SPD: Freispruch für Schröder – Ein Ortsverein will die Entscheidung anfechten

Altkanzler Schröder bleibt wohl in der SPD. Die zuständige Schiedskommission hat am Donnerstag alle Anträge auf Ordnungsmaßnahmen gegen ihn zurückgewiesen.
Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) begrüßt im April 2004 in Hannover den russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Altkanzler Gerhard Schröder darf vorerst in der SPD bleiben.Foto: über dts Nachrichtenagentur
Von 4. März 2023

Am Donnerstag, 2. März, hat die Schiedskommission des SPD-Bezirks Hannover in zweiter Instanz die Berufung von sieben Ortsvereinen im Parteiverfahren gegen Altbundeskanzler Gerhard Schröder verworfen.

Bereits im Sommer hatte der zuständige Unterbezirk Region Hannover festgestellt, dass Schröder nicht gegen die Parteiordnung verstoßen habe. Zuvor hatten 17 Ortsverbände den Ausschluss des Altkanzlers gefordert, weil seine Verbindungen zur Russischen Föderation der Partei geschadet hätten.

Profilierungsversuch eines wenig bedeutenden Ortsverbandes?

Der SPD-Ortsverein Leutenbach in Baden-Württemberg will auch den bestätigenden Beschluss der zweiten Instanz nicht akzeptieren. Der Vorstand des Ortsverbands habe mit großer Mehrheit beschlossen, erneut Berufung gegen die Entscheidung einzulegen. Letztinstanzlich wolle man vor die Bundesschiedskommission ziehen. Es ist jedoch ungewiss, ob nach den einhelligen Entscheidungen der ersten Instanzen eine weitere Berufung zugelassen wird.

In der 11.000-Einwohner-Gemeinde im Rems-Murr-Kreis ist die SPD auf Gemeindeebene mit 15,9 Prozent und drei Mandaten drittstärkste Kraft. Bei der Regionalwahl 2019 fiel die Partei in der Gemeinde mit 11,37 Prozent auf Platz vier hinter den Freien Wählern zurück.

Allerdings konnten sich die Bemühungen, Schröder aus der Partei zu entfernen, auf Fürsprecher bis hinauf in die eigene Parteispitze stützen. Diese waren bemüht, den Kanzler im Zeichen der „Zeitenwende“-Politik politisch zu isolieren. Allerdings sind die Hürden für einen Parteiausschluss so hoch, dass mit einem solchen nicht gerechnet werden konnte. Die bisherigen Instanzen lehnten es zudem auch ab, Sanktionen auf niedrigerer Ebene – wie eine Rüge – zu verhängen.

Schröder bemühte sich erfolglos um Ende der Kampfhandlungen

Der heute 78-jährige Gerhard Schröder war 1963 in die Partei eingetreten. Im Jahr 1980 zog er als direkt gewählter Abgeordneter für den Stimmkreis Hannover Land I in den Bundestag ein. Im Jahr 1986 wechselte er in die niedersächsische Landespolitik. Dort gelang es ihm, im Jahr 1990 die erforderliche Mehrheit für eine rot-grüne Koalition auf Landesebene zu erreichen.

Acht Jahre später wurde er zum siebten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt. In dieser Funktion gelang ihm 2002 die Wiederwahl, ehe er sich nach dem Verlust der rot-grünen Mandatsmehrheit bei der Bundestagswahl 2005 aus der Politik zurückzog.

Nach seinem Ausscheiden aus der Politik beriet Schröder mehrere Energiekonzerne – unter anderem Nord Stream, Gazprom und Rosneft. Nach dem Beginn der russischen Militäroperation in der Ukraine im Februar 2022 zog er sich aus allen Funktionen zurück. Er unternahm Versuche, durch direkte Gespräche mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ein Ende der Kampfhandlungen zu erreichen. Allerdings waren diese nicht von Erfolg gekrönt – auch, weil die ukrainische Führung und deren westliche Verbündete die Initiative nicht unterstützten.

Russlands Vorgehen zu keiner Zeit gutgeheißen

Schröder war im Zusammenhang mit dem nun angestrengten Parteiverfahren vor allem zum Vorwurf gemacht worden, dass er Russlands Präsidenten Wladimir Putin Verhandlungsbereitschaft attestierte. Allerdings gelang es den Klägern nicht, daraus ein parteischädigendes Verhalten zu konstruieren. Immerhin hatte Schröder auf LinkedIn ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen gefordert.

Außerdem hatte er – im Einklang mit der Linie der Bundesregierung – öffentlich erklärt, es liege in der Verantwortung Russlands, den Krieg zu beenden. Gleichzeitig warnte er vor einem vollständigen Abbruch aller Beziehungen zu Russland.

Die Schiedskommission des SPD-Bezirks Hannover entschied am Donnerstag über die Berufungen – zugunsten Schröders. Es lasse sich „nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen“, dass dieser gegen Statuten, Grundsätze oder die Parteiordnung verstoßen oder sich einer ehrlosen Handlung schuldig gemacht habe.

Späte Rache an Schröder für Hartz-Reformen?

Beobachter mutmaßen, dass die Hexenjagd von Teilen der Partei auf den Altkanzler nicht allein mit der ideologischen Kehrtwende hin zu einer aggressiven Konfrontationspolitik gegen Russland zusammenhängt. Einige Kreise in der Partei machen den Altkanzler dafür verantwortlich, dass die SPD auf Bundesebene nach dem Ende der Ära Schröder deutlich an Zuspruch verlor.

Man nahm ihm dabei vor allem die Arbeitsmarktreformen übel, die der frühere VW-Manager Peter Hartz konzipiert hatte. Dieser leitete die „Kommission für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“. Da sein viertes großes Reformkonzept die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Hilfe zum Lebensunterhalt für Erwerbsfähige zum Arbeitslosengeld II beinhaltete, wurde dieses als „Hartz IV“ bekannt.

Der Unmut in Teilen der SPD-Wählerschaft über die Maßnahme war so groß, dass sich nach dem Zusammenschluss von PDS und WASG die Linkspartei bundesweit etablieren konnte. Ein Parteiausschluss Schröders wäre für die früheren Gegner der Hartz-Reformen gleichsam ein symbolischer Akt des Bruchs mit der Politik des Altkanzlers.

(Mit Material der dpa)



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