Vorsitzender der Polizeigewerkschaft zur Migrationspolitik: „Faeser macht Merkel-Politik“

Der Migrationsdruck wächst, die Zuwanderungszahlen übertreffen jene von 2015, aber Deutschland erscheint auch 2023 unvorbereitet. Epoch Times sprach darüber mit Rainer Wendt, dem Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft.
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Der Bundesvorsitzende der deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt.Foto: Oliver Berg/Archiv/dpa
Von 31. Juli 2023

Was haben wir aus dem Jahr 2015 gelernt?

Deutschland hat aus dem Jahr 2015 überhaupt nichts gelernt. Wir haben nicht nur die Situation wie 2015, sondern die Situation ist noch erheblich schlimmer geworden. Zu der ungehinderten Zuwanderung zigtausender Menschen sind jetzt noch viele weitere Aufgaben hinzugekommen, die Kräfte binden. Man weiß gar nicht mehr, wo man anfangen soll. Nahezu wöchentlich melden sich Lobbyverbände zu Wort, die mehr Präsenz der Polizei in Freibädern, auf Kinderspielplätzen und sonst wo fordern.

Weil sie Lobbyverbände ansprechen, fangen wir mal mit dem Städtetag an. Der forderte jetzt nicht etwa eine Eindämmung der Massenzuwanderung, sondern mehr Geld vom Bundeskanzler. Greift die Forderung richtig?

Ich kann die Kommunen schon sehr gut verstehen. Die sind am Ende ihrer Handlungsmöglichkeiten und müssen trotzdem immer mehr Menschen aufnehmen und unterbringen. Dass die zunächst einmal danach rufen: „Lieber Bund, dann musst du auch dafür sorgen, dass die Leute hier vernünftig untergebracht werden können und wir nicht möglicherweise Leistungen streichen müssen bei denen, die es auch brauchen.“ Es gibt ja auch noch alte Menschen, behinderte Familien usw. Für die müssen die Kommunen auch noch was tun. Und wenn sie da keine Kürzungen haben wollen, dann muss der Bund mehr drauflegen. Das ist selbstverständlich. Hier werden natürlich nicht die Ursachen bekämpft. Aber dafür ist die Kommune auch nicht zuständig, sondern der Bund. Das müssen Frau Faeser und andere jetzt endlich leisten.

Vor 2015 mussten deutsche Familienväter am Wochenende mit dem Farbeimer antreten und die Grundschulen ihrer Kinder streichen, weil kein Geld da war. Heute ist offensichtlich Geld für alles da. Was ist denn in der Zwischenzeit passiert?

Mir wird offen gesagt manchmal schwindelig, wenn ich sehe, mit welchen Summen unsere Politik um sich wirft. Da gehen mal schnell 50 Milliarden oder dort 100 Milliarden weg. Das bleibt dann auch alles nicht nur in Deutschland, sondern wird auch für Projekte auf der ganzen Welt verwendet. Ich wünschte mir, dass die künftigen Generationen nicht die Rechnungen bezahlen müssen, die jetzt gerade aufgemacht werden. Wenn wir uns auf die Kernaufgaben in Deutschland besinnen würden, wären wir erst mal schon gut aufgestellt, anstatt die Welt retten zu wollen.

Angela Merkel forderte 2017 „eine nationale Kraftanstrengung“ bezüglich Abschiebung. Sie sagte etwa vor dem Deutschen Beamtenbund: „Wo Recht gesetzt ist, muss dieses Recht auch umgesetzt werden.“ Sehen Sie, dass da was umgesetzt wurde?

Nein, das hat schon damals nicht gestimmt und stimmt auch heute nicht. Auch die Ampelregierung hat ja in ihrem Koalitionsvertrag eine Abschiebe-Offensive festgeschrieben. Das sind alles so Versprechungen in die Zukunft hinein, mit denen Politikerinnen und Politiker sich sozusagen über die nächsten Wochen und Monate retten. Das gilt ja auch für sogenannte „Zielvereinbarungen“. Ganz gleich welche Zielvereinbarung, ob im Energiesektor, bei der Zuwanderung oder sonst wo: Dort, wo Politiker Ziele formulieren, achten sie sehr darauf, dass der Zielerreichungszeitpunkt außerhalb ihrer aktiven Dienstzeit liegt.

Am deutlichsten betreibt das die Deutsche Bahn. Die sagt gar nicht erst: „Das schaffen wir in den nächsten zehn Jahren“. Da spricht man von 2070 oder wann auch immer. Ich glaube keiner einzigen Zielvereinbarung durch die Politik mehr, keiner einzigen, die sind immer falsch. Das sind immer nur Worthülsen, um die Öffentlichkeit zu beruhigen. Mit viel Tamtam werden Ziele bekannt gegeben, aber die Zielerreichung liegt glasig weit in der Zukunft. Meistens sind die dann schon alle nicht mehr da.

