Zukunft Kerntechnik: Hat Deutschland „fertig“?

Frankreich setzt noch stärker auf Kernkraft, während die Bundesregierung den einsamen Weg aus der Technologie heraus gewählt hat. Selbst Ruanda setzt jetzt neue, einst deutsche Forschungen um. Verpasst Deutschland gerade den Anschlussflug in die Zukunft?
Zurück aus der Zukunft?
Am 15. April 2023, dem Tag der Abschaltung der letzten drei Kernkraftwerke Deutschlands, fordert ein Befürworter der Energiewende am Brandenburger Tor in Berlin „Fortschritt“.Foto: Odd Andersen/AFP via Getty Images
Von 31. Januar 2024

Viele Länder der Welt bauen ihre Kapazitäten bei der Kernenergie durch den Bau weiterer Atomreaktoren rapide aus, allen voran China, Russland, Indien und Kanada. Auch Frankreich, die Kernkraftspitze Europas mit 56 Reaktoren in Betrieb, setzt jetzt auf massive Ausbaupläne. Ein neuer Gesetzentwurf berichtet vom Plan 14, statt bisher sechs neue Kernkraftwerke in den nächsten Jahren zu bauen, und verweist die erneuerbaren Energien auf die hinteren Ränge, ohne konkrete Quoten zu benennen. Das ist Frankreichs Plan in die Energiesouveränität. Auch Schweden und Italien setzen wieder stark auf Kernenergie. Nur Deutschland geht weiter seinen einsamen Weg beim Ausstieg aus dem Atomstrom – und eine Umkehr wird immer unmöglicher. In welche Zukunft führt uns dieser Weg?

Eine seltsame Informationslücke

Auch der UN-Klimagipfel im Dezember in Dubai zeigte eines deutlich: Es ist schwer, einen weltweiten Konsens zwischen Klimaschutz und Energieerzeugung zu finden. Nach langem Hin und Her einigte man sich schließlich. Einen „gerechten, geordneten und ausgewogenen“ Übergang, weg von den fossilen Energien, soll es geben. Man einigte sich auch, steht in der Abschlusserklärung (28e), auf die Forcierung von „emissionsfreien und emissionsarmen Technologien, einschließlich u. a. erneuerbare Energieträger, Kernenergie“.

In der Pressemitteilung der EU-Kommission und in der Zusammenfassung der Verhandlungsergebnisse durch das in Bonn sitzende Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sucht man das Wort „Kernenergie“ jedoch vergeblich.

Geheim? Mehr CO₂ eingespart als Heizungsgesetz

Vergeblich suchte man auch gewisse Informationen in einem Papier von Robert Habecks (Grüne) Wirtschafts- und Klimaschutzministerium. Vergangenen Herbst kam heraus, dass Informationen zur Klimaschutz-Effektivität der deutschen Kernkraftwerke zurückgehalten worden waren. In dem Ministeriumspapier von 2022 wurde beispielsweise eine Textpassage unterschlagen, die sich mit der damals noch möglichen Laufzeitverlängerung der letzten drei Kernkraftwerke Deutschlands befasste.

Demnach hätten diese ab 2024 eine jährliche CO₂-Reduktion von bis zu 30 Millionen Tonnen im deutschen Strommix bewirkt. Das wäre in etwa so viel eingespartes CO₂ gewesen, wie Robert Habecks umstrittenes Heizungsgesetz in sieben Jahren einsparen würde. Musste der Klimaschutz hier vielleicht aus ideologischen Gründen in den Hintergrund treten? Eine sicherlich spannende Frage.

Strom noch teurer – und weniger

Durch die neue Energiepolitik Deutschlands klettern die Strompreise weiter nach oben. Zuvor schon war Deutschland bei den Strompreisen unter den teuersten Ländern der Welt zu finden. Im Juni 2023 lag man bei rund 37 Cent pro Kilowattstunde. Besonders traurig war das für jene Bundesbürger, die nahe der französischen Grenze leben. Denn nur wenige Kilometer weiter westlich bezog man Strom für knapp 24 Cent. Auch die deutsche Industrie kämpft mit den hohen Strompreisen und liebäugelt mit einer Verlagerung der Produktionsstätten.

