Schwerin: Eskalation bei Polizeieinsatz gegen Kirchenasyl

Zwei junge Afghanen im Kirchenasyl sollten nach Spanien abgeschoben werden, um dort ihren Asylantrag zu stellen. Die Lage eskalierte, als die Mutter der beiden in einen „psychischen Ausnahmezustand“ geriet.
Jugendlicher wegen Totschlag-Verdacht an 83-Jährigem festgenommen
Polizeieinsatz. (Symbolbild).Foto: MORRIS MAC MATZEN/AFP via Getty Images
Von 20. Dezember 2023

Es ist kein Geheimnis, dass sich Deutschland mit Abschiebungen schwertut. Wenn dann aber doch die Zeit für Rückführungen gekommen ist, sei es in die Heimat oder in Erstländer der EU, heißt das noch lange nicht, dass dies auch tatsächlich geschieht – wie ein aktueller Fall von Kirchenasyl in Schwerin zeigt.

Eskalation in der Kirchengemeinde

Am Mittwochmorgen, 20. Dezember, sollten zwei junge Männer aus einer afghanischen Familie zur Abschiebung in ein europäisches Erstland gebracht werden. Aufgrund der sich dynamisch entwickelnden Lage kam es dann jedoch zu einem größeren Polizeieinsatz mit Spezialeinheiten.

Eigentlich sollten die beiden afghanischen Staatsbürger im Alter von 18 und 22 Jahren um 07:45 Uhr aus dem Kirchenasyl in der evangelischen Petrus-Kirchengemeinde an der Ziolkowskistraße im Stadtteil Mueßer Holz in Schwerin zur Abschiebung gebracht werden. Dann drehte allerdings die 47-jährige Mutter der beiden durch und drohte, sich selbst und ihren Kindern etwas anzutun, sollte die polizeiliche Maßnahme weiter durchgeführt werden.

Spezialeinheiten angefordert

Gegen 10:40 Uhr kamen angeforderte Spezialeinheiten des Landeskriminalamtes Mecklenburg-Vorpommern zum Einsatzort.

„Im weiteren Verlauf kam es zu einem Zugriff der Polizei aufgrund einer Notsituation in der Wohnung“, erklärte Polizeisprecherin Juliane Zgonine von der Polizeiinspektion Schwerin in einer Stellungnahme. Medienangaben zufolge hatte eine Polizeisprecherin davon berichtet, dass man „Gläserklirren wahrgenommen“ hatte.

Sechs Personen und einige Messer

In der Wohnung trafen die Einsatzkräfte auf insgesamt sechs Personen: die 47-jährige Mutter und den 49-jährigen Familienvater, zwei erwachsene Söhne (22, 18), eine Tochter (13) und einen Jungen (10). Nach Angaben von Polizeisprecherin Zgonine sollen alle Personen „nach geprüften Erkenntnissen die afghanische Staatsangehörigkeit“ besitzen.

Als die Polizei die Familienmitglieder durchsuchte, stellten die Beamten fest, dass sowohl die Mutter, als auch der 22-Jährige und die 13-jährige Tochter „Messer versteckt am Körper“ trugen. Bei dem 22-Jährigen wurden zudem Schnittverletzungen festgestellt, die er sich „gemäß den bisherigen Erkenntnissen“ vor dem Polizeizugriff in der Wohnung selbst zugefügt hatte. Er wurde vor Ort vom Rettungsdienst behandelt.

Mutter war im „psychischen Ausnahmezustand“

Die 47-jährige Mutter, die sich den Angaben zufolge in einem „psychischen Ausnahmezustand“ befand, wurde vorläufig festgenommen und in medizinische Betreuung übergeben. Gegen sie wurde ein Strafverfahren wegen Bedrohung und Nötigung eingeleitet. Alle anderen Familienmitglieder wurden aus der Wohnung heraus begleitet. Der Einsatz erfolgte laut Polizei mit Mitteln „einfacher körperlicher Gewalt“, ohne dabei Hilfsmittel oder Waffen einsetzen zu müssen.

Rückführung nach Spanien zum Asylantrag

Wie der NDR berichtet, wurde nach Informationen des Flüchtlingsrates die Abschiebung zunächst ausgesetzt, was die Polizei mittlerweile bestätigt habe. Laut den Angaben hatten die Einsatzbeamten zunächst angenommen, dass die beiden abzuschiebenden jungen Männer sich in der Kirche verschanzt hätten. Daraufhin kamen die Polizisten mit Rammbock und Kettensäge zu dem Kirchengebäude.

Wie weiter berichtet wird, habe Ulrike Seemann-Katz vom Flüchtlingsrat in Mecklenburg-Vorpommern den Fall als ein „erschreckendes Signal an alle Schutzsuchenden“ bezeichnet. Sie erklärt gegenüber dem NDR, dass die Familie zunächst über Spanien in die EU eingereist war. Anschließend ging die Reise nach Deutschland weiter, über Schleswig-Holstein und dann ins Kirchenasyl nach Schwerin. Wie der Sender schreibt, sollten die beiden jungen Männer aufgrund eines Amtshilfeersuchens aus Schleswig-Holstein und nach dem Dubliner Übereinkommen nach Spanien abgeschoben werden, um dort einen Asylantrag zu stellen.

Rückreisen in MV oft mit Hindernissen

Wie schwierig es sein kann, aus Mecklenburg-Vorpommern wieder nach Hause geschickt zu werden, zeigte eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion im Landtag Meck-Pomm an die Landesregierung. Aus der Antwort von 2021 ging hervor, dass im Jahr 2020 in dem Bundesland rund 70 Prozent aller geplanten Abschiebungen gescheitert waren.

Von 521 geplanten Rückführungen konnten 365 nicht durchgeführt werden. In 81 Fällen waren die Personen untergetaucht, in 28 Fällen widersetzten sie sich der Abschiebung, 14 Mal wurden Rechtsmittel angefordert und in sechs Fällen wurde den ausreisepflichtigen Menschen Kirchenasyl gewährt. Die übrigen 236 Fälle wurden unter „sonstige“ gelistet. Hier sind medizinische Gründe, Unvollständigkeit des Familienverbandes, die Corona-Pandemie, Flugausfälle oder andere Verhinderungsgründe aufgeführt.

Lediglich 39 Personen konnten nach den Dublin-Regelungen in europäische Erstländer zurückgeführt werden und 117 Personen konnten in ihre als sicher eingestuften Heimatländer ausreisen.



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