Seit 70 Jahren Hüter des Grundgesetzes

Titelbild
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.Foto: Simon Hofmann/Getty Images
Epoch Times1. September 2021

In diesen Tagen wird Deutschlands höchstes Gericht 70 Jahre alt. Im September 1951 nahm das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe seine Arbeit auf – nach der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft sollte die junge Bundesrepublik ein Gericht bekommen, welches das Grundgesetz schützt und auslegt sowie die Einhaltung der Grundrechte überwacht. Der „oberste Hüter des Rechts“, wie es Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) zur Einweihung formulierte, ist zugleich selbst ein Verfassungsorgan. Fragen und Antworten:

WER KANN DAS BUNDESVERFASSUNGSGERICHT ANRUFEN?

Grundsätzlich können alle Bürgerinnen und Bürger Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe einlegen, wenn sie ihre eigenen Grundrechte durch den Staat verletzt sehen. Das passiert derzeit etwa 6000 Mal im Jahr. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet aber auch bei Konflikten zwischen Bundesorganen und prüft Gesetze.

WELCHE VERFAHRENSARTEN GIBT ES?

Die Überprüfung eines Gesetzes durch das Gericht wird Normenkontrolle genannt. Eine sogenannte abstrakte Normenkontrolle kann nur eine Bundes- oder Landesregierung oder mindestens ein Viertel der Bundestagsabgeordneten beantragen. Karlsruhe prüft die Rechtsnormen dann auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung.

Daneben gibt es die konkrete Normenkontrolle. Sie kann von einem anderen Gericht beantragt werden, das ein bestimmtes Gesetz für verfassungswidrig hält. Das andere Gericht setzt das Verfahren, mit dem es befasst ist, dann aus und holt die Meinung des Bundesverfassungsgerichts ein.

Wenn sich zwei Bundesorgane uneins über ihre Rechte und Pflichten sind, kann ein Antrag auf ein Organstreitverfahren gestellt werden. Berechtigt sind dazu neben Bundestag und Bundesrat die Regierung, die Kanzlerin, der Bundespräsident, Ministerinnen und Minister sowie Abgeordnete, Parteien und Bundestagsfraktionen.

Weitere wichtige Verfahrensarten sind Bund-Länder-Streitigkeiten, Parteiverbotsverfahren und Wahlprüfungsbeschwerden. Mit letzteren befasst sich das Bundesverfassungsgericht sowohl bei Bundestagswahlen als auch bei der Wahl deutscher Abgeordneter zum Europäischen Parlament.

WIE WERDEN DIE VERFAHREN ENTSCHIEDEN?

Eine Verfassungsbeschwerde muss erst einmal angenommen werden. Darüber entscheidet eine Kammer, die mit drei Richterinnen oder Richtern besetzt ist. Sie muss sich einig sein. Wenn die Sache grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung hat, muss sie zur Entscheidung angenommen werden, ebenso wenn dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Betreffenden angezeigt ist.

Die Kammer kann der Verfassungsbeschwerde auch direkt stattgeben, wenn über die grundsätzliche Frage vom Gericht schon einmal entschieden wurde. Ansonsten entscheidet der zuständige Senat, bei Verfassungsbeschwerden ist es meist der erste Senat. Dieser ist auch für die meisten Normenkontrollverfahren zuständig, wobei bei der konkreten Normenkontrolle eine Kammer entscheiden kann.

Für die übrigen Verfahrensarten und bestimmte Verfassungsbeschwerden, beispielsweise im Asylbereich, ist der zweite Senat zuständig. Nur selten entscheidet das Plenum aus allen 16 Mitgliedern. Es kann von einem der Senate angerufen werden, wenn er von der Rechtsprechung des anderen Senats abweichen will.

Ein Mitglied der Kammer oder des Senats übernimmt die Berichterstattung für den jeweiligen Fall. Das Gericht kann Sachverständige hinzuziehen und Stellungnahmen einholen. Meist ergeht die Entscheidung schriftlich, nur in wenigen Fällen verhandelt ein Senat mündlich – in den vergangenen beiden Jahren war dies beispielsweise je viermal der Fall. Nach einer mündlichen Verhandlung wird das Urteil öffentlich verkündet.

WIE IST DAS GERICHT BESETZT?

Das Bundesverfassungsgericht besteht aus zwei Senaten mit je acht Mitgliedern. Diese werden jeweils zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit gewählt. Ihre Amtszeit beträgt höchstens zwölf Jahre bis zum Erreichen der Altersgrenze, wiedergewählt werden können sie nicht. An der Spitze des Gerichts steht derzeit Präsident Stephan Harbarth, der gleichzeitig dem ersten Senat vorsitzt. Vizepräsidentin ist Doris König, die Vorsitzende des zweiten Senats.

SIND DIE ENTSCHEIDUNGEN BINDEND?

Ja – sowohl die anderen Verfassungsorgane als auch andere Gerichte und Behörden müssen sich daran halten. (afp)



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