Nun gibt es ja dafür zwei Möglichkeiten. Entweder man hat eigentlich ein ganz anderes Ziel, oder man weiß, dass man es nicht kann.

Ich glaube, dass letzteres der Fall ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Angela Merkel oder Olaf Scholz oder wer auch immer nicht wollen, dass Recht und Gesetz umgesetzt werden. Meine Diagnose ist, sie können es einfach nicht.

Das heißt, diese Verschwörungstheorien von der großen Umvolkung, von UN-Migrations- und Fluchtplänen und so weiter, das schieben Sie beiseite und sagen ganz einfach, die können es nicht?

Ja, Genau. Ich glaube, dass es tatsächlich den Wunsch gibt, Recht und Gesetz durchzusetzen. Sie können es ganz einfach nicht. Auch deshalb nicht, weil sie sich mit Schulterklopfern umgeben und in ihrer politischen Blase die Lebensrealität vor Ort gar nicht mehr wahrnehmen.

Wenn nun Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagt, sie lehne weiterhin stationäre Grenzkontrollen an der deutsch-polnischen Grenze ab, dann sieht das leicht nach nicht wollen aus. Erinnert Sie das auch an Bundesminister Seehofer? Der hatte im Streit mit der Bundeskanzlerin Grenzkontrollen gefordert und dann letztlich die Schleierfahndung eingeführt, weil er keine Mehrheiten für Grenzkontrollen sah.

Ja, das war schon das erste Scheitern. Und jetzt ist es natürlich auch das ideologische „nicht Wollen“. Nancy Faeser macht Angela-Merkel-Politik und nichts anderes, und das muss jetzt überwunden werden, das muss aber erst einmal die CDU überwinden.

Was bringt denn überhaupt so eine Schleierfahndung? Die kann doch eigentlich nur stichprobenartig sein?

Auch Grenzkontrollen sind nicht durchgängig. Es ist nicht so, dass Schlagbäume aufgestellt werden, unter denen man jeden einzelnen kontrolliert. Auch da muss die Bundespolizei genau schauen, wen sie kontrolliert. Aber: Stationäre Grenzkontrollen versetzen die Bundespolizei in die Lage, Menschen an der Grenze zurückzuweisen, die beispielsweise schon in einem anderen Land registriert sind, dort möglicherweise Asylverfahren laufen haben und so weiter, die also kein Einreiserecht haben. Wenn die aber erst mal eingereist sind, das heißt, im grenznahen Raum irgendwo festgenommen werden, ganz egal, ob sie beispielsweise eine Einreisesperre haben oder was auch immer, dann können sie nicht mehr zurückgewiesen werden. Das ist das wesentliche Element der Grenzkontrollen. An der österreichisch-bayerischen Grenze wird das ja praktiziert, und zwar sehr erfolgreich. Aber wenn an den anderen Grenzen im Rahmen der Schleierfahndung die Menschen erst mal im Land sind, dann bleiben sie auch hier, und dann können sie nicht wieder zurückgewiesen werden.

Aber ist es nicht so, dass es auch einen Konflikt zwischen dem deutschen und dem europäischen Grenzregime gibt? Wenn die Bundesregierung mittlerweile sogenannte Seenotrettungs-NGOs mit 2 Millionen im Jahr finanziert – zum Beispiel Thies Gundlach, den Ehemann der grünen Katrin Göring-Eckardt von United4Rescue – und die EU aber zeitgleich die libysche Küstenwache finanziert, dann arbeiten da doch zwei Kräfte gegeneinander?

Ja, so ist das. Es wird ja auch von deutscher Seite immer wieder europäische Politik gefordert, es wird immer wieder gesagt, wir brauchen europäische Lösungen. Aber solche Dinge nebeneinander sind natürlich kontraproduktiv und isolieren Deutschland in zunehmendem Maße in Europa. Ich kann Ihnen das als amtierender Präsident der europäischen Polizeiunion sagen. Ich spreche mit vielen Gewerkschaften außerhalb Deutschlands. Polizeigewerkschaften, die wir organisieren, schütteln alle nur noch den Kopf und sagen: „Was ist denn eigentlich da in Deutschland los?“

Wie lange soll die EU noch an Schengen festhalten? Der Wegfall der Binnengrenzen macht doch nur dann Sinn, wenn die Außengrenzen auch geschützt werden. Wird Schengen nicht mittlerweile wie eine Monstranz getragen?

