KI-Tool ermöglichte Festnahme von RAF-Klette: Suche nach Garweg und Staub geht weiter

Die jahrzehntelange erfolglose Suche nach der mutmaßlichen RAF-Terroristin Daniela Klette ruft Kritik an den zuständigen Ermittlungsbehörden hervor. Ein Journalist war dieser mittels eines KI-Tools auf die Spur gekommen. Ihre Mitstreiter Garweg und Staub werden noch gesucht.
Titelbild
Fahndungsfotos von Burkhard Garweg am 02.03.2024.Foto: via dts Nachrichtenagentur
Von 2. März 2024

Nach der Festnahme der mutmaßlichen RAF-Terroristin Daniela Klette hofft das Bundeskriminalamt (BKA) nun auch Hinweise auf zwei ehemalige Mitstreiter. Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub sollen sich nach Einschätzung von Beamten ebenfalls in Berlin befinden. Die Sicherheitsbehörden halten es nach den Ereignissen vom vergangenen Montag, 26. Februar, für möglich, dass diese bewaffnet sind.

Die Polizei fahndet weiterhin öffentlich nach den beiden noch flüchtigen RAF-Mitgliedern Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg. Am Samstag veröffentlichten die Ermittlungsbehörden jetzt neue Fotos, die Garweg zeigen. Aufgenommen wurden die Bilder vermutlichen in den Jahren von 2021 bis 2024, so das LKA Niedersachsen.

Die Veröffentlichung legt nahe, dass Garweg und die am Dienstag festgenommene Daniela Klette in unmittelbarem Kontakt zueinander standen. Die Bilder zeigen Garweg in einem Wohnzimmer und in einem Wald. Zu sehen sind auch verschiedene Hunde, die ihm zugehörig zu sein scheinen.

Mutmaßlich führende Persönlichkeit der dritten RAF-Generation

Nicht weniger als 30 Jahre lang hatte Klette im Berliner Stadtteil Kreuzberg gelebt, ehe vor wenigen Tagen die Festnahme erfolgte. Nicht nur Umstände ihrer Festsetzung haben für Irritationen gesorgt. In ähnlicher Weise traf das auch auf die Tatsache zu, dass die als Führungspersönlichkeit der dritten Generation der RAF geltende mutmaßliche Terroristin nicht einmal vollständig im Verborgenen lebte.

Erst im Februar hatten sich die Sicherheitsbehörden mit ihrer Personenfahndung an die Öffentlichkeit gewandt. Über die ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY… ungelöst“ richteten sie unter anderem an bisherige Unterstützer den Appell, sich an die Staatsanwaltschaft zu wenden. Schon im Vorfeld der Ausstrahlung soll es bereits 52 Hinweise gegeben haben, insgesamt war von etwa 250 die Rede.

Die einzige Ausbeute blieb vorerst jedoch die Verhaftung eines Mannes wenige Tage zuvor in einer Straßenbahn in Wuppertal. Ein Zeuge wollte in diesem den gesuchten Ernst-Volker Staub erkannt haben. Schnell stellte sich heraus, dass die Beamten einen vollständig Unbeteiligten verhaftet hatten.

Reges Engagement in deutsch-brasilianischen Kulturvereinen

Daniela Klette auf die Spur gekommen war am Ende der kanadische „Bellingcat“-Journalist Michael Colborne. In Zusammenarbeit mit dem ARD-Podcast „Legion Most Wanted“ war er bereits im Dezember 2023 mithilfe der Gesichtserkennungssoftware „PimEyes“ auf Bilder einer Frau in einer Tanzgruppe aufmerksam geworden.

Der Software zufolge deutete vieles darauf hin, dass es sich bei dieser um die als RAF-Terroristin gesuchte Klette handeln könnte. Am Ende stießen auch BKA und das LKA Niedersachsen auf die Bilder. Dieses ermittelte seit dem letzten Haftbefehl gegen das Trio, der im Januar 2016 vom Amtsgericht Verden (Aller) ergangen war.

Diese konnten die lange Jahre in deutsch-brasilianischen Kampfsport- und Freizeitvereinigungen aktive Dame tatsächlich als die Gesuchte identifizieren. Bei den Behörden hieß es, man habe im November 2023 den entscheidenden Hinweis aus der Bevölkerung erhalten.

