Komiker gegen Schokoladenkönig – Stichwahl ums Präsidentenamt in der Ukraine

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Ukraine-Flagge.Foto: HStocks/iStock
Epoch Times18. April 2019

Bei der Stichwahl um das Präsidentenamt in der Ukraine stehen sich mit Wolodymyr Selenskyj und Petro Poroschenko am Sonntag zwei sehr unterschiedliche Männer gegenüber.

Wolodymyr Selenskyj: Ein „Clown“ greift nach der Macht

Es ist eine Szene, wie sie sich viele Ukrainer noch vor drei Wochen wohl nicht hätten träumen lassen: Der Schauspieler und Stand-Up-Komiker Wolodymyr Selenskyj geht die Treppe zum Elyséepalast hinauf, um dort mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron über den Krieg im Osten der Ukraine zu beraten. Nach seinem Erfolg mit mehr als 30 Prozent Unterstützung in der ersten Wahlrunde und aktuellen Umfragewerten von mehr als 70 Prozent scheint Selenskyj der große Favorit der Stichwahl zu sein.

Der 41-Jährige hat bereits Erfahrung als Präsident – in seiner eigenen Fernsehserie namens „Diener des Volkes“. Darin spielt er einen Lehrer, der unverhofft zum Präsidenten wird. Im echten Leben profitiert er von der Unterstützung derjenigen Wähler, die von der Korruption und der Wirtschaftskrise in der Ukraine frustriert sind.

Selenskyjs Anhänger hoffen, dass er frischen Wind in die ukrainische Politik bringt. Gegner kritisieren seinen Mangel an Erfahrung, vor allem angesichts des Konflikts mit Russland, sowie sein wenig konturiertes politisches Programm. Zudem wird Selenskyj vorgeworfen, hinter ihm stehe der umstrittene Geschäftsmann Igor Kolomojski – ein Erzfeind Poroschenkos.

Selenskyj weist den Vorwurf zurück. Kritik an seiner mangelnden Erfahrung begegnete er, indem er sich mit reformorientierten Beratern umgab und betonte, auch er stehe für eine Orientierung der Ukraine in Richtung Westen. Wahlkampfauftritte vermied Selenskyj, er verlegte sich stattdessen auf Auftritte seiner Komikertruppe sowie auf Videos in den sozialen Medien.

Selenskyj stammt aus der Industriestadt Krywy Rig, hat Jura studiert und ist Vater von zwei Kindern. Er stammt aus einer jüdischen Familie, hat aber betont, dass Religion für ihn Privatsache sei. Seine Kandidatur hatte Selenskyj medienwirksam am Silvesterabend bekanntgegeben: Ein privater Fernsehsender strahlte die Ankündigung anstelle der Neujahrsansprache von Präsident Petro Poroschenko aus. Das brachte Selenskyj den Vorwurf ein, er habe nicht genügend Respekt vor dem Staat.

„Als ich meine Kandidatur bekanntgegeben habe, haben sie mich als Clown bezeichnet“, sagte Selenskyj später in einem seiner zahlreichen Facebook-Videos. „Ich bin ein Clown, und ich bin sehr stolz darauf.“

Petro Poroschenko: Der „Schokoladenkönig“, der zum Kriegsherrn wurde

Der 53-jährige frühere Geschäftsmann Petro Poroschenko machte sein Vermögen in den Süßwarenindustrie und ist im eigenen Land daher als „Schokoladenkönig“ bekannt. 2014 wurde er zum Präsidenten gewählt, nachdem sein Vorgänger Viktor Janukowitsch nach Russland geflohen war. Poroschenko versprach damals, die allgegenwärtige Korruption zu bekämpfen und den bewaffneten Konflikt in der Ostukraine rasch zu beenden.

Die Annektion der Krim durch Russland, der bewaffnete Konflikt im Osten des Landes und ein extrem angespanntes Verhältnis zu Moskau – die Ukraine steckt derzeit in der schwersten Krise seit ihrer Unabhängigkeit. Andererseits ist es Poroschenko gelungen, die Verbindungen seines Landes zum Westen zu verstärken und große Reformen vor allem im Energie- und Bankensektor auf den Weg zu bringen.

Allerdings wurden nur wenige von ihm angeschobene Projekte auch zu Ende gebracht. Das betrifft anderem die Modernisierung der Justiz und den Kampf gegen die Korruption – ein Problem, das in der Ukraine besonders ausgeprägt ist. Noch immer schwelt der Ukraine-Konflikt weiter, fast 13.000 Menschen starben dabei bislang. Gegen das 2015 abgeschlossene Friedensabkommen von Minsk wird immer wieder verstoßen.

Vor seiner Wahl galt Poroschenko als einer der reichsten Männer des Landes. Das US-Magazin „Forbes“ führt ihn allerdings seit 2015 nicht mehr auf seiner Liste der Dollar-Milliardäre. In der Politik ist der vierfache Vater seit 1998. 2010 gehörte er zu den Mitgründern der prorussischen Partei von Viktor Janukowitsch. Später wechselte er die Lager und nahm eine proeuropäische Haltung an. Während der orangenen Revolution war er zeitweise ein Verbündeter von Julia Timoschenko.

Poroschenko ist orthodoxer Christ und gehörte lange einer Kirche an, die dem Moskauer Patriarchen unterstellt war. Später war er an der Erschaffung der Orthodoxen Kirche der Ukraine beteiligt, die nicht zum religiösen Einflussbereich Moskaus gehört. (afp)



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