Ökonom Raffelhüschen: Zuwanderung ist für Deutschland stets ein Minusgeschäft

Der Finanzfachmann Prof. Bernd Raffelhüschen bezweifelt, dass die unkontrollierte Massenzuwanderung die deutsche Wirtschaft und das Sozialversicherungssystem retten kann. Er sieht stattdessen das Gegenteil kommen.
Geflüchtete in einer Flüchtlingsunterkunft in Köln.
Geflüchtete in einer Flüchtlingsunterkunft in Köln.Foto: Henning Kaiser/dpa
Von 12. Januar 2024

Es gilt als Binsenweisheit: Deutschland braucht mehr Einwanderer, um angesichts der zu niedrigen Geburtenraten den Fachkräftemangel auszugleichen und die öffentlichen Kassen zu füllen. Doch die Rechnung geht keinesfalls auf, meint der Freiburger Finanzwissenschaftler Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen: Selbst bei schärferen Einwanderungsauflagen könne Migration die Lage bestenfalls etwas eindämmen. Eine Zuwanderung, wie sie hierzulande seit Jahren unkontrolliert ablaufe, werde die Löcher in den Sozialkassen jedenfalls auf keinen Fall verkleinern.

Im Gegenteil werde die Zuwanderung innerhalb von sechs Jahren gesamtwirtschaftlich sogar einen zusätzlichen Fehlbetrag von 5,8 Billionen Euro erwirken, wie Raffelhüschen gegenüber der „Bild“ erklärt hatte. Diese Zahl hatte sich aus der modellbasierten Studie „Ehrbarer Staat? Fokus Migration“ ergeben, die der Ökonom zusammen mit Stefan Seuffert und Florian Wimmesberger für die Stiftung Marktwirtschaft in Berlin durchgeführt hatte. Raffelhüschen ist neben dem Sozialforscher Prof. Dr. Michael Eilfort Vorstandsmitglied des marktliberalen Thinktanks.

5,8 Milliarden Euro Miese als „Preis der Zuwanderung“

Bereits heute besteht laut Raffelhüschens Modelluntersuchung (PDF-Datei) eine riesige „Nachhaltigkeitslücke“ – also ein Fehlbetrag zwischen jenen Summen, die die Deutschen für Steuern und Sozialabgaben aufbringen müssten, und den Geldern, die ihnen jetzt und in Zukunft beispielsweise für den Ruhestand oder die Pflege im Alter rechtmäßig zustünden. Seinen Berechnungen nach würde diese Lücke aktuell 13,4 Billionen Euro oder 347,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entsprechen.

Falls die Politik fortfahre, wie zuletzt 2023 jedes Jahr rund 300.000 Migranten aufzunehmen, werde diese Lücke laut „Bild“ auf 19,2 Billionen – also 19.200 Milliarden Euro – anwachsen (497,1 Prozent des BIP). Denn die häufig weniger gut ausgebildeten Zugereisten könnten die Solidarkassen im Schnitt deutlich weniger üppig bedienen als die Deutschen. Die Differenz von 5,8 Billionen schlage sich als „Preis der Zuwanderung in unserem bisherigen System“ nieder.

Der Freiburger Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen warnt seit Jahren vor dem Zusammenbruch des deutschen Sozialversicherungssystems. Foto: Screenshot/YouTube

Drei Szenarien für eine gezieltere Migrationspolitik

Raffelhüschen und seine Co-Autoren hatten zusätzlich zum Status quo des „Weiter-so“ und zur gegenläufigen hypothetischen Annahme, dass die Grenzen augenblicklich völlig dichtgemacht würden, drei Modellszenarien entworfen, um die gesamtwirtschaftlichen Effekte der Migration auf die Sozialversicherungskassen vorauszusagen.

Für diese drei Szenarien waren die Wissenschaftler davon ausgegangen, dass jedes Jahr grundsätzlich 293.000 Migranten nach Deutschland kommen, die im Schnitt sechs Jahre zur Integration in den Arbeitsmarkt benötigen. Zudem nahmen sie an, dass auch Einwanderer der Zukunft „die heutigen durchschnittlichen Pro-Kopf-Zahlungen der im Inland lebenden Ausländer und Ausländerinnen“ beisteuern.

