SPD will mit Union verhandeln – Leitantrag nicht so scharf wie die neue SPD-Führung es wollte

Wie es scheint finden die, von der neuen Parteispitze und der Linken innerhalb der SPD, bei der Bewerbung um den Parteivorsitz ins Spiel gebrachten Standpunkte nicht die erhoffte breite Zustimmung in der Partei. Dem Anschein nach ist die Basis nicht so links wie die Parteiführung der SPD.
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SPD-Parteitag am 6.12.2019. Gegensätze zwischen der eher linken neuen Parteispitze und der Mehrheit der Delegierten sind unübersehbar.Foto: über dts Nachrichtenagentur
Epoch Times6. Dezember 2019

Die SPD will in Verhandlungen mit der Union Korrekturen an der Regierungsarbeit der großen Koalition erreichen. Der Parteitag in Berlin beschloss am Freitagabend mit sehr großer Mehrheit einen Leitantrag, in dem unter anderem ein Investitionsprogramm und mehr Klimaschutz gefordert werden. Die neuen Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans warben in der Debatte für den noch mit dem scheidenden Parteivorstand ausgehandelten Kompromiss, bekräftigten aber auch ihre Skepsis zur GroKo.

In dem Parteitagsbeschluss wird die Frage eines Ausstiegs aus der GroKo, für den sich besonders Esken im innerparteilichen Ringen um den Parteivorsitz ausgesprochen hatte, nicht direkt angesprochen. Esken sagte jedoch in der Debatte, das Bündnis mit der Union sei für die SPD „keine Herzensangelegenheit“. Dies gelte aber aber sehr wohl für das, „was in dem Antrag steht und was wir umsetzen wollen“, sagte sie. „Wir werden sehen, ob das möglich ist in dieser Koalition oder ob wir sie beenden müssen.“

Mehr Schulden

Kernpunkte des Leitantrages sind Forderungen nach einem Investitionsprogramm von 450 Milliarden Euro in zehn Jahren, eine Aufstockung des Mindestlohns auf „perspektivisch mindestens zwölf Euro“ und die Einführung einer Kindergrundsicherung. Außerdem verlangt die SPD darin Nachbesserungen beim Klimaschutz sowie Fortschritte bei der Digitalisierung und deren sozialer Gestaltung.

Dies seien neue Handlungsfelder, sagte Walter-Borjans mit Blick auf die zwischen Union und SPD vereinbarte Revisionsklausel im Koalitionsvertrag zur Arbeit der Regierung. Auch er äußerte sich verhalten zur Zusammenarbeit mit CDU und CSU: „Wir glauben, dass diese Konstellation uns hindert“, den neuen Herausforderungen gerecht zu werden. Die Formulierungen in dem Antrag wertete er als Kompromiss, den „wir in der SPD zusammen wirklich gut hingekriegt haben“.

SPD-Minister wollen GroKo fortführen

Mehrere SPD-Minister warben eindringlich für den Verbleib der SPD in der Regierung. „Ich spreche mich ganz klar dafür aus, dass wir weitermachen“, sagte Familienministerin Franziska Giffey vor den Delegierten. „Keiner wählt eine Partei, die gar nicht regieren will“. Schon das ständige Überlegen, ob die SPD noch in der Koalition mitmachen wolle oder nicht, verspiele Vertrauen bei den Bürgern.

Finanzminister Olaf Scholz hob hervor, es sei in der Regierung „Großes geleistet worden von der SPD“. Arbeitsminister Hubertus Heil mahnte: „Es wäre falsch, jetzt aus der Koalition rauszugehen, ohne die Grundrente umgesetzt zu haben.“ Als „längerfristige Perspektive“ warb er für eine sozialdemokratische Regierungsverantwortung nach der nächsten Wahl ohne CDU und CSU.

Juso-Chef Kevin Kühnert, der bisher als Kritiker der GroKo aufgetreten war, stellte sich hinter den Leitantrag. Er sprach sich dafür aus, Gespräche mit der Union „tatsächlich offen“ und ohne „Vorfestlegungen“ zu führen.

