Scholz: „Deutschland ist im Lichte der Zeitenwende widerstandsfähiger geworden“

Bundeskanzler Olaf Scholz hat bei seiner Regierungserklärung zum Thema „Ein Jahr Zeitenwende" vorausgesagt, dass es in der Ukraine keinen militärischen Sieg Russlands geben wird. Es liege allein an Putin, den Krieg zu beenden. Die EU und die NATO seien jedenfalls „so geeint wie selten zuvor", Deutschland sei widerstandsfähiger geworden.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei seiner Regierungserklärung am 2. März 2023 im Bundestag
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei seiner Regierungserklärung am 2. März 2023 im Bundestag.Foto: Screenshot/Bundesregierung.de
Von 2. März 2023

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat vor seiner Reise nach Washington am 2. März der Ukraine erneut die Solidarität und Unterstützung der Regierung zugesichert – „so lange, wie das nötig ist“. In seiner Regierungserklärung „Ein Jahr Zeitenwende – Deutschlands Sicherheit und Bündnisse stärken – die Ukraine weiter unterstützen“ verteidigte Scholz die Politik seit seiner „Zeitenwende“-Rede vom 27. Februar 2022.

Bereits mehr als 14 Milliarden Euro eingesetzt

Deutschland leiste weiter „wirtschaftliche, humanitäre und wirtschaftliche Hilfe“, um der Ukraine „bei der Verteidigung ihrer Souveränität und ihrer territorialen Integrität“ beizustehen, stellte Scholz fest. Mehr als 14 Milliarden Euro habe man dafür bereits aufgebracht. Nun werde die Regierung das Engagement noch weiter ausbauen, kündigte Scholz an.

Seit Jahresbeginn gehörten bereits Patriot-Luftabwehrsysteme, der Schützenpanzer Marder, Mehrfachraketenwerfer und die Leopard-Kampfpanzer 1 und 2 zu den deutschen Lieferungen, die stets in Absprache mit den internationalen Partnern erfolgen würden, erklärte Scholz. „In den kommenden Wochen“ sollen auch Flakpanzer des Typs Gepard und das Luftverteidigungssystem Iris-T auf den Weg in die Ukraine gebracht werden. Parallel arbeite man zusammen mit der Industrie am „verlässlichen Nachschub für Munition und Ersatzteile“.

Seit Kriegsbeginn habe die Bundesrepublik zudem bereits mehr als 3.000 ukrainische Soldaten ausgebildet, in Kürze würden weitere 1.000 dazu kommen. Die Bundeswehr leiste „geradezu Meisterliches“, lobte Scholz. Trotzdem achte man auch in Abstimmung mit US-Präsident Joe Biden bei jeder Entscheidung darauf, „dass die NATO nicht zur Kriegspartei wird“.

In jedem Fall stehe Deutschland „entschlossen, abgewogen, eng abgestimmt mit unseren Freunden und Partnern“ zu seinem bisherigen Kurs. „Und ich sage: Dabei bleibt es“, betonte Scholz. Die transatlantische Zusammenarbeit sei „enger und vertrauensvoller denn je“, die EU und die NATO seien „so geeint wie selten zuvor“ (Video bei Bundestag.de).

Putins „imperialistischen Ziele“

Es werde keinen militärischen Sieg Russlands geben, sagte der Kanzler voraus. Die „Weltgemeinschaft“ sende Putin eine „klare Botschaft“: „Ziehen Sie ihre Truppen zurück, dann ist dieser Krieg augenblicklich vorbei“. Je früher Putin begreife, „dass er seine imperialistischen Ziele nicht erreicht, und dass die internationale Gemeinschaft seinen Völkerrechtsbruch nicht duldet, desto größer ist die Chance auf ein Ende dieses Krieges“.

Er könne Bürger verstehen, die angesichts der ungewohnten Waffenlieferungen nicht Hurra schrieen, beschwichtigte Scholz. Man schaffe aber keinen Frieden, wenn man in Berlin „Nie wieder Krieg“ rufe und zugleich verlange, alle Waffenlieferungen einzustellen. „Denn wir wissen, welches Schicksal den Ukrainerinnen und Ukrainern unter russischer Besatzung blüht“.

„Unser ,Nie wieder‘ bedeutet, dass der Angriffskrieg niemals zurückkehrt als Mittel der Politik. Unser ,Nie wieder‘ bedeutet, dass sich Putins Imperialismus nicht durchsetzen darf“, mahnte der Kanzler. Zudem könne und werde es keinen „Friedensschluss über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer hinweg geben“.

Verhandlungen nicht in Sicht

Ein „Diktatfrieden“ verbiete sich – nicht nur wegen des Willens der Opfer, sondern auch zum Wohl und für die Sicherheit Deutschlands, Europas und der Welt. Momentan spreche auch nichts dafür, das Putin zu Verhandlungen bereit sei, sagte Scholz.

