Maskenatteste „auf Zuruf“ – Ärztin zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt

Prozess vor Mannheimer Landgericht: Die Staatsanwaltschaft hatte vier Jahre Gefängnis und ein Jahr Berufsverbot gefordert. Jetzt soll die Medizinerin 18.000 Euro an einen Verein bezahlen. Die Verteidigung hat bereits die Revision eingereicht.
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Das Landgericht in Mannheim verurteilte eine Ärztin zu einer Bewährungsstrafe, weil sie 4.374 Atteste zur Maskenbefreiung ausgestellt hatte.Foto: iStock
Von 21. Februar 2024

Das Landgericht Mannheim verurteilte die Weinheimer Ärztin Dr. Monika Jiang am gestrigen Dienstag (20. Februar 2024) wegen des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse zu einer Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Konkret soll sie 4.374 Maskenbefreiungsatteste ausgestellt haben, ohne Untersuchungen auf Berechtigung durchgeführt zu haben. Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre. Zudem muss die 60-Jährige 18.000 Euro an einen Verein zahlen. Die Staatsanwaltschaft hatte vier Jahre Haft und ein Jahr Berufsverbot gefordert.

Atteste „auf Zuruf“ ausgestellt

In erster Instanz war die Ärztin von einer Richterin am Amtsgericht Weinheim zu einer Haftstrafe von zweidreiviertel Jahren und drei Jahren Berufsverbot verurteilt worden. Letzteres wurde allerdings nach einer Beschwerde der Verteidigung bis zur Rechtskraft des Urteils wieder aufgehoben. Der Mannheimer Richter bestätigte nun die Aufhebung.

Die nun verhängte Bewährungsstrafe ist an der oberen Grenze. Bei einer Verurteilung über zwei Jahre Haft hätte die Strafe nicht mehr zu Bewährung ausgesetzt werden können, schreibt die Rechtsanwältin Beate Bahner auf ihrem Telegram-Kanal. Bahner ist Fachanwältin für Medizinrecht. Sie hatte eine ebenfalls angeklagte Mitarbeiterin der Ärztin, gegen die das Verfahren 2023 eingestellt worden war, vor Gericht vertreten.

Gegen das Urteil hat die Verteidigung nach Angabe von Sven Lausen, einem der drei Anwälte der Ärztin, bereits Revision eingelegt. Nach Angaben von Ivan Künnemann, einem weiteren Verteidiger, wird sich das Oberlandesgericht in Karlsruhe im Sommer 2024 mit dem Fall beschäftigen. Dann gibt es allerdings keine Hauptverhandlung mehr, sondern nur noch ein schriftliches Verfahren, sagte er im Gespräch mit Epoch Times. Die Revision sei eine reine „Rechtsfehlerinstanz“. Dabei werde nur noch überprüft, ob das Landgericht „rechtsfehlerhaft oder verfahrensfehlerhaft gehandelt hat“, erläutert Künnemann.

„Wir halten das Urteil für falsch“, sagt auch Holger Willanzheimer, der dritte Anwalt, in einer ersten Reaktion gegenüber den „Weinheimer Nachrichten“. Deutlicher drückte sich Dr. Monika Jiang gegenüber der Zeitung aus: „Das ist ein Unrechtsurteil.“ Dennoch sei sie erleichtert, dass die Strafe nun zur Bewährung ausgesetzt werden solle.

Die Möglichkeit einer Revision halte sich auch die Staatsanwaltschaft offen, so eine Sprecherin auf Nachfrage der „Weinheimer Nachrichten“.

Richter: Keine Untersuchung in über 4.000 Fällen

Die Medizinerin musste sich vor Gericht verantworten, weil sie zwischen Mai 2020 und Januar 2021 4.374 Maskenatteste „auf Zuruf“ ausgestellt haben soll. Laut „Südwestrundfunk“ (SWR) bezeichnete das Landgericht diese als unrichtige Gesundheitszeugnisse. Sie habe den staatlichen Maßnahmen während der Corona-Pandemie kritisch gegenübergestanden.

Dies habe vor allem für das Tragen von Alltagsmasken im öffentlichen Bereich gegolten. Die Ärztin habe die Masken für ungeeignet zum Schutz vor einer Ansteckung gehalten. Vielmehr sei sie davon ausgegangen, dass sie gesundheitsschädlich seien.

Wegen ihrer grundsätzlichen ablehnenden Haltung habe sie jedem, der wollte, ein Attest zur Befreiung von der Maskenpflicht ausgestellt. Es sei ihr dabei „völlig egal“ gewesen, ob diese Menschen tatsächlich „zur kleinen Gruppe von Ausnahmefällen“ gehörten, die nicht zum Maske tragen verpflichtet waren, sagte der Richter in seiner Urteilsbegründung.

