich vorgeschriebenen Beratungspflicht gilt als weiteres, besonders heikles „Kinderschutzthema“ die körperangleichende Operation: Hier will die Union wissen, ob und auf welcher Grundlage die Regierung davon ausgehe, dass es nicht zu einer verfrühten Entscheidung bezüglich einer medizinischen Transition kommen könne.

Hochkomplexe Entscheidungsprozesse

Die Antwort auf die Frage lautet: „Der Entscheidungsprozess für geschlechtsangleichende Maßnahmen bei minderjährigen trans* Personen ist hochkomplex und muss bei jeder betroffenen minderjährigen Person individuell erfolgen“, heißt es und weiter:

„Die Entscheidung liegt dabei im Ermessen der behandelnden Ärztin oder des behandelnden Arztes und muss nach Abwägung von Nutzen und Risiken einer gewünschten und verfügbaren Behandlung sowie der Herstellung einer bestmöglichen Informiertheit der Patientinnen und Patienten und ihrer Sorgeberechtigten getroffen werden.“



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