Claudia Roth über Erdogan-Wähler: „Müssen uns extrem um diese Menschen bemühen“

Claudia Roth glaubt, dass der Erfolg von Erdogans Referendum bei den Türken in Deutschland auf Integrationsprobleme zurückzuführen ist. Sie fordert Kommunalwahlrecht und leichtere Einbürgerung. "Ein türkischer Nachname ist auch heute noch eine Hürde beim Zugang zu Wohnung oder Ausbildungsplatz", so die Grünen-Politikerin.
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Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne).Foto: Adam Berry/Getty Images
Epoch Times18. April 2017

Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) führt den Wahlerfolg des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan bei den türkischstämmigen Wählern in Deutschland auf Fehler bei der Integration hierzulande zurück.

„Ja, wir haben ein Integrationsproblem“, sagte Roth der „Welt“. Es seien gravierende Fehler gemacht worden: „Deutschland hat sich über viele Jahre nicht offen gezeigt. Wie oft hat man unser Land als Teil des christlichen Abendlandes dargestellt und damit auch gesagt, dass Muslime nicht dazugehören“, so die Grünen-Politikerin.

„Wie oft hat man immer wieder in Frage gestellt, ob die Türkei überhaupt zu Europa gehört und ob es den Doppelpass geben soll. Das mussten viele Menschen als ausgrenzend empfinden.“ Und dann habe Erdogan diesen Menschen im Wahlkampf gesagt: „Ich gebe euch euren Stolz zurück“, sagte Roth. „Das fällt dann auf fruchtbaren Boden.“

Erdogans antideutsche Kampagne habe offenbar Erfolg gezeigt: „Tatsächlich sind ja im Umgang mit unseren türkeistämmigen Mitbürgern in den vergangenen Jahrzehnten Fehler gemacht worden, die Verletzungen hinterlassen haben. Ein türkischer Nachname ist auch heute noch eine Hürde beim Zugang zu Wohnung oder Ausbildungsplatz“, kritisierte Roth.

„Müssen uns extrem bemühen“

Die frühere Grünen-Vorsitzende forderte stärkere Integrationsbemühungen vor allem seitens der Deutschen: „Wir müssen uns extrem bemühen um diese Menschen, die glauben, dass Erdogans Putsch von oben gut sei für die Türkei. Wir müssen viel stärker den Wert von Demokratie und Rechtsstaat in und mit der EU bewerben.“

Dies gelte nicht nur wegen der Erdogan-Anhänger in unserem Land: „Auch so manchem AfD-Anhänger muss der Wert einer freiheitlichen Gesellschaft noch viel stärker klar gemacht werden.“ Das Modell eines demokratischen Europas müsse entschiedener gegen diejenigen verteidigt werden, die es ablehnten.

Aber: Das Ergebnis der Abstimmung zeige, „dass die Türkei nicht Erdogan und Erdogan nicht die Türkei ist“, so Roth. Sie führte an, dass 49 Prozent der Menschen, in Städten wie Istanbul oder Ankara „für die Demokratie gestimmt“ hätten.

Nur 1,5 Millionen der insgesamt 3,5 Millionen Menschen mit türkischer Migrationshintergrund in Deutschland haben an dem Referendum teilgenommen. „Das heißt, es haben letztlich rund 450.000 Deutsch-Türken für Erdogan gestimmt“ – 13 Prozent.

Kommunalwahlrecht gefordert

Roth forderte, türkischen Menschen in Deutschland das kommunale Wahlrecht zuzugestehen und ihnen auch die Einbürgerung zu erleichtern. „Das wäre ein Zeichen der Gleichberechtigung.“ Zugleich warnte die Bundestagsvizepräsidentin vor türkeifeindlichen Ressentiments: „Wir dürfen nicht zulassen, dass jetzt eine antitürkische Stimmung aufkommt. Die Hälfte der Menschen in der Türkei und der Großteil der Türkeistämmigen hier in Deutschland sind für Demokratie. Diese prodemokratischen Kräfte müssen wir jetzt stärken.“ (dts / rf)



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