In Deutschland alles „fest im Blick“: Chinas Polizeinetzwerk beschäftigt Innenministerium

Die Tentakel der Kommunistischen Partei Chinas greifen weltweit nach ihren Gegnern. Auch in Deutschland soll es illegale Polizeistationen des Regimes geben. Das Innenministerium bleibt gelassen: Man habe alles im Blick.
Titelbild
Ein chinesischer Polizist auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking.Foto: Lintao Zhang/Getty Images
Von 16. Mai 2023

Die Frage, ob chinesische Polizeibehörden auf deutschem Boden insgeheim agieren, beschäftigte auch Journalisten, die auf der Bundespressekonferenz (BPK) am 15. Mai die Regierungssprecher zum aktuellen Stand befragten. Im April erst hatten US-Behörden Anklage gegen chinesische Agenten erhoben, die eine chinesische Polizeistation in einem Bürogebäude in Manhattan betrieben hatten. Auch in Deutschland soll es mindestens zwei Polizeistationen geben oder gegeben haben. Auf der BPK wollten Journalisten Näheres dazu wissen.

Zwei Polizeistationen, mehrere Personen

Befragt nach dem „chinesischen Unterdrückungsapparat im Ausland“, den sogenannten Übersee-Polizeistationen, erklärte der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Maximilian Kall: „Die Sicherheitsbehörden haben diese Aktivitäten (…) fest im Blick.“ Meist handle es sich nicht um ortsgebundene Büros, sondern mobile Einrichtungen. Da es sich nicht um Büros im eigentlichen Sinne handle, könne man diese Überseepolizeistationen in Deutschland auch nicht physisch schließen, meinte der Ministeriumssprecher. Er bestätigte zudem, dass man nur von zwei Polizeistationen wisse, er aber nicht von zwei Personen, sondern von zwei (personengebundenen) Polizeistationen gesprochen habe. Kall betonte, dass es sich bei diesen Personen nicht nur um Chinesen handeln könne, sondern auch um Deutsche.

Ein Journalist hakte nach und verwies auf die Schließung einer solchen Polizeistation in New York und die damit einhergegangenen Verhaftungen. Er kritisierte: „Man hat in Deutschland nicht den Eindruck, dass es einen Verfolgungsdruck gegenüber diesen Männern gibt, die ja offenbar hoheitliche Aufgaben im Auftrag Chinas wahrnehmen.“ Der Antwort des Sprechers nach gebe es „selbstverständlich“ auch in Deutschland einen Verfolgungsdruck – „immer nach den rechtsstaatlichen Möglichkeiten“. Das hänge von dem ab, was tatsächlich an diesen Übersee-Polizeistationen geschehe, sagte der Sprecher des Innenministeriums.

„Nicht an uns, Schließungen zu veranlassen“

Andrea Sasse, Sprecherin des Auswärtigen Amtes, erklärte dazu, dass man im November 2022 mit China diesbezüglich in Kontakt getreten sei und die Schließung etwaiger Polizeistationen in Deutschland gefordert habe. Den Angaben Sasses nach hatte das Regime jedoch in einer Antwort die Existenz solcher Polizeistationen in Deutschland dementiert. Allerdings vergingen von der Anfrage bis zur Antwort im Februar mehrere Monate Zeit. Sasse: „Etwaige Servicestationen, wie es die chinesische Seite bezeichnet hat, seien geschlossen worden.“

Auf die Nachfrage eines Journalisten, wie viele Schließungen von Polizeistationen Deutschland denn veranlasst habe, sagte Andrea Sasse: „Es ist nicht an uns, die Schließung zu veranlassen.“ Unsere Aufgabe sei es, mit anderen Staaten darüber zu diskutieren, ob die Regelungen des Wiener Übereinkommens über diplomatische oder konsularische Beziehungen eingehalten werden. Das sei hier nicht der Fall gewesen, woraufhin entsprechende Maßnahmen ergriffen worden seien.

Das sind „chinesische Regelungen“

Um eine Einschätzung der Gefahr für chinesische Staatsbürger in Deutschland gebeten, insbesondere Ausspionieren und Bedrohen der chinesischen Diaspora in Deutschland, musste die Sprecherin eingestehen: Sie kenne diesen Vorwurf, könne aber über die Aufgaben der chinesischen Übersee-Polizeistationen nichts sagen, weil das „chinesische Regelungen sind, die da greifen“. Andrea Sasse merkte hierzu an, dass es sich bei den Polizeistationen nicht um „institutionelle Gebilde“ handle, wie man hierzulande allgemein unter Polizeistationen verstehe, sondern es gehe „um einzelne Personen, die für Polizeistationen in China Aufgaben übernehmen“. Nach Sasses Angaben gebe es solche Polizeistationen auch in anderen Ländern der EU.

