Wenn ein Milliardenkonzern die Ärmsten zum Spenden aufruft

Dass Hunderttausende Rentner in Deutschland Pfandflaschen sammeln, um über die Runden zu kommen, ist mittlerweile zum Allgemeinplatz in den Talkshows geworden. Der Discounter Lidl hat das Thema in einem Werbespot aufgegriffen – und muss dafür viel Kritik einstecken.
Titelbild
Das Archivbild zeigt ein Lidl-Verwaltungsgebäude in Neckarsulm. Der Handelsriese wirbt derzeit für „Die gute Tat am Automat“.Foto: Christoph Schmidt/dpa/dpa
Von 29. Dezember 2023

Derzeit sorgt ein Werbespot des Discounters Lidl für einigen Aufruhr in den sozialen Medien. Immer wieder heißt es in den Kommentarspalten, die Lidl-Unternehmenskommunikation sei zynisch, und ihre Mitarbeiter sollten sich bei weniger gut betuchten Rentnern entschuldigen.

Die Story hinter dem brandneuen Zweieinhalb-Minuten-Spot namens „Die gute Tat am Automat / Spenden lohnt sich“ ist schnell erzählt.

Wenn eine milde Gabe zum Geschenk für andere wird

Als Hauptfigur dient eine zierliche, womöglich ziemlich einsame ältere Dame, die nicht genug Geld zum Einkaufen besitzt. Trotzdem macht sich die Seniorin im schneebedeckten Berlin auf den Weg zum Supermarkt. Dabei erklingt aus dem Off eine traurige Pop-Ballade.

Unterwegs bleibt die Rentnerin an jedem Mülleimer stehen, um darin nach Pfandflaschen zu suchen. Ein kleiner Junge schenkt ihr – offensichtlich aus Mitleid – eine grüne Plastikflasche.

Dann geht es zur Pfand-Auszahlung am Lidl-Automaten. Den Bon schon in der Hand, bemerkt die ältere Dame, dass die geschenkte grüne Flasche noch in ihrer Tasche liegt. Spontan beschließt sie, den 25-Cent-Erlös dafür per Tastendruck an die „Tafel“ zu spenden, wie es der Lidl-Automat vorschlägt. Zufriedenes Lächeln der Rentnerin, Schnitt.

Vor dem Hintergrund der Lidl-Filiale erscheint der Motto-Schriftzug „Jede Spende zählt“, danach ein paar Worte über die mehr als 900.000 Flaschensammler in Deutschland und das Lidl-Engagement für die Tafel Deutschland. Angeblich seien bei Lidl in den vergangenen 15 Jahren allein durch den freiwilligen Pfandverzicht der Kunden über 30 Millionen Euro zusammengekommen. „Spenden lohnt sich“, wird eingeblendet. Das Video ist unter anderem auf „Unternehmen.Lidl.de“ zu sehen.

Eine Rentnerin bedient den Pfandautomaten einer Lidl-Filiale in Berlin.

Eine Rentnerin bedient den Pfandautomaten einer Lidl-Filiale in Berlin. Das Foto zeigt einen Ausschnitt aus dem Winter-Werbespot 2023/24 des Handelsriesen. Foto: Bildschirmfoto/YouTube/Lidl

Reaktionen

Das technisch gut gemachte Video trifft allerdings offenbar auf wenig Begeisterung. Der YouTuber „Digitaler Chronist“ veröffentlichte am 27. Dezember ein Zwölf-Minuten-Video darüber („Viel mehr Zynismus geht nicht!“, zu sehen auf „Youtube“), das mittlerweile fast 30.000 Mal aufgerufen wurde.

Auch die X-Nutzerin „Frollein B.“ schien angesichts der spendenbereiten Rentnerin ähnliche Assoziationen zu haben: „Liebe @lidl Geschäftsleitung, Euer Spot ist böse und unsäglich zynisch. Eure Marketingabteilung ist völlig Banane und sollte ihr Jahresgehalt an Obdachlose & arme Rentner spenden – vor allem aber sich in aller Form entschuldigen“, schrieb sie.

