SPD-Parteitag: An Ampel festhalten, Reiche sollen temporäre „Krisenabgabe“ leisten

Zum Auftakt des SPD-Parteitags sind keine Überraschungen zu erwarten. Die Wiederwahl der Doppelspitze gilt als sicher. Haushaltskrise und Migrationspolitik sorgen für Unmut.
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Die SPD tagt vom 8. bis 10. Dezember 2023 mit ihrem turnusmäßigen Parteitag.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Epoch Times8. Dezember 2023

Mit der turnusmäßigen Wahl der Führungsriege beginnt am Freitag in Berlin der erste SPD-Parteitag seit zwei Jahren. Lars Klingbeil und Saskia Esken kandidieren erneut als Doppelspitze, Kevin Kühnert als Generalsekretär. Die Wiederwahl des Führungstrios durch die rund 600 Delegierten gilt als sicher. Anschließend werden inhaltliche Debatten auf dem dreitägigen Parteitag erwartet.

Der Auftakt des Parteitags dürfte harmonisch verlaufen. Das Duo Esken/Klingbeil muss sich keine Sorgen um eine Wiederwahl machen. Das gilt auch für Kühnert.

Bundeskanzler Olaf Scholz muss am Samstag in seiner Rede erklären, warum er mit Grünen und FDP noch keine Lösung gefunden hat, wie das 17 Milliarden Euro große Loch im Haushalt 2024 gestopft werden kann.

Haushaltsverhandlungen ohne Sozialkürzungen

Die SPD-Führung tritt für ein Aussetzen der Schuldenbremse auch 2024 ein, wehrt sich gegen die von der FDP geforderten Sozialkürzungen und gegen Abstriche bei Investitionen und sympathisiert mit Steuererhöhungen.

Die Gestaltung des Bundeshaushalts nach dem Verfassungsgerichtsurteil muss schnellstmöglich abgeschlossen werden, damit die Menschen beruhigt in die verdiente Weihnachtspause gehen können“, sagte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.

Lars Klingbeil, ebenfalls SPD-Vorsitzender, sagte, alle müssten sich bewegen. „Keine der drei Koalitionsparteien kann sich jetzt bockig anstellen.“

Klingbeil sagte auf die Frage, ob die Ansiedlung des Halbleiterherstellers Intel in Magdeburg und der Bau der Halbleiterfabrik TSMC in Dresden sicher seien, man halte „die großen Industrieansiedlungen in Ostdeutschland für wichtig“. Er ließ durchblicken, dass die Regierung an der Förderung mit Milliardensummen festhalten will.

„Dass der Haushalt für 2024 nicht mehr dieses Jahr beschlossen wird, ist eine Klatsche für all die Menschen, die unter den aktuellen Krisen leiden“, sagte der Vorsitzende der Jungsozialisten Philipp Türmer zu dpa. In der aktuellen Haushaltslage heißt das, wir brauchen endlich eine Lösung. Und die muss lauten, dass es keine Sozialkürzungen geben darf und die notwendigen Investitionen in die Klimatransformation nicht gestrichen werden.

Leitanträge: Reiche sollen temporäre „Krisenabgabe“ leisten

Auf dem Parteitag sollen Leitanträge zur Modernisierung Deutschlands, zur außenpolitischen Neuaufstellung und zur Bildungspolitik verabschiedet werden. Der Antrag zur Modernisierung des Landes sieht vor, dass die Einkommenssteuer für 95 Prozent der Bevölkerung gesenkt werden soll.

Dafür sollen Reiche unter anderem durch eine temporäre „Krisenabgabe“ stärker zur Kasse gebeten werden. Die SPD will auch die Schuldenbremse lockern, den Mindestlohn erhöhen und Investitionen von 100 Milliarden Euro jährlich in Bildung, Infrastruktur, Digitalisierung und den Umbau der Industrie stecken.

Unmut Migration

Ein Streitthema auf dem Parteitag dürfte die Migrationspolitik werden. Mit einem Kompromissantrag will die SPD-Spitze die Kritiker des Regierungskurses bei dem Thema besänftigen. Darin wird unter anderem die Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer unterstützt und die Erleichterung des Nachzugs von Familienangehörigen von Flüchtlingen gefordert.

