Neubauer-Essay in Abiprüfung: Ministerium streitet politische Motive ab

Zeitgenössische Auswahl oder politisches Kalkül? In den Abiturprüfungen für Politik und Wirtschaft durften die niedersächsischen Prüflinge kürzlich einen Text der Klimaaktivistin Luisa Neubauer erörtern. Für manche ein Skandal.
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Ein Text der prominenten Klimaaktivistin Luisa Neubauer hat es in die Abiturprüfungen des Landes Niedersachsen geschafft. Das gefällt nicht jedem.Foto: Paul Zinken/dpa/dpa
Von 27. April 2023

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Das Kultusministerium Niedersachsen hat einen Text der Klimaaktivistin Luisa Neubauer (Grüne, „Fridays for Future“) in die Themenauswahl der landesweiten Abiturprüfungen aufgenommen. Eine Zeitgeistautorin mit Aktivismus- und Milliardärshintergrund kommt angesichts der Verpflichtung zu politischer Neutralität in deutschen Bildungseinrichtungen aber nicht bei allen gut an.

Der frühere Gymnasiallehrer, langjährige Präsident des Lehrerverbandes und Sachbuchautor Josef Kraus („Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt“) etwa setzte sich in einem Artikel für „Tichys Einblick“ kritisch mit der Textauswahl auseinander: „Mit der Präsentation eines solchen Textes hat sich die niedersächsische Schulaufsicht selbst diskreditiert“, so sein Urteil. Besonders erstaunt sei er darüber allerdings nicht, denn im niedersächsischen Kultusministerium habe seit November 2022 Julia Willie Hamburg (Grüne) das Sagen. Kraus vermutete einen „karrierebeflissene[n] Kotau“ der früheren Landesfraktionsvorsitzenden.

Auch Christian Fühner (CDU), Bildungspolitiker im Niedersächsischen Landtag, hatte nach Angaben der „Bild“ ein Geschmäckle bei der Auswahl des Neubauer-Textes gewittert. Er habe über bestimmte „Bewertungsmaßstäbe“ spekuliert und vom Kultusministerium wissen wollen, ob Schüler schlechter bewertet würden, falls sie Neubauers Positionen nicht teilen sollten.

Kultusministerium streitet politisch motivierte Auswahl ab

Nach Auskunft des Ministeriums aber hat Julia Willie Hamburg nichts mit der ganzen Sache zu tun: Wie die „Hannoversche Allgemeine“ berichtet, sei die umstrittene Abituraufgabe bereits im Sommer 2022 ausgesucht worden, als „der Kultusminister noch Grant Hendrik Tonne (SPD)“ gewesen sei.

„Dass ein aktueller Bericht Teil einer Abiturprüfung“ sei, betrachte das Ministerium nicht als etwas „Ungewöhnliches“.

Die meisten wählten Neubauers (gekürzten) Text

Wie Kraus berichtet, mussten sich die Prüflinge im Fach PoWi („Politik-Wirtschaft“) am 24. April entscheiden, ob sie sich lieber mit einem Text über die soziale Marktwirtschaft oder mit Neubauers Essay „Nur weil die Richtigen regieren, wird nicht gleich richtig regiert“ auseinandersetzen wollten. 80 bis 90 Prozent hätten sich für die Herausforderung Neubauer entschieden.

Neubauer, die „Fridays for Future“-Ikone und Lebensgefährtin des „hart aber fair“-Moderators Louis Klamroth, hatte ihre regierungskritischen Ansichten zur „Klimapolitik“ der Ampelregierung bereits am 8. Juni 2022 in der „ZEIT“ veröffentlichen lassen. Prüfungsstoff war nach Angaben von Kraus allerdings eine gekürzte Version: Nur etwa 63 Prozent des 1.900 Wörter starken, auf drei Onlineseiten verteilten „ZEIT“-Originaltextes galt es innerhalb von fünf Stunden zu lesen, zu verstehen und anhand von vier Prüfungsaufgaben zu erörtern.

Dafür aber sei den Oberprimanern neben der Erlaubnis, das Grundgesetz auf dem Tisch zu haben, auch mit „Worterklärungen“ zu Begriffen wie „Embargo“ oder „CO₂-Budgets“ unter die Arme gegriffen worden.