Waren es im vergangenen Sommer knapp 27 Cent, die man zahlen musste, zahlten die französischen Firmen nur 19 Cent, die in den USA nur rund 14 und der Erzkonkurrent China produzierte bei nur 8 Cent pro Kilowattstunde. Auch die weiteren Aussichten für 2024 in Deutschland sind alles andere als rosig, vor allem aufgrund wegfallender staatlicher Unterstützungen.

Hinzu kommt, dass die weggefallenen Kapazitäten aus Atom- und Kohlestrom höhere Stromimporte aus dem europäischen Ausland nötig machen. Deutschland wurde durch die Abschaltung der Kernkraftwerke vom Stromexporteur zum -importeur. Kurioserweise erzeugt unser und Europas Hauptlieferant Frankreich seinen Strom zu fast 75 Prozent aus Kernenergie. Kein Wunder, dass die Franzosen ihre Kapazitäten dahin gehend noch weiter ausbauen wollen.

Die große Angst nach den Katastrophen

Natürlich gibt es bei der Kernenergie auch die Frage: „Wie gefährlich ist Atomstrom?“ Diese Frage beschäftigt viele Menschen. Zwei Hauptargumente werden oft gegen die Weiternutzung von Kernkraft genannt: mögliche Superkatastrophen und die Endlagerung des Atommülls. Man verweist beispielsweise auf die Katastrophen im russischen Tschernobyl (1986, UdSSR) und in Fukushima (Japan, 2011).

Die Katastrophe in der Sowjetunion kam im Prinzip durch mangelhafte Sicherheit im Aufbau-Design des Reaktors und menschliches Versagen zustande. Die deutschen Kernkraftwerke weisen jedoch eine hohe Sicherheitsklasse auf, besonders im Vergleich mit Reaktoren, die in manchen Teilen der Welt heute noch betrieben werden. Der Katastrophe in Fukushima ging ein Megaerdbeben der Stärke 9 voraus, gefolgt von einem Tsunami mit 15 Meter hohen Wellen – ein für Deutschland undenkbares Szenario. In beiden Fällen starben Tausende Menschen – allerdings durch die Evakuierungsmaßnahmen des Staates.

Strahlender Atommüll bald Ressource?

Auch das Problem mit der Endlagerung der aufgebrauchten und nuklear strahlenden Brennstäbe scheint zu kurz gedacht. Tatsächlich ist es derzeit so, dass die Technologie der abgeschalteten deutschen KKW die Energie der vier bis fünf Jahre anhaltenden Brennstäbe nur zu ungefähr drei Prozent nutzen kann, bevor sie ausrangiert werden. Allerdings gibt es bereits Technologien, die auch die restlichen rund 97 Prozent – den bisherigen Atommüll – mehr oder weniger komplett nutzen und aufbrauchen können. Dazu gehört der sogenannte Dual-Fluid-Reaktor.

In Deutschland gibt es die Anforderung, dass Atommüll wegen der immensen und sich nur langsam abbauenden radioaktiven Strahlung eine Million Jahre endgelagert werden muss. Die Dual-Fluid-Technologie geht hingegen von überschaubaren 300 Jahren Reststrahlung der Abfallprodukte aus – und soll dazu noch sehr sicher in der Handhabung sein.

Deutschland als Forschungs-Nirwana

Doch die Nuklearforschung hat es in Deutschland schwer. Die Entwicklung des zu den Flüssigsalzreaktoren zählenden Dual-Fluid-Reaktors begann in Berlin und wird nun in Kanada und Ruanda fortgesetzt. Aktuell gehen die Entwickler der Technologie von einer ersten Dual-Fluid-Testanlage im Jahr 2026 aus. Ein Prototyp wird drei Jahre später erwartet und die Serienproduktion für 2034 prognostiziert.

Mehrere Länder der Welt entwickeln schon Flüssigsalzreaktoren auf Basis des schwach radioaktiven Elements Thorium. In China wurde bereits im vergangenen Sommer eine entsprechende Betriebserlaubnis für einen Testreaktor erteilt. Verpasst Deutschland auf seiner einsamen Fahrt gerade einen wichtigen technologischen Entwicklungsschritt in die Zukunft?

Ebenfalls wird an Technologien für kalte Fusion gearbeitet, die kleine mobile Reaktoren ermöglichen sollen, sodass vielleicht Kommunen, Firmen und sogar Wohnhäuser autark ihre Energie erzeugen könnten. Für die großen Energiekonzerne und Netzbetreiber wäre das freilich eine grauenhafte Vorstellung.



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