Gericht: Atteste sind Gesundheitszeugnisse

Dass die Ärztin so vorging, habe sich über die sozialen Medien herumgesprochen. Daher hätten sie Hunderte Menschen kontaktiert, um sich von der Maskenpflicht befreien zu lassen. Dass sie dabei ein Krankheitsbild hätten angeben müssen, sei der Angeklagten nach eigener Aussage egal gewesen, so das Gericht weiter.

Es habe in mehr als 4.000 Fällen keine Untersuchung gegeben, um zu klären, ob die Betroffenen tatsächlich unter Schwindel oder Ähnlichem gelitten hätten. Die Atteste seien innerhalb weniger Stunden ausgestellt worden. Zunächst habe sie dafür fünf, später sieben Euro je Attest bekommen, zitieren die „Weinheimer Nachrichten“ aus der Urteilsbegründung.

Für das Gericht stehe außer Frage, dass es sich bei diesen Attesten um „Gesundheitszeugnisse“ im Sinne des Paragrafen 278 Strafgesetzbuch (alte Fassung) handelte. Alle Bemühungen der Verteidigung, dies anders darzustellen, stünden im Widerspruch zu zahlreichen obergerichtlichen Entscheidungen.

Die fehlende Untersuchung lasse sich nicht wegdiskutieren. Und nach dem „objektiven Empfängerhorizont“ seien die Atteste sehr wohl zur Vorlage bei einer Behörde bestimmt gewesen. Dies sei der Angeklagten auch bewusst gewesen, meinte der Richter.

Besondere Umstände der Pandemie

Bei der Strafzumessung seien aber auch weitere Aspekte berücksichtigt worden. So habe die Angeklagte die Taten bereits in der ersten Instanz eingeräumt. Auch sei sie nicht vorbestraft und habe sich vor der Tatzeit rechtlich nichts zuschulden kommen lassen. Die lange Verfahrensdauer habe man ebenso zu ihren Gunsten in das Urteil einbezogen wie die besonderen Umstände in einer Pandemie, „die so wahrscheinlich nicht noch einmal vorkommen wird“, so Hirsch.

An die Adresse der Verteidigung gerichtet, fügte der Vorsitzende Richter kritisch hinzu: „Eine Hauptverhandlung sollte kein Ort der Selbstdarstellung sein.“ Es sei offenbar das Ziel gewesen, die Verhandlung immer wieder mit neuen Beweisanträgen zu verschleppen und mögliche Revisionsgründe zu schaffen. Die Vorwürfe wies Verteidiger Sven Lausen zurück. Dagegen bemängelte er, dass das Gericht in seinem Urteil nur sehr oberflächlich auf die Rechtsfragen eingegangen sei.

Gegenüber Epoch Times sprach er von einer „unangemessenen Kritik“ gegenüber der Verteidigung. So habe das Gericht drei Anträge auf ein Rechtsgespräch im Verlaufe des Prozesses abgelehnt. Somit habe das Gericht der Verteidigung Anlass gegeben, sich mit Beweisanträgen „dem Kern des Tatvorwurfes vorsorglich zum Schutz der berechtigten Interessen der Angeklagten zu nähern“.

Lausen weiter: „Befangenheitsgründe schafft nur das Gericht, niemals die Verteidigung.“ Die Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes durch die Anordnung anlasslosen Scannens der Personalausweise aller Zuhörer über acht Verhandlungstage zur Abschreckung vom Aufsuchen der Hauptverhandlung sei nicht zu rechtfertigen. „Insbesondere, wenn dies an den letzten beiden Verhandlungstagen dann als Verfügung vom selben Gericht aufgehoben wird“, erläuterte der Anwalt.

Berufsverbot aufgehoben

Die Zahl von 4.374 Attesten sei konkret, da es laut Gericht eine Liste gab, die der Polizei vorlag, heißt es beim „SWR“ weiter. Der Sender schreibt allerdings von 4.800 Attesten, die laut Lausen jedoch falsch ist. Dabei verweist er auf die Anklage, die Epoch Times vorliegt, und die niedrigere Zahl bestätigt.

Auf der Liste waren Abrechnungen und Kontoauszüge aufgeführt. Darauf sei die Anzahl der ausgestellten Atteste nachvollziehbar. Die Strafkammer habe daher keine Zweifel, dass die Bescheinigungen in dieser Anzahl auch ausgestellt wurden. Dass Untersuchungen nicht stattgefunden hätten, gehe aus E-Mails und Patientenakten hervor.

Das vom Amtsgericht Weinheim verhängte Berufsverbot hob der Mannheimer Richter auf, weil es nicht verhältnismäßig sei. Die Staatskasse muss die Ärztin, die bis zur vorläufigen Aufhebung nach dem Widerspruch ihrer Anwälte mehrere Wochen nicht arbeiten durfte, dafür finanziell entschädigen.

Lausen nannte das Urteil „eine große Enttäuschung“. Er sei davon ausgegangen, dass „unsere rechtlichen Argumente so intensiv behandelt werden in der Urteilsbegründung, dass wir den Eindruck gewinnen konnten, dass sich damit jemand ernsthaft auseinandergesetzt hat“. Diese „Ernsthaftigkeit“ hätte das Verteidigertrio allerdings nicht gesehen. „Da haben wir schon mehr erwartet“, resümiert Lausen.

Behörden sahen monatelang nur zu

Bei seiner mündlichen Urteilsbegründung sei der Vorsitzende Richter Dr. Christian Hirsch nicht darauf eingegangen, dass die Behörden (Polizei, Staatsanwaltschaft Mannheim) dem angeblich gefährlichen Handeln seiner Mandantin monatelang nach Eingang der ersten Anzeige zugesehen habe und nur Anzeigen sammelte. Dies passe nicht zur Annahme eines erheblichen Unrechtsgehaltes. „Polizei und Staatsanwaltschaft wären zum unverzüglichen Eingreifen von Amts wegen verpflichtet gewesen. Es wäre also weitgehend verhinderbar gewesen bei ordnungsgemäßem Handeln der Behörden.“

Eine Verurteilung in 4.374 Fällen, ohne in der über zehn Verhandlungstage laufenden Hauptverhandlung einen einzigen Empfänger vernommen zu haben, obwohl dazu ausreichend Gelegenheit bestanden hätte, zeige, dass kein Strengbeweisverfahren versucht wurde. „Alle bisherigen Urteile in vergleichbaren Fällen hatten sich zumindest den Anschein von Sachaufklärung gegeben. Dort wurden die Verfahren beschränkt auf eine überschaubare Anzahl von Einzelfällen. Offenbar soll versucht werden, es sich noch leichter zu machen, um überhaupt keine Sachaufklärung mehr betreiben zu müssen“, kritisiert Lausen.

Befangenheitsanträge und Personenkontrollen

Die Bedingungen rund um die Verhandlung hatten immer wieder für Unmut unter den Zuschauern und für Kritik durch das Anwaltsteam der Ärztin geführt. So versammelten sich an den Prozesstagen oft mehr als 100 Menschen sowohl vor dem Amts- als auch Landgericht, um ihre Sympathie mit der Angeklagten zu bekunden.

Die Verhandlungssäle fassten allerdings zunächst kaum mehr als 30 Plätze, von denen ein Teil für Pressevertreter reserviert waren. So blieb der größte Teil der Öffentlichkeit ausgeschlossen. Erst am Landgericht stand dann ein größerer Saal zur Verfügung, nachdem es am vorletzten Prozesstag zu Protesten gekommen war.

Zu einem Befangenheitsantrag gegen das Gericht führte die Anordnung des Vorsitzenden Richters Dr. Christian Hirsch, die Personalausweise der Prozessbesucher sowie der Pressevertreter zu scannen. Aus „Sicherheitsgründen“ wurden auch mitgeführte Taschen durchleuchtet. Zum Einsatz kamen auch Körperscanner, und es gab Leibesvisitationen.

Das Scannen der Personalausweise hatte die Verteidigung mehrfach als unüblich gerügt, weil es den Ausschluss einer Teilöffentlichkeit bewirken könne. Außerdem stelle sich die Frage, was mit den Daten der eingescannten Personalausweise geschehe und wie lange diese gespeichert werden.

Das Gericht begründete den unüblichen Ausweis-Scan damit, dass so etwaige Störer in dem Prozess namentlich festgehalten werden könnten, rechtfertigte ein Sprecher des Landgerichts. Dieses Verfahren werde auch für Pressevertreter angewendet.

An einem Prozesstag im November 2023 geriet eine der ehrenamtlichen Schöffinnen ins Visier der Verteidigung. Als bekannt geworden war, dass sie beruflich bei einem Pharmagroßhändler beschäftigt ist, der auch Coronamasken vertreibt. Davon wusste offenbar auch der Vorsitzenden Richter nichts. Allerdings sah er darin – ebenso wie der Staatsanwalt und die Schöffin selbst – keinen Interessenkonflikt und auch keinen Grund für eine „Selbstanzeige“ der Befangenheit.



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