DIW-Ökonomin Claudia Kemfert will Klimanotstand ausrufen

Die Ökonomin Prof. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat vorgeschlagen, offiziell den „Klimanotstand“ auszurufen, damit die Bundesregierung sich nicht mehr an die Schuldenbremse halten muss.
«Es muss bei der Bevölkerung ankommen, dass wir ähnlich wie im letzten Jahr weiterhin Gas einsparen», sagt Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).
DIW-Energieexpertin Prof. Claudia Kemfert (Archivbild).Foto: Carla Benkö/dpa
Von 18. November 2023

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse liegen viele klimapolitische Projekte der Ampelregierung erst einmal auf Eis: 60 Milliarden Euro fehlen für die kommenden vier Jahre, seit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am 15. November den Kreditspielraum des „Klima- und Transformationsfonds“ (KTF) entsprechend einschränken und eine Ausgabesperre anordnen musste. Nun soll so schnell wie möglich ein neuer Wirtschaftsplan her. Der soll nach dem Willen Lindners allerdings unbedingt ohne neue Steuern und ohne neue Schulden auskommen.

Die Wirtschaftswissenschaftlerin und Energieexpertin Prof. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) will das aber nicht so einfach auf sich beruhen lassen. Im Gespräch mit der „taz“ schlug sie vor, den „Klimanotstand“ auszurufen. Der sei ja ohnehin „da“. Bei einem offiziellen Notstand bräuchte die Bundesregierung die Regeln zur Schuldenbremse nicht mehr zu beachten und dürfte wieder mehr Geld in die Hand nehmen.

Als Beispiel nannte Kemfert die Coronakrise: Auch diese sei ein Notstand gewesen, der ein zeitweiliges Aussetzen der Schuldenbremse gerechtfertigt hätte.

Eine „außergewöhnliche Notsituation“?

Das Grundgesetz sieht in Artikel 109, Absatz 3 tatsächlich die Möglichkeit von Ausnahmeregelungen zur Schuldenbremse vor, nämlich „für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“.

Noch lieber wäre es Kemfert offenbar, wenn es gelänge, „die Schuldenbremse zu reformieren“. Falls das jedoch nicht klappen sollte, müsse man es eben in Erwägung ziehen, doch mit dem Lösungsansatz „Klimanotstand“ zu operieren.

Auch den Rotstift sieht Kemfert als geeignetes Mittel, um an mehr Geld für KTF-Maßnahmen zu kommen: 41 „klimaschädliche Subventionen“ könnten ihrer Meinung nach gestrichen werden. Infrage kämen dafür beispielsweise Fördergelder „für Dienstwagen, Diesel oder Flugreisen“. Ein solcher Verzicht könne sogar „mehr als 60 Milliarden Euro“ Einlage für den KTF bedeuten. „Allerdings ist aus rechtlichen Gründen nur die Hälfte kurzfristig streichbar“, heißt es in der „taz“.

Fratzscher: „Wir brauchen eine Investitionsoffensive“

Auch Kemferts Dienstherr, DIW-Präsident Prof. Marcel Fratzscher, hält die Schuldenbremse für „nicht mehr zeitgemäß“. Sie nehme „der Politik notwendigen Spielraum […], um Krisen zu bekämpfen und Zukunftsinvestitionen zu tätigen“, so Fratzscher in einer Pressemitteilung zum BVerfG-Urteil. „Wenn der Staat einen Sparhaushalt“ fahre, werde ein „viel größerer Schaden“ entstehen, „als wenn der Staat jetzt neue Schulden“ aufnehme, sagte Fratzscher im „Phoenix“-Interview und ergänzte: „Wir brauchen jetzt eine Investitionsoffensive“.

Derzeit aber seien „noch genug Gelder im Klima- und Transformationsfonds, sodass das Verbot durch das Bundesverfassungsgericht nicht unmittelbar zu Problemen führen wird“, sagte Fratzscher auf seinem X-Kanal voraus.

Kemfert und Fratzscher stehen mit ihrem Wunsch nach einem Aus oder wenigstens einer Modifikation für die Schuldenbremse nicht alleine da. Wie die „Legal Tribune Online“ (LTO) schreibt, fordern auch Stimmen aus dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und vom Paritätischen Gesamtverband ein Aussetzen der Bremse.

Auch Vertreter der Grünen, der SPD und der Linken sähen es gerne, wenn Bund und Länder noch mehr Kredite aufnehmen dürften. Finanzminister Lindner, seine FDP, Kanzler Olaf Scholz (SPD), die Unionsparteien und die AfD lehnen das allerdings strikt ab.