Der Twitterer „Winter30598215“ sieht die Sache etwas differenzierter: „Immer noch besser, wenn Lidl dazu aufruft, der eigenen Bevölkerung etwas zu spenden, als diese unsäglichen Aufrufe, der Ukraine unser Geld zu ‚spenden‘ “, meint er. Und in einem Folgetweet: „Ich finde den Spot sehr politisch und als Kritik an den derzeitigen Verhältnissen hier“. Ähnlich argumentiert „AgroPalasi“:

Mir kamen die Tränen! Löst euch mal von der Wut, schaut ihn euch nochmal an! Ich glaube Lidl sagt etwas durch die Blume. Der ärmste Bürger ist für die ärmsten Bürger da, wird aber vergessen von der staatlichen Obrigkeit … Jetzt schaut ihn euch noch mal an & sagt ob ihr weint?“

Die Replik von „Schnapp98712747“ ließ nicht lange auf sich warten: „Ja, mir kamen auch Tränen, aber weil mir bewusst wurde, dass dieser Spot eine Normalität darstellen soll, die es nicht bei uns geben darf‼️ In aller Welt wird unser Geld verschwendet, auch aus den Rentenkassen. Unseren Rentnern darf es nicht so schlecht gehen, dass sie betteln müssen“.

„Lidl lobt damit das derzeitige Regime wegen dem es überhaupt einen Bedarf für Tafeln gibt“, kritisiert auch „Pfizers Alptraum“. „Und es fordert die ärmsten der Gesellschaft dazu noch ärmer zu sein. Das ist pervers“.

„In deutschen Konzernen sagt niemand etwas durch die Blume“, gibt „GeorgeH1791“ zu bedenken. „Deren Vorstände sind aalglatt und stromlinienförmig was Politik angeht und die Mitarbeiter würden ihren Job riskieren, wenn sie gegen die vor Diversität platzende interne Charta verstößen [sic!]“.

„Sind wir wirklich so tief gesunken?“, fragt „Alles Wahnsinn“ und ergänzt: „@lidl ich kann meine Verachtung über diesen Spot nicht zum Ausdruck bringen“. „Mit dem Geld, das diese Kampagne gekostet hat, hätte man viele Tafeln finanzieren können“, postet schlicht „Alexand14627683“.

„hoellentourist“ setzt noch einen drauf: „Augenscheinlich kokst die Werbebranche immer noch recht fleissig. Zynischer gehts kaum. Fehlt nur noch eine Bundesregierung, die die Pfand Ausweitung als Maßnahme gegen Altersarmut verkauft.“

„Ltlappledoll“ scheint unentschlossen, wie der Spot zu bewerten ist: „Hab‘ mich zuerst auch geärgert & diesen Spot als Verhöhnung verstanden. Aber viell. muss man Kritik wirkl. subtiler verpacken. Stell‘ dich hin & sag‘ ‚Unsere Rentner verhungern während Neuankömmlinge in der Vollversorgung sind‘ & der Shitstorm der Linken überrollt dich & kein“.

Auch das Ehrenamt Tafel bekommt sein Fett weg: „Die Tafel hat bis in alle Zeiten verschissen, als sie nur noch Geimpfte angenommen haben. Und daß Lidl auch nur ansatzweise im Verdacht stehen könnte, systemkritisch zu sein, glauben nur Vollzeitschafe“, gibt „jlfibs2“ zu Protokoll.