Prominentes TV-Gesicht

Den Inhalt und vor allem die Stoßrichtung konnten sich die Bewerber um die Allgemeine Hochschulreife ohnehin denken. Denn die heute 27-jährige, weit gereiste Geografiestudentin und Stipendiatin der Heinrich-Böll-Stiftung darf ihr Weltbild immerhin schon seit ein paar Jahren zur besten Sendezeit in allerlei Fernsehtalkshows ausbreiten.

Im Kern geht es bei Neubauer um immer dieselbe Geschichte: Böse ist alles, was mit CO₂-Ausstoß zu tun hat – gut ist alles, was CO₂ verhindert. Damit die Menschheit eine Zukunft hat, gilt es, das Althergebrachte zu verbieten und eine völlig neue Welt zu schaffen. Weil’s schnell gehen muss, seien den Klimaaktivisten Druckmittel beinahe jeder Art erlaubt. Zudem sei unbedingte Entschlossenheit geboten, denn „das Klima“ schere sich nicht um Menschen, ihre Interessen oder Alltagssorgen. Falls nicht genug „interveniert“ werde, würde die Welt schon sehr bald in einer Hitzehölle untergehen.

Neubauer: „Wer echten Frieden will, will das Ende der fossilen Ära“

Neubauers Essay, verfasst im Frühsommer 2022, als noch Öl aus Russland nach Deutschland floss, betrachtet insbesondere den Ukraine-Krieg aus der Perspektive des Klimanarrativs: Putins Krieg sei nicht nur deshalb entgegenzutreten, weil darin Menschen sterben, sondern vor allem, weil damit der Verkauf und Gebrauch von „klimaschädlichen“ Rohstoffen gefördert werde. „Wer echten Frieden will, will das Ende der fossilen Ära“, folgert Neubauer. Und fordert „Besetzungen und Blockaden, wo zusätzliche fossile Expansionen geplant sind“, außerdem „sanieren, sparen (wer kann), Tempolimit, Inlandsflugverbot, autofreie Innenstädte – all das und viel mehr“.

Kritik an grünen Parteifreunden

Geld, Mühen und vor allem Verzicht spielen bei Neubauer offenbar kaum eine Rolle im „Kampf für unser aller Lebensgrundlagen“. Und dieser Kampf laufe durch die komplexen internationalen Verflechtungen gerade in Kriegszeiten Gefahr, wieder ausgebremst zu werden: „Erstmals erleben wir die lang ersehnte Geschwindigkeit in der Politik, bloß nicht für die Klimawende, sondern für immer mehr fossile Entscheidungen“, prangert Neubauer an. Und zeigt mit dem Finger auf Kanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck, die sich nicht genug anstrengen würden.

„Eigentlich verwunderlich, dass sich die Prüflinge nach so viel Agitation nach der Prüfung nicht sofort nach Abschluss der Klausur in Hannover oder Göttingen auf die Straßen geklebt haben“, merkte Kraus an.

Statt Friedman und Keynes nun Neubauer

Während nun zwar die Vorwürfe politischen Kalküls durch die grüne Ex-Fraktionsvorsitzende Julia Willie Hamburg vom Tisch sein dürften, stoßen sich manche Kommentatoren generell an der Auswahl des Textes: „In meinem Politikabi stand noch so etwas wie Auslandseinsätze der Bundeswehr und wirtschaftspolitische Themen und Theorien von Friedman bis Keynes auf dem Plan“, schrieb etwa die Journalistin Anabel Schunke auf Twitter, „Jetzt also Klima und Luisa Neubauer. […] Nächstes Jahr dann Bio-Abi über Transgender. Wer bestreitet, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt, fällt durch.“

Luisa Neubauer selbst hatte den Prüflingen am Stichtag auf Twitter Mut zugesprochen: „Heute wurde in Niedersachsen Politik-Abitur geschrieben – und Teil davon war mein Essay zur Klimapolitik der Ampel & der Notwendigkeit für breiten Einsatz gegen die Klimakrise. Daumen für alle Beteiligten sind gedrückt!“



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