Legitime Honorare oder Schmiergeld? Medienvereine nehmen Putin-Biograf Seipel ins Visier

Hubert Seipel publizierte 2012 einen Film und 2015 ein Buch über Russlands Präsidenten Putin. Beide fielen durch ein hohes Maß an Empathie und Differenzierungsvermögen auf. Nun halten ARD und Journalistenvereine ein Scherbengericht.
Titelbild
Stand Starjournalist Hubert Seipel dem Kreml näher, als es der ARD lieb war?Foto: Evgenii Korneev/iStock
Von 19. Dezember 2023

Noch bis 2014 war der studierte Historiker und Politikwissenschaftler Hubert Seipel ein geschätzter und mehrfach preisgekrönter Journalist. Heute gilt er bei seinen eigenen langjährigen Auftraggebern von der ARD und bei Medienverbänden als Persona non grata. Bereits seine 2015 erschienene Biografie „Putin. Innenansichten der Macht“ über den russischen Präsidenten ließ es nach Ansicht vieler Kollegen an „Haltung“ fehlen. Mittlerweile wirft man ihm auch vor, Geld aus dubiosen Quellen genommen zu haben.

Mehrfach preisgekrönter Journalist mit breitem Interessengebiet

Seipel war unter anderem für den „Hessischen Rundfunk“ und als Auslandskorrespondent für den „Stern“ und den „Spiegel“ tätig. Im Jahr 1985 veröffentlichte er sein erstes Buch über die Flick-Parteispendenaffäre. In den 1990er-Jahren arbeitet er unter anderem als Investigativjournalist und Dokumentarfilmer.

Er bearbeitete dabei Themen wie die Ära Ferdinand Piëch bei VW, iranischen Staatsterrorismus oder die Macht der türkischen Generäle. In den 2000ern folgten unter anderem Dokumentationen über die Firma Grohe, den Opel-Konzern, die SPD, die Bankenrettung und Joschka Fischer. Im Jahr 2009 produzierte Seipel auch ein Porträt über den Gazprom-Konzern.

Im Jahr 2006 erhielt der Journalist den Deutschen Fernsehpreis/Helmut-Schmidt-Journalistenpreis für seine Grohe-Reportage. Drei Jahre später folgte der Adolf-Grimme-Preis für eine Doku über den ISAF-Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Anfang der 2010er-Jahre – zu diesem Zeitpunkt hatten noch nicht alle großen Medien Russland wieder als Feindbild entdeckt – entdeckte die ARD Hubert Seipels Kontakte dorthin für sich.

Seipel galt der ARD lange als Mann für heikle Missionen

In den Jahren 2011 und 2012 war es ihm möglich, den russischen Präsidenten über mehrere Monate hinweg zu begleiten. Unter anderem nahm der Staatschef ihn mit zur Jagd nach Sibirien oder zum Eishockey. Anlässlich der russischen Präsidentschaftswahl 2012 kam die Dokumentation „Ich, Putin“ zur Ausstrahlung. Auch diese wurde für den Deutschen Fernsehpreis nominiert.

Die Dokumentation wurde redaktionell unter anderem von ARD-Größen wie der späteren RBB-Intendantin Patricia Schlesinger und der heutigen BR-Intendantin Katja Wildermuth mitbetreut.

Im Jahr 2014, als die Beziehungen zu Russland bereits erheblich belastet waren, entsandte die ARD Seipel zu heiklen Missionen dorthin. In Moskau führte er das weltweit erste Fernsehinterview mit dem nach Russland geflohenen Whistleblower Edward Snowden. Die ARD sendete dieses am 26. Januar des Jahres – später erhielt Seipel dafür erneut den Deutschen Fernsehpreis.

Am 14. November 2014, ein halbes Jahr nach dem Putsch und Bürgerkriegsausbruch in der Ukraine, führte er in Wladiwostok ein ausführliches Interview mit Putin selbst. Im darauffolgenden Jahr erschien Seipels Biografie des russischen Staatschefs. Von den meisten übrigen Publikationen zu dem Thema unterschied sich diese durch eine tiefgründige und empathische Betrachtungsweise der Situation in Russland. Im Vorjahr publizierte Seipel das Buch „Putins Macht: Warum Europa Russland braucht“.