Das hat natürlich einen Sinn: Einen viel leichteren Datenaustausch, eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Polizeibehörden auf der einen Seite. Auf der anderen Seite aber auch der freie Personen- und Warenverkehr innerhalb der Europäischen Union beziehungsweise innerhalb der Schengen-Staaten. Das ist schon ein wichtiger Punkt. Darüber haben wir damals mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière in seiner ersten Amtszeit gesprochen. Wir haben immer als Polizeigewerkschaft die Auffassung vertreten: Erst muss man die Außengrenzen schützen. Und zwar so, dass das auch funktioniert. Danach kann man Binnengrenzen öffnen. Die Reihenfolge ist völlig falsch. Man hat die Binnengrenzen geöffnet und hat gesagt: „Na ja, den Staaten an den Außengrenzen, denen geben wir ein bisschen Geld, und dann werden die das schon machen mit dem Außengrenzschutz.“ Wir sehen jetzt, es hat bis heute nicht funktioniert.

Hätte man da nicht wenigstens folgerichtig Frontex mehr Kompetenzen zugestehen müssen? 

Das war, als es mit Schengen losging, genauso unsere Forderung. Das nicht den Mitgliedsländern zu überlassen, sondern Frontex zu einer operativ tätigen europäischen Grenzpolizeibehörde auszubauen. Mit Personal, mit Kapazitäten und vor allen Dingen mit gesetzlichen Befugnissen. Das wiederum ist an dem Veto der Mitgliedsländer gescheitert, die keine Kompetenzen abgeben wollten. Die Länder bekommen das einfach nicht in den Griff, denken aber nicht im Traum daran, irgendwelche Kompetenzen abzugeben.

Griechenland hat angefangen, jeden Asylbewerber zu registrieren, die aber trotzdem nach Deutschland weiter zogen. Dann hat Deutschland gesagt, Griechenland sei kein sicheres Herkunftsland mehr. Polen lässt aktuell vielfach ohne Registrierung einfach durchreisen und Deutschland beschwert sich im Wesentlichen nicht. Was ist denn mit unserer Bundesregierung los, Herr Wendt?

Ja, das möchte ich auch mal gerne wissen. Man hat ganz offensichtlich die Fähigkeiten aufgegeben, auch als starker Mann in Europa aufzutreten und mal deutlich zu sagen: „So geht es einfach nicht.“ Das liegt aber wiederum daran, dass Deutschland sich mit seiner Politik zunehmend isoliert hat und auch nicht mehr die Kompetenz und Autorität hat, anderen Ländern zu sagen, dass das so nicht geht. Wir selber setzen ja unter anderem mit unseren Sozialleistungen, die wir für alle Menschen anbieten, auch noch die falschen Akzente. Ich verstehe alle Menschen, die, von wo auch immer sie herkommen, nach Deutschland wollen, weil Deutschland eben ein attraktives Land ist, in dem man gut leben kann.

Könnte man die Zuwanderung eklatant einschränken, indem man wieder zur Sachleistung übergeht, wie es andere Länder seit Langem machen? Oder ist das zu populistisch?

Nein, das ist nicht populistisch. Und das wird ja zu Recht auch zumindest von einigen CDU-Politikern mittlerweile gefordert. Und ich halte das auch für einen vernünftigen Akzent, den man setzen muss. Diese Faktoren dürfen nicht weiter als Anziehungskraft wirken, aber das tun sie. Man darf nie vergessen: Alles das, was die deutsche Politik über Zuwanderungspolitik sagt, wird überall auf der ganzen Welt mit großer Sensibilität zur Kenntnis genommen. Wenn es Radio und Fernsehen nicht machen, dann machen das die NGOs. Diese vermitteln die Botschaften schon; und jeder weiß auch, wie man es ändern könnte, wenn man es will.

Ich meine, Ihr Stellvertreter Heiko Teggatz hätte gesagt, dass ein großer Teil der Migration längst per Flugzeug stattfindet. Das scheint vielfach auch unter dem Radar zu laufen?

Das sind Größenordnungen, die beängstigend sind. Vor allen Dingen ist dann auch absehbar, dass unsere sozialen Sicherheitssysteme gesprengt werden. Heiko Teggatz hat völlig recht, wenn er das kritisiert, und seltsamerweise findet es tatsächlich unterm Radar statt. Weder die Opposition thematisiert das, noch unsere Medienlandschaft regt sich darüber auf. Über die Absichten von Frau Baerbock kann man eigentlich nur spekulieren.

Bewegen wir uns gerade hin zu einem Ende der Nationalstaatlichkeit, was dann auch ein Ende der Bundespolizei bedeuten würde?

Ich glaube nicht, dass wir am Ende der Nationalstaaten sind. Ganz im Gegenteil. Ich habe sogar wahrgenommen, dass das bei den anderen europäischen Ländern gerade gestärkt wird, je verrückter sich Deutschland aufführt. Aber auch der deutsche Nationalstaat ist ja nicht im Auflösungsprozess begriffen. Und ich glaube, dass die politischen Kräfte in Zukunft schon für Ausgewogenheit sorgen werden.

Danke für das Gespräch!

Das Interview führte Alexander Wallasch.



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