Kemfert: „Klimaschutz ist die beste Schuldenbremse“

Claudia Kemfert hatte den „Klimaschutz“ schon 2021 in der Zeitschrift „Wirtschaftsdienst“ als „die beste Schuldenbremse für die Industrie und Wirtschaft insgesamt“ bezeichnet. Die Ökonomin gehört wie der Meteorologe Mojib Latif oder der TV-Moderator Eckart von Hirschhausen der Deutschen Gesellschaft des Club of Rome (CoR) an, einer internationalen Denkfabrik, die sich seit Jahrzehnten für eine angeblich „dringend notwendige globale Transformation“ einsetzt.

Der Club of Rome und Klaus Schwabs internationale Entscheidungsträger-Plattform „World Economic Forum“ (WEF) stehen sich nach Informationen der CoR-Website ideologisch offenbar sehr nahe. Nach Angaben des prominenten CoR-Mitglieds Günter Pauli war das „erste Treffen des Weltwirtschaftsforums“ eigentlich ein Treffen des „Club of Rome“ (Video auf rumble).

BVerfG: Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2021 verfassungswidrig und nichtig

Am Mittwoch, 15. November, hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe den Finanzplanungen der rot-grün-gelben Bundesregierung einen schweren Dämpfer verpasst: Die Vorsitzende Richterin des Zweiten Senats, Prof. Doris König, erklärte das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 (NHG) vom 18. Februar 2022 für verfassungswidrig und nichtig (Urteil als PDF-Datei).

Nach Auffassung des BVerfG war es im Geist der Schuldenbremse gemäß Artikel 109 GG illegal, eine „Kreditermächtigung in Höhe von 60 Milliarden Euro“, die ursprünglich am 23. April 2021 für vermeintliche Corona-Kosten des Haushaltsjahres 2021 erteilt worden war, noch nach Ablauf des Jahres in den „Energie- und Klimafonds“ (EKF) umzubuchen, der heute unter dem Kürzel KTF firmiert.

Nun müsse „der Umfang des KTF“ eben wieder um diese 60 Milliarden Euro reduziert werden, schrieb das BVerfG in seiner Pressemitteilung zum Urteil. Nach Angaben der „Tagesschau“ war es das erste Mal überhaupt, dass sich das BVerfG näher mit einem Streitfall zur Schuldenbremse beschäftigen musste. Vorausgegangen war eine Normenkontrollklage der Unionsfraktion im Bundestag.

KTF-Wirtschaftsplan muss neu aufgestellt werden

Nach Informationen der Bundesregierung sollten ursprünglich mindestens 211,8 Milliarden Euro für die Jahre 2024 bis 2027 aus dem KTF entnommen werden.

Anfang 2024 sollte der Sondervermögenstopf nach Angaben der Bundesregierung rund 70,7 Milliarden Euro an Rücklagen enthalten, außerdem 19,1 Milliarden Euro „aus den Erlösen des Europäischen Emissionshandels sowie der CO₂-Bepreisung im Rahmen des nationalen Emissionshandels“ und 9,3 Milliarden Euro, „die sich aus erwarteten Mehreinnahmen und Minderausgaben des Jahres 2023“ ergäben.

Nun sind nach Informationen der „Welt“ aber 60 Milliarden Kreditermächtigung zu subtrahieren, sodass der Gesamtstand bei nur noch rund 40 Millionen liegen dürfte. An Ausgaben seien für das kommende Jahr ursprünglich 57,6 Milliarden Euro geplant gewesen. Die Zahlen waren im August 2023 kalkuliert worden.

Nach Informationen der „Tagesschau“ soll der KTF 2024 zumindest noch für „die Fördermittel für den Austausch alter Öl- und Gasheizungen“, für die „Förderprogramme für klimafreundlichen Neubau“ und für die „Wohneigentumsförderung für Familien“ reichen, wie Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) erklärt habe.

Kanzler Scholz hatte bereits kurz nach der Urteilsverkündung versprochen, den gesamten Wirtschaftsplan des Klima- und Transformationsfonds „zügig überarbeiten“ zu wollen. Der Plan war nach Angaben des Bundesumweltministeriums zuletzt Mitte August 2023 festgezurrt worden.

Auf dem Weg zum Bundeshaushalt 2024

Wegen des Karlsruher Urteilsspruchs vom 15. November will sich der Haushaltsausschuss des Bundestages dieses Jahr noch etwas ausführlicher mit dem Gesamtetat für das kommende Jahr beschäftigen als sonst.

Auf Antrag der Union sollen am kommenden Dienstag, 21. November, deshalb noch Sachverständige ihre Einschätzung zu den Folgen des Urteils darlegen. Zwei Tage später, am 23. November, soll es nach Angaben des ZDF eine finale „Bereinigungssitzung“ per Online-Schalte geben. Ab dem 28. November stehen dann die zweite und dritte Lesung zum Haushaltsgesetz im Bundestag auf dem Terminkalender.

Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums (BMF) soll der Haushalt 2024 trotz des Karlsruher Dämpfers spätestens am 1. Dezember im Bundestag beschlossen werden. Zwei Wochen später muss der Bundesrat die Kalkulation noch final absegnen.

 



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