Eine Bundespressekonferenz mit Regierungsvertretern (Symbolbild). Foto: Tobias Schwarz/AFP via Getty Images

Bedrohungen in den Niederlanden

Da man in Deutschland offenbar nichts davon weiß, was die chinesischen Polizeistationen so treiben, hilft vielleicht ein Blick in die Niederlande. Dort berichteten Medien im April über die Erlebnisse einer ehemaligen China-Korrespondentin (2001 bis 2019) der niederländischen Tageszeitung „Volkskrant“, Marije Vlaskamp. Mittlerweile wieder in den Niederlande lebend, traf sich die Journalistin mit dem ebenfalls in den Niederlanden lebenden jungen chinesischen Dissidenten Wang Jingyu für ein Interview.

Kurz darauf erhielten beide einschüchternde Nachrichten per Telegram. Per E-Mail gingen zudem Zimmerbuchungen in ihrem Namen in einem Hotel in Den Haag ein. Einen Tag später sei in ihrem Namen eine Bombendrohung gegen die chinesische Botschaft in Den Haag ausgesprochen worden, berichtete der niederländische öffentlich-rechtliche Sender NOS. Entsprechende großräumige Abriegelungen der Polizei umfassten auch den nahe gelegenen offiziellen Wohnsitz von Ministerpräsident Mark Rutte.

Später erhielt Wang ein Forderungspaket von einem chinesischen Agenten. Er solle keine Interviews mehr geben, seinen Twitter-Account schließen und die Zeitung solle den Artikel über Wang offline nehmen. Ebenso sollten alle Chats und Telegram-Konten im Zusammenhang mit den Drohungen gelöscht werden. „Der Staat ist mächtiger als ihr kleinen Schachfiguren“, drohte der Agent.

Chinas „Operation Fuchsjagd“ in den USA

In den USA gibt man sich keiner Illusion hinsichtlich der chinesischen Agenten in den illegalen Polizeistationen hin. Nach der Razzia in Manhattan erklärte im November 2022 FBI-Chef Christopher Wray, dass Chinas Regierung Menschen in den Vereinigten Staaten belästigt, verfolgt, überwacht und erpresst habe. Einen Monat zuvor, im Oktober, hatten die USA Strafanzeigen gegen sieben chinesische Staatsangehörige erhoben. Sie wurden beschuldigt, eine Überwachungs- und Belästigungskampagne gegen einen US-Bürger und dessen Familie durchgeführt zu haben. Eine Person aus der Familie sollte nach China zurückgebracht werden. Der Fall wurde unter dem Namen „Operation Fuchsjagd“ bekannt.

Pressekonferenz des US-Justizministeriums am 17. April 2023 zur Verhaftung zweier Chinesen wegen der Errichtung einer geheimen chinesischen Polizeisatation in New York: Breon Peace, Staatsanwalt für den östlichen Bezirk von New York, mit David Newman, dem stellvertretenden Generalstaatsanwalt für nationale Sicherheit im US-Justizministerium (l.), Michael Driscoll (2.v.r.), stellvertretender Leiter der FBI-Außenstelle New York, und David Sundberg (r.), stellvertretender Leiter der FBI-Außenstelle in Washington DC. Foto: ANGELA WEISS/AFP via Getty Images

Nach Angaben von Wray beschrieb der damalige stellvertretende Generalstaatsanwalt der Abteilung Nationale Sicherheit, John Demers, Chinas „Operation Fox Hunt“ (Operation Foxjagd) als einen „umfassenden Versuch von Generalsekretär Xi und der Kommunistischen Partei Chinas, chinesische Staatsbürger hier in den Vereinigten Staaten und auf der ganzen Welt ins Visier zu nehmen, die als Bedrohung für das Regime angesehen werden“, so der FBI-Chef. Wray meinte dazu, dass es empörend sei, dass China glaube, „es könne an unsere Küsten kommen, illegale Operationen durchführen und Menschen hier in den Vereinigten Staaten ihrem Willen unterwerfen“, so der FBI-Chef.

2 Landkreise, 54 Polizeistationen, 30 Länder

Erstmals über chinesische Oversea-Policestations berichtete die spanische Menschenrechtsorganisation „Safeguard Defenders“ im Oktober 2022 und deckte ein weltweites Netz von 54 chinesischen Polizeistationen in 30 Ländern auf fünf Kontinenten auf. Man erklärte jedoch, dass man von einer noch höheren Gesamtzahl ausgehe, da es sich hierbei nur um die von den chinesischen Kreisen Fuzhou und Qingtian eingerichteten Stationen gehandelt habe. In einem Bericht der spanischen Zeitung „El Correo“ erklärte ein chinesischer Beamter aus dem Amt für ausländische Angelegenheiten in Shanghai unter der Bedingung der Anonymität: „Die bilateralen Verträge sind sehr schwerfällig und Europa zögert, an China auszuliefern. Ich sehe nicht, was falsch daran ist, Kriminelle unter Druck zu setzen, die vor Gericht gestellt werden …“.



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