Sogenannter Oligarch soll mindestens 600.000 Euro bezahlt haben

Nun präsentiert die ARD ihren langjährigen Starjournalisten als „Putins Mann“ im eigenen Haus. Der NDR fragt selbstkritisch, ob er sich dessen nicht hätte bewusst sein müssen. Der „Spiegel“ und das ZDF-Magazin „Frontal“ hatten am Dienstag, 12. Dezember, über 600.000 Euro aus einem sogenannten Sponsorenvertrag berichtet.

Diese sollen von einer zyprischen Briefkastenfirma namens De Vere Worldwide Corporation gekommen sein. Sie soll dem russischen Großunternehmer und langjährigen TUI-Aktionär Alexej Mordaschow zuzuordnen sein. Es soll auch Hinweise auf eine zweite, ähnliche Vereinbarung gegeben haben. Die Transfers sollen im Rahmen einer Investigativrecherche zum Thema „Cyprus Confidential“ zum Vorschein gekommen sein.

Weder der Verlag Hoffmann und Campe, der Seipels Bücher verlegt hatte, noch der NDR wollen von den Zahlungen etwas gewusst haben. Sie kündigten nun eine Prüfung der Vorgänge an. Seipel räumte gegenüber einem Investigativ-Start-up ein, Geld von Mordaschow erhalten zu haben. Bei seinen Medienpartnern habe ihn niemand gefragt, ob er „im Auftrag ausländischer Mächte“ arbeite.

„Netzwerk Recherche“ will Seipel nun ausschließen

Wofür die Zahlungen des Milliardärs bestimmt waren, erklären bislang weder die Protagonisten von „Cyprus Confidential“ noch Seipel selbst. Dass die Russische Föderation ausländischen Journalisten gegenüber, die als loyal angesehen werden, zur Zahlung erheblicher Geldsummen bereit ist, ist Insidern bekannt. Dies gilt zumindest für bekannte Gesichter russischer Auslandssender und seit dem RT-Verbot für Mitarbeiter von Ersatzprojekten.

Dass die Zahlungen an Seipel jedoch in direktem Zusammenhang mit dessen Arbeit für die ARD oder dessen Büchern standen, ist bis dato nicht nachgewiesen. Seipel selbst bestreitet, dass diese Einfluss auf seine Unabhängigkeit gehabt hätten.

Demgegenüber hält nicht nur die ARD jetzt ein Scherbengericht über ihren früheren Exklusivreporter. Auch das „Netzwerk Recherche“ und die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (DJU) zeigen sich empört. Dem „Spiegel“ zufolge will das „Netzwerk Recherche“ Seipel nun ausschließen, sollte dieser nicht freiwillig seinen Austritt erklären. Sie betrachtet dessen Schaffen als „PR für Putin“ – PR-Mitarbeiter könnten jedoch keine stimmberechtigten Mitglieder sein.

„Kritischer Blick“ bei der ARD auch heute nicht in jedem Fall erwünscht

Bezüglich der Putin-Dokumentation aus dem Jahr 2012 heißt es vonseiten der Seipel-Ankläger nun ebenfalls, diese sei mittlerweile anders zu betrachten. Aus heutiger Sicht komme „der Verdacht auf, es handle sich mehr um ein Selbstporträt als um den kritischen Blick eines westlichen Journalisten auf den mächtigsten Mann Russlands“.

Noch heute sind in der ARD-Mediathek übrigens Dokumentationen zu sehen, die Beobachtern zufolge ebenfalls einen „kritischen Blick“ auf porträtierte Personen oder Anliegen nicht auf Anhieb erkennen lassen. Eine davon ist etwa „Ich bin Greta“ über die „Schulstreik“-Initiatorin Greta Thunberg, die mittlerweile wegen antisemitischer Positionen in der Kritik steht.

Anders als im Fall von Putin stehen in diesem Fall der vermeintlichen „Hofberichterstattung“ keine Dutzende kritischer „Reportagen mit Haltung“ entgegen. Darüber hinaus hantiert auch die ARD selbst mit hohen Summen, deren Zahlung die öffentliche Hand durch das Rundfunkgesetz möglich macht. So erreichen die Gehälter mehrerer Intendanten Höhen, die jährlich zumindest nicht weit hinter der mutmaßlich von Seipel eingenommenen Summe zurückbleiben.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion