Supermarkt der Zukunft: Tegut legt Expansionspläne für personallose „Teo“-Märkte auf Eis

„Herber Rückschlag“ für die Supermarktkette Tegut: Ausgerechnet sonntags dürfen die meisten „Teo“-Märkte in Hessen nach einer Gerichtsentscheidung nicht mehr öffnen. Das hat Folgen fürs Geschäft.
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Die Minimärkte von Leo kommen ohne Verkaufspersonal aus.Foto: Boris Roessler/dpa
Epoch Times16. Februar 2024

Die Supermarktkette Tegut hat nach einer gerichtlichen Niederlage im Streit um die Sonntagsöffnung ihre Expansionspläne für ihre personallosen „Teo“-Märkte vorerst gestoppt.

„Grundsätzlich glauben wir an dieses Vertriebskonzept und halten auch daran fest“, erklärte ein Unternehmenssprecher auf Anfrage der dpa. Trotzdem müssten nun alle Standorte unter den neuen Bedingungen wirtschaftlich neu bewertet und ihre Rentabilität kritisch hinterfragt werden.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hatte entschieden, dass eine von der Stadt Fulda verfügte Schließung der „Teo“-Läden an Sonntagen rechtens sei, da es sich um Verkaufsstellen im Sinne des Ladenöffnungsgesetzes handele. Seither bleiben die meisten Filialen in Hessen sonntags zu – mit Ausnahme zweier Läden in Bahnhofsnähe. Weitere Filialen in Bayern und Baden-Württemberg sind nicht von dem Sonntagsöffnungsverbot betroffen.

Die neue schwarz-rote Landesregierung will nun eine Ausnahmeregelung finden, damit kleine digitale Märkte hessenweit an allen Sonntagen öffnen können. Eine solche Regelung gibt es laut Handelsverband Deutschland seit Kurzem in Mecklenburg-Vorpommern als erstem Bundesland. Neben Tegut sind auch andere Anbieter mit smarten Ladenkonzepten aktiv, darunter Rewe mit der „Nahkaufbox“ sowie „Tante M“.

Manche Filialen machen sonntags drei Viertel des Umsatzes

Der Tegut-Sprecher erklärte, es gebe Standorte, an denen der Sonntag fast drei Viertel des gesamten Umsatzes ausmache. Die Flexibilität des Teo-Konzeptes sei „nun nicht mehr im vollen Umfang gegeben, was sich im Umsatz bemerkbar machen wird“.

Man wolle zunächst die benötigte Rechtssicherheit haben, die die neue schwarz-rote Landesregierung für die Sonntagsöffnung in ihrem Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt habe, bevor man weiter plane.

Grundsätzlich herrsche bei smarten Ladenkonzepten wie Teo eine große Dynamik, „jeder probiert gerade an vielen Stellen Smart-Store-Konzepte aus“, erklärte der Sprecher. Mit 39 Standorten in Hessen, Bayern und Baden-Württemberg sei Tegut weit fortgeschritten in der Expansion. Trotzdem sei das Verbot der Sonntagsöffnung ein „herber Rückschlag“ für das Konzept.

„Smart Stores“

Deutschlandweit gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Konzepte ähnlicher „smart Stores“. Weit verbreitet ist das Walk-In-Format, das sind Supermärkte mit oft reduzierter Ladenfläche. Die Kunden scannen die Produkte meist selbst und bezahlen an Selbstbedienungskassen.

In anderen Läden gibt es gar keine Kasse, die Produkte werden per Kamera erfasst. Die Kunden hinterlegen ihre Zahlungsdaten vor dem ersten Einkauf in einer App und können die Produkte einfach einpacken und den Laden verlassen („Grab&Go“). Der Einkauf wird automatisch abgerechnet, die Rechnung folgt per Mail.

Einige Läden haben sieben Tage die Woche rund um die Uhr geöffnet, einige sind mit Personal, andere ohne. Dort schaut einmal am Tag ein Mitarbeiter nach dem Rechten, füllt Regale auf und reinigt die Ladenfläche.

Lösung fürs Land, auch für Standorte mit hoher Frequenz

Stephan Rüschen, Professor für Lebensmittelhandel an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Heilbronn, beobachtet die junge Branche seit Jahren. Ihm zufolge gibt es deutschlandweit etwa 200 Läden und 60 Betreiber. Die größten sind „Tante M“ (56) und die Teo-Märkte (39).

Das Walk-In-Format eignet sich Experten zufolge einerseits für Lagen mit hoher Kundenfrequenz wie Flughäfen oder Bahnhöfe. Dort würden Warteschlangen sinken. „Viele Menschen mögen es nicht, anzustehen und betreten Läden deshalb nicht. Dadurch wird das Umsatzpotenzial vieler Geschäfte nicht ausgeschöpft“, sagt Kai Hudetz vom Handelsforschungsinstitut IFH Köln.

Im ländlichen Raum machten Läden ohne Personal Sinn. Dort fehlt es einerseits an gut erreichbaren Einkaufsmöglichkeiten, und wegen der niedrigen Kundenzahl sind Läden mit Personal dort häufig nicht rentabel. Eine besondere Rolle spielt der Sonntag als zusätzlicher Verkaufstag. „Der Sonntag wird von Kunden sehr geschätzt. Der Umsatz ist so groß wie an zwei bis drei Werktagen zusammen“, sagt Rüschen.

Anders als Tegut zeigt sich der Wettbewerber Tante M zuversichtlich für eine Expansion. „Die Nachfrage ist riesig. Wir haben Anfragen aus allen Teilen der Republik und wollen expandieren. Unser Ziel sind 100 Filialen bis Ende 2024“, heißt es von dem Anbieter.

Auch Rewe mischt mit bei den smarten Supermärkten. Deutschlandweit gibt es vier „Pick & Go“-Filialen. Das sind normale Rewe-Märkte in Großstädten mit Personal. Bezahlt wird bargeldlos und ohne Kasse. Ebenfalls zur Rewe-Gruppe gehört die „Nahkaufbox“ – die personallosen Mini-Märkte finden sich in ländlichen Regionen. Rewe spricht bei beiden Formaten von einem Testlauf.

Verkaufsautomaten auf Höfen

Neben den Walk-Ins gibt es noch Verkaufsautomaten, die entweder einzeln oder in Shop-Verkaufsräumen aufgestellt werden. Die Kunden wählen auf einem Bildschirm die gewünschten Lebensmittel aus, die automatisch kommissioniert und einem Ausgabefach entnommen werden können.

Laut Rüschen gibt es bundesweit mehr als 300 solcher Läden und mehr als 250 verschiedene Betreiber. So testet der Immobilienkonzern Vonovia mit dem Unternehmen Late Bird in einem Münchner Wohnkomplex einen Automaten als Quartiershop. Bekannt ist das Konzept aus der Landwirtschaft – Bauern bieten über solche Automaten beispielsweise Milch und Eier an.

Handelsexperte Rüschen erwartet, dass weitere Betreiber auf den Markt drängen werden, bevor es zu einer Konsolidierung kommt. Dass die smarten Läden die normalen Supermärkte verdrängen, glaubt er nicht. „Die Smart Stores werden sich als relevante Nische etablieren.“

Das Format mit Selbstbedienungskasse hat aus seiner Sicht bessere Zukunftschancen. Diese sei einfach sowie technisch weniger aufwendig und kostenintensiv als die „Grab&Go“-Variante. Voraussetzung für die weitere Verbreitung sei jedoch, dass eine Sonntagsöffnung möglich ist. Sonst falle das Kartenhaus in sich zusammen, so Rüschen. (dpa/red)



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