Option 1: „Verbesserung der Qualifikationsstruktur“

Für das erste Alternativszenario entwarfen Raffelhüschen et al. ein Deutschland, in dem die Regierung darauf bestehen würde, dass wenigstens die Hälfte der jährlich 293.000 Zuwanderer ein abgeschlossenes Studium oder einen Berufsabschluss mitbringen würde. Die Nachhaltigkeitslücke würde dann auf immerhin 433,1 Prozent des BIP steigen. Das würde immer noch 3,3 Milliarden mehr kosten als der komplette Verzicht auf Zuwanderung.

Option 2: Förderung zusätzlicher Arbeitsmigration

Wenn es stattdessen jedes Jahr gelänge, zusätzlich zu den ohnehin 293.000 Einreisenden weitere 109.000 Migranten mit Berufsqualifikation aufzunehmen, würde sich die Nachhaltigkeitslücke dagegen auf 457,6 Prozent des BIP erweitern. Das würde wiederum Mehrkosten von 4,25 Billionen Euro bedeuten.

Option 3: Bessere Qualifikationsstruktur plus mehr Migration

Eine Kombination der beiden Optionen 2 und 3 würde nach Raffelhüschens Berechnungen die Nachhaltigkeitslücke zwar nur um 22 BIP-Prozentpunkte steigen lassen, das würde aber immer noch Zusatzbelastungen in Höhe von „nur“ gut 800 Milliarden Euro für das Steuer- und Sozialsystem bedeuten.

Nachhaltigkeitslücken in den Szenarien der Migrationssteuerung nach einer Studie von Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen

Nachhaltigkeitslücken in den Szenarien der Migrationssteuerung nach einer Studie von Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen. Foto: Bildschirmfoto/Stiftung Marktwirtschaft

Unter dem Strich habe seine Studie ergeben, „dass die negative fiskalische Bilanz der Zuwanderung insbesondere auf die ungesteuerte und irreguläre Migration zurückzuführen ist“, schrieb Raffelhüschen in seiner Studie. Die „Bild“ formulierte es anders: „Gesamtwirtschaftlich wäre Deutschlands Wohlstand, unsere soziale Sicherheit OHNE Zuwanderung besser gesichert als mit der klügsten Migrations-Politik [sic].“

Den Hauptgrund für die in allen Studienszenarien negative Bilanz der Migration sieht Raffelhüschen allerdings weniger in der Zuwanderung per se. Es liege vielmehr daran, „dass der deutsche Staat insgesamt nicht nachhaltig aufgestellt“ sei, „sondern seinen Bürgern mehr Leistungen verspricht als sie über ihren Lebenszyklus finanzieren“. Insofern bedürfe es einer Reform der Sozialversicherungssysteme:

Das bedeutet, dass selbst eine erfolgreiche Migrationspolitik eine Anpassung der staatlichen Leistungen – insbesondere der altersspezifischen Sozialausgaben – nicht ersetzen kann. Der Sozialstaat ist in seiner jetzigen Form sowohl für die in Deutschland lebende Bevölkerung als auch für Zuwanderer auf Dauer nicht bezahlbar.“

Das Onlineportal „finanzen.net“ wies darauf hin, dass Raffelhüschens Darstellung sich lediglich „auf die direkten Auswirkungen der Einwanderung auf die Sozialkassen“ beschränke, die „negativen Effekte ausbleibender Migration für die Arbeitsmärkte und damit auch den Fiskus“ aber nicht berücksichtige. Zudem sei der Freiburger Sozialversicherungsexperte dafür bekannt, dass er „seit Jahren […] die implizite Staatsschuld im Rahmen der gesetzlichen Sozialversicherung“ anprangere und sich „für eine ergänzende kapitalmarktbasierte Rente“ starkmache.

Das „Bruttoinlandsprodukt“ Deutschlands hatte laut „Statista“ 2022 bei knapp 3,9 Billionen Euro gelegen. Nach Ansicht des Wirtschaftsforschungsinstituts IMK könnte das BIP 2024 um 0,3 Prozent schrumpfen.

Deutschland: Neuer Rekord an Zuwanderungen im Jahr 2022

Innerhalb der EU nimmt Deutschland mit Abstand die meisten anerkannten Schutzsuchenden auf. Ende 2022 lag die Zahl laut „Statista“ bei insgesamt über zwei Millionen. Dahinter folgte Polen mit gut 971.000 Aufnahmen.

Allein im Jahr 2022 hatte Deutschland eine Nettozuwanderung von 1,46 Millionen Menschen zu verkraften. Das ist die bislang höchste Zahl seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1950.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion