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UPDATE: Kassenärzte-Chef befürchtet italienische Verhältnisse in Versorgung – kritisiert Esken und Söder scharf

Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen befürchtet durch die Umsetzung eines bayerischen Sonderweges zur medizinischen Versorgung, chaotische Verhältnisse wie in Italien. Auch Vorschläge der SPD-Chefin Esken konterte er mit einer Bemerkung zu "Dilettantismus"

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Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.

Foto: Britta Pedersen/dpa

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Lesedauer: 4 Min.

Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, hat die Pläne von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), den KV die Zuständigkeit für die ärztliche Versorgung im Land zu entziehen, scharf kritisiert. „Vielleicht will sich Herr Söder als Krisenmanager beweisen“, sagte Gassen in der Sendung „Frühstart“ der RTL/n-tv-Redaktion. „Man kann nur hoffen, dass der größte Teil der Krise bewältigt ist. Denn das ist das Chaotisieren der bestehenden Strukturen.“

„Brandgefährlich“

Söders Plan sieht vor, dass pro Landkreis oder kreisfreie Stadt ein sogenannter „Versorgungsarzt“ eingesetzt wird. Diese Dezentralisierung zugunsten eines bayerischen Sonderwegs sei aus medizinischer Sicht „brandgefährlich“, so Gassen. Angesichts der knappen Verfügbarkeit von medizinischer Schutzausrüstung warnte Gassen davor, die niedergelassenen Ärzte bei der Verteilung des Materials zu benachteiligen. „Wenn die niedergelassen Ärzte keine Schutzkleidung mehr bekommen, dann sind sie vom Netz“, sagte er der RTL/n-tv-Redaktion.
Sechs von sieben Corona-Patienten würden ambulant in den Praxen behandelt. „Wenn diese sechs Patienten auch noch in die Krankenhäuser kommen, dann haben wir bald doch noch italienische Verhältnisse.“ Zwar gebe es inzwischen mehr Lieferungen vom Bund. „Aber das würden wir uns umfangreicher wünschen“, sagte Gassen. Der Kassenärzte-Chef kritisierte zudem, dass einige Bundesländer – darunter Sachsen, Schleswig-Holstein und Bayern – die Verteilung der Schutzmaterialien vom Bund künftig selbst übernehmen wollen, anstatt dies wie zuvor den Kassenärztlichen Vereinigungen zu überlassen. „Das andere System hat funktioniert“, so Gassen. „Jetzt gibt es noch eine Anlaufstelle mehr. Das hätten wir uns anders gewünscht. Hoffen wir, dass das glatt geht.“
Gassen sagte mit Blick auf andere Bundesländer: „Insgesamt ist man klug beraten in der Politik, jetzt nicht den gleichen Fehler wie in Bayern zu begehen.“ Es sei nicht der Moment, sich politisch profilieren zu wollen. Er kritisierte auch die in Bayern eingeführte Möglichkeit, medizinisches Gerät wie Beatmungsgeräte beschlagnahmen zu können. Dies führe etwa dazu, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen nicht mehr selbst etwas anschaffen könnten, weil sie fürchten müssten, ihre Anschaffungen würden vom Staat beschlagnahmt.

Zeit der Profis, nicht der Dilettanten

Zu Forderungen der SPD-Vorsitzenden Esken zu einer radikalen Umkehr des Gesundheitssystems nach der Corona-Pandemie sagte Gassen, bei Esken fühle er sich an die Mahnung des Präsidenten des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, erinnert, es sei jetzt die Zeit für Profis und nicht für Dilettanten. Das Gesundheitssystem in Deutschland sei sehr gut aufgestellt. „Das zu ändern ist sicher eine ganz skurrile Schlussfolgerung aus der Krise.“
Insgesamt sei das deutsche System im internationalen Vergleich gut aufgestellt. So seien aktuell etwa 12.000 Intensivbetten mit Beatmungsmöglichkeit in Deutschland frei – Italien oder Frankreich verfügten insgesamt über lediglich 6000 bis 7000 Intensivbetten. Die Kassenärzte wandten sich zugleich gegen Forderungen nach einer Maskenpflicht. Es gebe schlicht nicht ausreichend Schutzmasken, deshalb müsse die Versorgung von Beschäftigten im medizinischen Bereich absoluten Vorrang habe.

Andere Krankheiten warten nicht auf Abebben der Corona-Krise

Der Vorsitzende der Kassenärzte warnte außerdem vor indirekten Folgeschäden durch die Corona-Kkrise. Es gebe schon jetzt Patienten mit Anzeichen von Herzinfarkten oder Schlaganfällen, die aus Sorge vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus nicht mehr zum Arzt gingen. Dies könne schlimme Folgen haben. „Wir müssen aufpassen, dass wir am Ende nicht mehr Tote durch Kollateralschäden haben als durch das Coronavirus selbst.“
Der Deutsche Hausärzteverband und die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin forderten für ihre Ärzte eine stärkere Unterstützung. Andere Erkrankungen würden nicht drauf warten, bis die Pandemie abgeebbt sei. Es müsse deshalb in angemessener Zahl Schutzausrüstung zur Verfügung stehen, um auch an Diabetes, Parkinson oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen leidende Patienten behandeln zu können.
(afp/dts)

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