Türmer begrüßte das Entgegenkommen der Parteispitze zwar. „Doch ob das ausreicht, um die Scherben der vergangenen Monate zu kitten, ist fraglich“, sagte er.

In den vergangenen Wochen hatte der Regierungskurs in der Migrationspolitik für einigen Unmut am linken Flügel der SPD gesorgt. Er entzündete sich vor allem an einem Satz des Kanzlers in einem „Spiegel“-Interview: „Wir müssen endlich im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben.“ Die Führung der Jusos hatte das als Forderung „direkt aus dem Vokabular des rechten Mobs“ kritisiert.

Juso: Schuldenbremse mittelfristig streichen

Über die Zukunft der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse wurde gestritten. „Aktuell zeigt sich mehr als deutlich, dass die Schuldenbremse einer grundlegenden Reform bedarf“, sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese dem „Handelsblatt“.

Juso-Chef Philipp Türmer geht das nicht weit genug: „Mittelfristig muss die Schuldenbremse komplett gestrichen werden“, sagte Türmer der Zeitung.

Für die aktuelle Haushaltslage machte Türmer klar, dass der „notwendige Kurs“ nicht ohne eine Erklärung der Notlage für 2024 funktionieren werde.

Wiese, der auch Co-Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD ist, forderte eine schnelle Entscheidung zum Haushalt 2024, da jede Woche Verzögerung zu weiteren „fatalen Unsicherheiten“ bei den Bürgern und der Wirtschaft führe.

Forderungen aus der FDP, über soziale Einschnitte die Staatsfinanzen weiter zu konsolidieren, stoßen in der SPD auf Ablehnung.

An der Ampel festhalten

Trotz schlechter Umfragewerte für die Regierungsparteien hat der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil nach eigenen Angaben keine Zweifel am Fortbestehen der Ampel-Koalition. „Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Regierungskonstellation die richtige ist, um Deutschland zu modernisieren“, sagte Klingbeil in den ARD-„Tagesthemen“.

Die beiden SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil räumten Defizite der Ampel ein. „Auch die Regierung hat zur Verunsicherung beigetragen mit dem großen Streit um das Heizungsgesetz, dem Streit um die Kindergrundsicherung. Da haben wir Vertrauen verspielt. Das müssen wir zurück erkämpfen“, sagte Klingbeil dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.

„Die Leute sind massiv verunsichert. Zwei Jahre Pandemie, Krieg, Inflation, Energiekrise, Klimakrise.“ Auch Esken sagte, dass sich auf den Schultern der Bürger zahlreiche Krisen stapelten: „Die Menschen brauchen jetzt Zuversicht.

Auf die Frage, warum die Delegierten sie am Freitag als Vorsitzende wiederwählen sollten, antwortete sie: Wir haben die SPD mit sich versöhnt und sie bei der Bundestagswahl zum Sieg geführt.“ Als Führungsduo wollten sie auch künftig eigenständig und im sehr guten Zusammenspiel mit Regierung und Fraktion das Land gestalten.

Der Bundesparteitag werde ein Aufbruch in eine Zeit sein, in der sich die SPD „noch viel stärker in gesellschaftspolitische Debatten einmischen wird“. Die SPD sei stolz darauf, dass sie mit Olaf Scholz den Bundeskanzler stelle. „Aber klar ist eben auch, dass die SPD mehr ist als Regierung.“

Jungsozialisten wollen neuen Regierungsstil von Scholz

Die Jusos fordern einen neuen Regierungsstil von Bundeskanzler Olaf Scholz. „Die Koalition gibt den Eindruck eines zerstrittenen Haufens ab. Wir Jusos haben die klare Erwartung an den Kanzler, dass er beim Parteitag endlich den Schalter umlegt“, sagte Juso-Chef Philipp Türmer der „Rheinischen Post“.

„Olaf Scholz darf nicht mehr nur Moderator sein, er muss für sozialdemokratische Prinzipien einstehen und dafür in der Koalition kämpfen.“ Türmer erklärt: „Weder dürfen Bürgergeld-Anpassungen, die Rente mit 63 oder andere Errungenschaften der SPD geopfert werden für den Schuldenbremsen-Fetisch von Christian Lindner. Stattdessen muss der Mindestlohn auf 15 Euro steigen.“

(dts/dpa/ks)

 

 

 



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