Putins Soldaten hätten Zivilisten „unfassbares Leid“ angetan und „furchtbarste Kriegsverbrechen“ begangen. „Würde die Ukraine aufhören, sich zu verteidigen, wäre das kein Frieden, sondern das Ende der Ukraine“. Doch mit einer „Waffe an der Schläfe“ lasse sich höchstens über „die eigene Unterwerfung“ verhandeln.

Wladimir Putin trete die Charta der Vereinten Nationen, nach der „Angriffskriege ein für alle Mal zu ächten“ seien, mit Füßen. Außerdem reiße er „die Fundamente europäischer Sicherheit“ ein und lege „die Axt an die vielleicht wichtigste Errungenschaft der Entspannungspolitik von Willi Brandt und Helmut Schmidt“, nämlich „das gemeinsame Bekenntnis in der Schlussakte von Helsinki, Grenzen in Europa nicht gewaltsam zu verschieben“. Auch innerhalb Russlands setze „Putins Regime […] auf die brutalste Repression gegen die eigene Bevölkerung“.

Auch auf den jüngsten Vorstoß Chinas für einen Zwölf-Punkte-Friedensplan kam Scholz zu sprechen. Es sei gut, dass China sich gegen den Einsatz von Atomwaffen und gegen biologisch e und chemische Massenvernichtungswaffen gestellt habe. Man könne aber erwarten, dass China auch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und den Ukrainern spreche. Auch eine „klare Verurteilung“ des russischen Angriffs durch China sei angebracht, so Scholz.

„Deutschland ist widerstandsfähiger geworden“

Nicht nur die Zukunft der Ukraine, sondern auch jene der Westbalkanstaaten, Moldaus und „perspektivisch auch Georgiens“ liege in der Europäischen Union, sagte Scholz. „Auch bei der engen Verzahnung der Verteidigungsindustrie in Europa kommen wir voran“, sagte Scholz unter Verweis auf das Luftkampfsystem FCAS und die „European Skyshield Initiative“ zur europäischen Luftsicherung.

Die Europäer hätten es „im Zeitraffer“ geschafft, sich von der Abhängigkeit von russischem Öl, Gas und Kohle zu lösen. Zugleich sei der „Turbo […] beim Aufbau einer klimaneutralen europäischen Industrie gezündet“ worden. „Auch Deutschland ist im Lichte der Zeitenwende widerstandsfähiger geworden.“

Der gut gefüllte Plenarsaal bei der Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 2. März 2023. Foto: Screenshot/Bundesregierung.de

Der gut gefüllte Plenarsaal bei der Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 2. März 2023. Foto: Screenshot/Bundesregierung.de

Aus den Reihen der Ampel erntete Scholz bei der anschließenden Aussprache weitgehend Zustimmung. Besonders die AfD, die Linke und zwei fraktionslose Abgeordnete wünschen sich einen anderen Umgang mit dem Ukraine-Krieg.

Mützenich: „Monster Putin“

Rolf Mützenich, der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, erinnerte daran, wie kompliziert und zerklüftet die Welt inzwischen geworden sei. Da sei es gut, dass die Regierungskoalition „Verantwortung übernommen“ habe: „Wir müssen dem Monster Putin entgegentreten“.

Nils Schmidt, der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, mahnte, osteuropäische Länder nie mehr als Anhängsel von Russland zu betrachten. Kriegsverbrecher dürften außerdem nicht straflos bleiben.

Seine Parteikollegin Sanae Abdi forderte „eine den Herausforderungen angemessene und beständige Finanzierung“, neue internationale Abkommen und eine „Reform der Weltbank zugunsten wirtschaftlich schwacher Staaten“.

Verteidigungsexperte Wolfgang Hellmich (SPD) lobte die Bundeswehrsoldaten und versicherte dem im Plenarsaal anwesenden Botschafter der Ukraine, Oleksii Makeiev, den unbedingten Beistand der Bundesregierung: „Andere Stimmen spielen hier keine Rolle“, erklärte Hellmich.

Grüne kontra Waffenlieferungsgegner

Britta Hasselmann, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, kritisierte vor allem jene, die zuletzt auf der Straße lautstark „Diplomatie statt Waffen“ gefordert hatten. Dies sei „falsch“, denn ohne Waffen könne sich die Ukraine nicht selbst verteidigen.

Robin Wagener, der grüne Vorsitzende der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe im Bundestag, bezeichnete jene Friedensaktivisten als „moralisch bankrott“, die nicht erkennen wollten, dass „allein das verbrecherische Regime im Kreml“ die Schuld am Krieg trage.

Sein Parteikollege Jürgen Trittin, außenpolitischer Sprecher der Fraktion, sprach den „schwarzen Verteidigungsministern“, die 16 Jahre lang unter der Regierung Merkel gearbeitet hatten, die Qualität ab. Scholz‘ „Zeitenwende“ müsse sich nun aber nicht nur auf die Verteidigungs-, sondern auch auf die Haushaltspolitik erstrecken: Die Ukraine bedürfe der „Budgethilfe“.