Schärfere Töne kamen von der früheren Juso-Vorsitzenden Franziska Drohsel. Sie verlangte einen „inhaltlichen Neuanfang“, verbunden mit dem Abschied von der GroKo. „Wir müssen raus aus dieser großen Koalition“, forderte auch die Parteilinke Hilde Mattheis. Die Bundestagsabgeordnete Nina Scheer und weitere Delegierte verlangten ehrgeizigere Positionierungen zum Klimaschutz. Ein Antrag von Parteilinken, sofort über ein Ende der Koalition zu entscheiden und den Leitantrag inhaltlich nachzuschärfen, fand aber keine Mehrheit.

Der Leitantrag in Stichpunkten

Koalition

Der beschlossene Leitantrag bewertet die bisherige Bilanz der GroKo positiv. „Zusammenfassend halten wir fest, dass die sozialdemokratischen Mitglieder in der Bundesregierung die verhandelten Punkte schon zur Halbzeit in großen Teilen mit großem Erfolg umgesetzt haben“, heißt es. Zugleich gebe es „wichtige Vorhaben und Projekte des Koalitionsvertrags“, die noch nicht verwirklicht seien – und es müssten neue Punkte vereinbart werden.

Daher beauftragte der Parteitag die SPD-Führung, „auf Grundlage unserer Beschlüsse mit CDU/CSU Gespräche über die neuen Vorhaben zu den beschriebenen aktuellen Herausforderungen zu führen“. Der Parteivorstand soll dann bewerten, „ob die drängenden Aufgaben in dieser Koalition zu bewältigen sind“. Ein zeitlicher Rahmen wird dafür nicht vorgegeben.

Arbeit und Soziales

Zu den Vorhaben, über die mit der Union verhandelt werden soll, zählt laut Leitantrag, „perspektivisch die Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro“ zu erreichen. Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher sollen „deutlich eingeschränkt“ werden, die Leistungen der Arbeitslosenversicherung sollen „wieder in stärkerer Berücksichtigung der Beitragsjahre gemessen werden“. Die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen will die SPD einschränken. Zudem soll es weitere Schritte in Richtung einer Kindergrundsicherung geben, in der bisherige Familienleistungen zusammengefasst werden.

Klimaschutz

Die SPD dringt auf einen „sozial gerechten und wirksamen CO2-Preis“, ohne dies allerdings zu beziffern. Der Kohleausstieg soll wenn möglich auf 2035 vorgezogen, der Ausbau der erneuerbaren Energien auf einen Anteil von 65 Prozent gesetzlich festgeschrieben werden. Zugleich soll der Strompreis sinken. Auf Autobahnen will die SPD ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern durchsetzen, zudem wird eine E-Auto-Quote gefordert.

Investitionen

Hier wird auf Berechnungen wissenschaftlicher Institute verwiesen, die von einem zusätzlichen Bedarf von gut 450 Milliarden Euro für Bund, Länder und Kommunen in den kommenden zehn Jahren ausgehen. Die SPD teile deren Einschätzung, es sei „unrealistisch, diese Investitionen allein durch Umschichtung in den bestehenden Haushalten zu finanzieren“. Investitionen dürften daher nicht an „dogmatischen Positionen“ wie der „schwarzen Null“ scheitern – damit stellen die Sozialdemokraten den Verzicht auf neue Schulden in Frage. Die geforderten Investitionen sollen insbesondere in „Bildung, Verkehr, Kommunikationsnetze und Klimaschutz“ fließen.

Digitalisierung

Die digitale Infrastruktur will die SPD laut dem Leitantrag ausbauen. Dabei sollen Open-Source-Lösungen bevorzugt werden. Rechte der Arbeitnehmer will die SPD auch auf sogenannten Plattformarbeitsmärkten wie dem Fahrdienstanbieter Uber und Lieferdiensten stärken. Beschäftigten, deren Branchen „von der digitalen und ökologischen Transformation“ betroffen sind, sollen besser unterstützt werden. „Darüber hinaus wollen wir, dass große Konzerne auf datengetriebenen Märkten verpflichtet werden, Daten zu teilen“, heißt es weiter.(afp)



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