Die YouTube-Nutzerin Martina Zeichart hatte als Kommentatorin des „Digitaler Chronist“-Videos einen Tipp zur Güte parat:

Selbst spende ich niemals an die Tafel, mein Pfandbon wird direkt, sowie sich eine möglichkeit ergibt, an diese alten Frauen weiter gegeben. Das mache ich ohne ein Wort zu verlieren, nur mit einem Lächeln. Denn jedesmal denke ich an meine Mutter, meine Oma die beide für vieles gekämpft haben, viel gelitten haben und dennoch ihre Kinder über alles geliebt haben und sie durch alle Zeiten behütet haben. Diese Anerkennung die aus meinem Herzen kommt, wurde mir von ihnen geschenkt.“

Lidl spendet ebenfalls

Der Lidl-Konzern lässt nach eigenen Angaben übrigens nicht nur seine Kunden für die Tafeln in Deutschland spenden, sondern unterstützt die knapp 1.000 ehrenamtlichen Ausgabestellen selbst mit Lebensmitteln, Bildungsprojekten und Geld.

Nach einer Pressemitteilung vom 23. November machte der Supermarktriese zusammen mit Coca-Cola dieses Jahr 200.000 Euro für die Tafeln locker. Auch in den drei Jahren davor habe man sich zusammen für die „rund 60.000 Tafel-Aktiven in ganz Deutschland“ engagiert, die durch „ihren tatkräftigen Einsatz [ …] bereits seit 30 Jahren zur Chancengerechtigkeit in der Gesellschaft“ beitrügen.

Lidl betätigt sich auch noch auf andere Weise karitativ: Erst vor Kurzem etwa spendete der Konzern eine halbe Million Euro für die „Bild“-Hilfsaktion „Ein Herz für Kinder“.

Lidl-Gründer Schwarz vermögendster Mann Deutschlands

Zum Vergleich: Die Schwarz-Gruppe, zu der neben Lidl auch die Kaufland-Kette gehört, machte im Geschäftsjahr 2022 nach Angaben des „Statistischen Bundesamts“ einen Gesamtumsatz von 52,48 Milliarden Euro. Lidl habe mit 30,1 Milliarden Euro dazu beigetragen. Dabei erzielte der Konzern nach Informationen von „Foodaktuell“ bis Februar 2023 einen um 500 Millionen Euro geschmälerten Gewinn von 1,64 Milliarden Euro.

Wie „Echo24.de“ berichtete, besaß Lidl-Gründer Dieter Schwarz Schätzungen zufolge 2022 ein Privatvermögen im Wert von 36 Milliarden Euro. Nach aktuellen Angaben des „Statistischen Bundesamts“ ist Schwarz mit 47,8 Milliarden US-Dollar Vermögen mit Abstand der reichste Deutsche überhaupt. Auf den Plätzen folgen der Logistikdienstleister Klaus Michael Kühne, die Familie des Schraubenkönigs Reinhold Wörth und die BMW-Erben Stefan Quandt und Susanne Klatten. Die beiden Aldi-Familien um Theo und Karl Albrecht verfügen gemeinsam über mehr als 35 Milliarden Dollar.

Immer wieder kontrovers debattiert: der Einzelhandel

Werbefilmchen oder -plakate sorgen immer mal wieder für Aufregung: Speziell in den sozialen Medien bleibt kaum eine Reklameaktion unkommentiert, die zwischen den Zeilen eine wie auch immer geartete politische Botschaft übermittelt. Besonders im Fokus scheinen die Handelsriesen: Wie Lidl hatte auch Aldi zuletzt für Schlagzeilen gesorgt.

Der Branchenvorreiter Aldi sah sich Ende Oktober 2023 mit Boykottaufrufen konfrontiert, nachdem seine Öffentlichkeitsarbeiter nicht nur kritische Kommentatoren auf „X“, sondern auch deren Anhängerschar blockiert hatten.

Ärger ganz anderer Art hatte der Regensburger Edeka-Filialbetreiber Konstantin Gatzke auf sich gezogen. Nach Angaben des „Donaukurier“ zog der Einzelhändler kürzlich umstrittene Einträge auf „Facebook“ zurück, weil sein Hilferuf wegen andauernden Ladendiebstahls für Drohungen von „Ultra-Links“ gesorgt hatte: Gatzke hatte den Migrationsstatus der Diebe erwähnt.



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