Bundestag billigt EU-Verfassung mit großer Mehrheit

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Deutscher Bundestag.Foto: Getty Images
Epoch Times12. Mai 2005

Berlin – Der Bundestag hat die Verfassung der Europäischen Union (EU) mit breiter Mehrheit gebilligt und damit den ersten Schritt zu ihrer Ratifizierung in Deutschland gemacht.

Für die Verfassung stimmten am Donnerstag 569 Abgeordnete, so dass die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit von 401 Stimmen deutlich übertroffen wurde. Dagegen stimmten 23 Parlamentarier, zwei enthielten sich. Für die Ratifizierung der Verfassung ist nun noch die Billigung im Bundesrat erforderlich, die für den 27. Mai geplant ist. In der Debatte würdigten Bundeskanzler Gerhard Schröder und Redner auch der Opposition die Verfassung als historische Chance, Frieden und Wohlstand in Europa zu festigen. Vor allem Redner der Union, aus deren Reihen Gegenstimmen angekündigt waren, wiesen aber auch auf die Defizite der Verfassung hin. Mit der Verfassung werden auch die Rechte von Bundestag und Bundesrat in EU-Fragen neu geregelt.

SCHRÖDER: VERFASSUNG IST EIN GUTER, FAIRER KOMPROMISS

Schröder sagte, die Verfassung werde die EU effektiver, demokratischer und bürgernäher machen. Er rief dazu auf, trotz möglicher Vorbehalte gegen einzelne Elemente die historische Bedeutung der Verfassung anzuerkennen. Die Einigung Europas sei die „Garantie eines Lebens in Freiheit und Würde“. Sie erfülle nicht alle Hoffnungen und banne nicht alle Ängste. „Aber: Der Verfassungstext ist ein sehr guter und fairer Kompromiss.“ Als Ziel des EU-Projekts nannte er: „Es ist ein Europa, das eine Stimme sein will für Frieden und Multilateralismus, ein starker Partner für eine gerechte und kooperative Weltordnung.“

Außenminister Joschka Fischer betonte die Bedeutung der EU für den Frieden. Die Balkan-Kriege in den 90er Jahren zeigten, dass die Gefahr eines Rückfalls in Krieg und Gewalt weiter bestehe. „Wer ein friedliches Europa will, muss Ja sagen zu einem erweiterten Europa, und wer ein erweitertes Europa will, muss Ja sagen zu dieser Verfassung.“ Die Ängste der Menschen vor den Folgen der Erweiterung hingen nicht mir der EU-Verfassung, sondern mit der Öffnung Osteuropas seit 1990 zusammen.

MERKEL ERNEUERT BEDENKEN GEGEN TÜRKEI-BEITRITT

Merkel sagte, die angekündigten Gegenstimmen aus der Unions-Fraktion stellten das Bekenntnis von CDU und CSU zu Europa nicht in Frage. Sie machte zugleich ihre Skepsis gegenüber einem EU-Beitritt der Türkei deutlich und warnte vor einer Überforderung der Gemeinschaft. Auch CSU-Chef Edmund Stoiber sagte mit Blick auf einen erhofften Wahlsieg im kommenden Jahr: „Wir werden alles tun – im Rahmen der legalen Mittel, die eine neue Regierung hat -, dass dieser Beitritt zur Vollmitgliedschaft niemals stattfinden wird.“

Stoiber betonte, es handele sich nicht um eine echte Verfassung, da die EU kein Staat sei und werden solle, sondern um einen Verfassungsvertrag. Er kritisierte, dass die EU darin nicht auf ihre Kernaufgaben beschränkt werde: „Die EU macht immer noch zu viel Überflüssiges und zu wenig Notwendiges“, sagte er. Mehrere Unions-Abgeordnete begründeten im Bundestag ihr Nein zur Verfassung mit einer übermäßigen Kompetenzverlagerung von den Mitgliedstaaten zur EU und mit dem fehlenden Gottesbezug in der Verfassung.

RECHTE VON BUNDESTAG UND BUNDESRAT IN EU-FRAGEN NEU GEREGELT

Der Bundestag verabschiedete mit breiter Mehrheit auch ein Begleitgesetz, das die Rolle von Bundestag und Bundesrat unter der neuen EU-Verfassung regeln soll. Dabei geht es unter anderem um mehr Kontroll- und Mitwirkungsrechte beider Kammern bei EU-Vorhaben, konkret etwa um die Informationspflicht der Regierung gegenüber beiden Kammern über EU-Projekte und die Beteiligung an der Ernennung von europäischen Richtern. Schröder und Merkel begrüßten die Einigung, die zwischen Koalition und Opposition in dieser Streitfrage erzielt worden war.

Die Verfassung kann erst in Kraft treten, wenn alle 25 EU-Staaten sie ratifiziert haben. Dazu stehen in einer Reihe von Ländern Parlamentsbeschlüsse oder schwierige Referenden aus. Besonders in Frankreich ist die Zustimmung zur Verfassung nach Umfragen offen. Mit der beschleunigten Ratifizierung bis zum 27. Mai will die Bundesregierung ein Signal nach Frankreich senden. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering äußerte die Hoffnung auf Zustimmung auch der Wähler in Frankreich: „Ich wünsche uns allen von Herzen, dass wir in diesem Mai 2005 von Deutschland und Frankreich, Europa ein gutes Signal geben.“ kra/ker /Reuters



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