FDP für mehr Militär-Etat

Christian Dörr, der Fraktionsvorsitzende der FDP, warf Demonstranten aus der Friedensbewegung vor, „Täter und Opfer“ bewusst zu verwechseln. Dies sei „nicht zulässig“. Er freue sich, dass die NATO mit Schweden und Finnland demnächst zwei weitere Mitglieder aufnehmen werde.

Karsten Klein (FDP) dankte seinem Finanzminister Christian Lindner dafür, dass er das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für die Bundeswehr mit auf den Weg gebracht hatte. Bedauerlicherweise stünden im aktuellen Bundeshaushalt aber nur rund zehn Prozent für Verteidigung bereit.

CDU nimmt Wagenknecht und Ampel aufs Korn

Der CDU-Parteichef und Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz nannte die jüngsten TV-Auftritte der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht „zynisch, menschenverachtend, niederträchtig und beschämend für unser Land“. Beim Ukraine-Krieg, dem „ersten großen Krieg, der in der Globalisierung ausgetragen werde“, gehe es auch um die „globale Machtverteilung“, gab Merz zu bedenken.

Er kritisierte die Bundesregierung unter anderem dafür, dass sie sich dem Ziel, zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben, nicht annähere, sondern sich davon entferne: „Die Freiheit muss immer besser bewaffnet sein als die Tyrannei“. Seinen Erkenntnissen nach sei die deutsche Industrie zudem die „Laberrunden leid“. Kanzler Scholz bleibe weit hinter seinen Zielen der Zeitenwende zurück. Die Koalition sei „tief zerstritten“.

Alexander Dobrindt, der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, warf der Ampel „katastrophales Krisenmanagement“ vor: Das Wort „Zeitenwende“ hätte nicht das Wort des Jahres, sondern die „Tat des Jahres“ 2022 werden müssen. Denn noch immer gehe es mit der Beschaffung von Munition nicht voran, und es fehle an „Orientierung“ für eine nationale Sicherheitsstrategie.

Auch für Anhänger des Wagenknecht-Standpunktes fand Dobrindt kritische Worte: „Wer Unterstützung zur Waffenlieferung verweigert, verweigert sich der brutalen Realität und schafft keinen Frieden“. Sahra Wagenknecht schüre das Feuer, der AfD-Sprecher Tino Chrupalla verbreite „Putin-Propaganda“ und sei geschichtsvergessen“.

AfD-Fraktionschef: „Nicht unser Krieg“

Chrupalla, der Vorsitzende der AfD-Fraktion, hatte zuvor prophezeit, dass sowohl die Ukraine als auch Russland als Verlierer aus dem Krieg hervorgehen würden – der Sieger werde allein die USA sein. Er forderte „schnellst mögliche Diplomatie“. Ausrüstung und schwere Waffen solle man dagegen besser nicht in die Ukraine liefern: „Das ist nicht unser Krieg“.

Zudem kritisierte Chrupalla die „einseitige transatlantische“ Ausrichtung der Bundesregierung nach einem simplen „Freund-Feind-Schema“. Überhaupt mache sich die Ampel mit ihrer Politik zum „Totengräber des Grundgesetzes“: Wer nicht zustimme, werde abgestempelt und ausgegrenzt. Speziell die Grünen könnten nur verbieten – und das immer unberechenbarer und unglaubwürdiger.

Bartsch gegen „Verengung des Meinungskorridors“

Dietmar Bartsch, der Vorsitzende der Linksfraktion, forderte ebenfalls ein Ende der „Diffamierung“ jedes Bürgers als „Friedensschwurbler“ oder „Putinversteher“, der sich kritisch zum Kurs der Bundesregierung äußere. Ähnlich wie schon bei Corona gebe es längst eine „unsägliche Verengung des Meinungskorridors“.

Er sagte klar Nein zu den Worten von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), nach denen „Unsere Waffen helfen, Menschenleben zu retten“. Man brauche vielmehr jetzt eine europäische Friedensinitiative“. Es müsse alles dafür getan werden, „damit Russland den Krieg beendet“.

Der fraktionslose Abgeordnete Johannes Huber erinnerte daran, dass Wladimir Putin die NATO bereits 2014 aufgefordert habe, aus Osteuropa abzuziehen. Die Rückeroberung der Krim durch den Westen sei nicht wahrscheinlich. Nun stehe auch Deutschland im Fadenkreuz. Man müsse sich um Realpolitik bemühen und spätestens in einigen Monaten Verhandlungen aufnehmen, zum Beispiel in Istanbul oder Jerusalem.

Der ebenfalls fraktionslose Parlamentarier Robert Farle kritisierte die „totale Abhängigkeit von den USA“, in die Deutschland inzwischen manövriert worden sei. Das Land sei zum „Vasall“ des „Terroristen USA“ gemacht worden, während der nächste Krieg mit China bereits vorbereitet werde. Die Welt stehe am Rand einer nuklearen Katastrophe. Farle forderte außerdem Klarheit über die Urheberschaft der Zerstörung der Nord-Stream-Gaspipelines in der Ostsee.



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