Wie sich herausstellte, hat die heute 65-Jährige als „Claudia Ivone“ über etwa 20 Jahre hinweg unbehelligt in Berlin gelebt. Sie sei zum Teil sogar ins Ausland gereist. Um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, hat sie – neben mehreren ihr und ihren Mitstreitern angelasteten Banküberfällen – privaten Nachhilfeunterricht erteilt. Anonymen Quellen zufolge soll auch die Festnahme noch mit Pannen verbunden gewesen sein. So habe es stundenlang gedauert, bis die Einsatzkräfte schwere Waffen in der Wohnung aufgespürt hätten. Darunter seien, so das LKA Niedersachsen, eine Kalaschnikow, eine Panzerfaustgranate und Schnellfeuergewehre gewesen.

Keine Hinweise auf Beteiligung an Herrhausen- und Rohwedder-Morden

Die Ermittlungsbehörden erbitten nun Hinweise auf den Verbleib der noch flüchtigen mutmaßlichen Komplizen Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub. Sie gehen davon aus, dass diese sich zumindest zeitweilig ebenfalls in der Wohnung aufgehalten hatten.

Alle drei Gesuchten waren seit den 1970er-Jahren in der linksextremistischen Szene aktiv, zugerechnet werden sie der sogenannten dritten Generation der RAF. Dieser werden unter anderem die Morde an Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen 1989 und Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder 1991 angelastet.

Klette, Garweg und Staub sollen mit den Morden nichts zu tun haben. Nach ihnen wurde jedoch seit den 1990ern wegen Sprengstoffanschlägen auf ein technisches Zentrum der Deutschen Bank und gegen die JVA Weiterstadt gefahndet. Auch an einem Schusswaffenanschlag auf die US-Botschaft in Bonn sollen sie beteiligt gewesen sein.

Nach offizieller Auflösung der RAF noch zahlreiche Raubüberfälle

Im Jahr 1998 erklärte die RAF ihre offizielle Auflösung. Seit dieser Zeit erfolgten auch keine politisch motivierten Anschläge mehr. Klette, die zumindest phasenweise Staubs Lebensgefährtin gewesen sein soll, und Garweg sollen zwischen 1999 und 2016 eine zweistellige Anzahl an Raubüberfällen auf Banken, Supermärkte und Geldtransporte begangen haben. Die meisten davon fanden in NRW und Niedersachsen statt.

Nach den ersten Überfällen, bei denen DNA-Spuren auf das Trio hinwiesen, gingen die Sicherheitsbehörden davon aus, dass die Gesuchten eine neue Terrororganisation gegründet hätten. Tatsächlich dienten die Raubstraftaten der Finanzierung ihres Lebensunterhalts.

BKA, LKA Niedersachsen und Europol erbitten nun Hinweise auf den Aufenthaltsort von Staub und Garweg. Ausgesetzt ist eine Belohnung von mindestens 150.000 Euro. Es wird jedoch von einer gezielten Kontaktaufnahme abgeraten, da die Gesuchten bewaffnet sein könnten.

Sarkasmus, Solidarität und Klagen über „unversöhnlichen“ Staat

Ermittlungsbehörden halten sich angesichts der Kritik, die seit der Festnahme Klettes gegen sie erhoben wird, bedeckt. Vor allem wollen sie „aus kriminaltaktischen Gründen“ keine Angaben darüber machen, inwieweit sie auf Software wie „PimEyes“ zurückgreifen. Diese ist der EU aus datenschutztechnischen Gründen ein Dorn im Auge und bereits Gegenstand eines Verfahrens.

Im Jahr 2017 war der Dienst in Polen gegründet worden, breitere Bedeutung erlangte er jedoch erst ab 2020. Wie das ZDF berichtet, wurde das erste Foto, das Klette zeigt, allerdings erst im November 2022 indexiert. Selbst unter proaktiver Verwendung der Software wäre die Chance für die Ermittler, die mutmaßliche RAF-Terroristin früher zu finden, gering gewesen.
In sozialen Medien werfen einige Nutzer den Strafverfolgungsbehörden zu geringen Verfolgungseifer gegen linke Extremisten vor. Einige üben sich auch in Sarkasmus.

Gleichzeitig gibt es aus der linksextremen Szene die altbekannten Solidaritätsadressen.

In der taz beklagt Jürgen Gottschlich eine „Jagd auf RAF-RentnerInnen“ und wirft deutschen Regierungen vor, diesen keine Rückkehr in die Gesellschaft ermöglicht zu haben. Klette und ihre Genossen hätten die Banküberfälle nur deshalb begangen, weil sie aus dem Untergrund nicht hätten auftauchen können. Wenn es um die RAF gehe, so heißt es in dem taz-Kommentar, „herrscht immer noch Hysterie und Härte statt Vernunft“.



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