Vier Wochen warten auf den schwarz-roten Koalitionsvertrag für Berlin

Kai Wegner (CDU), der wahrscheinlich nächste Regierende Bürgermeister von Berlin, will den Koalitionsvertrag mit der SPD möglichst noch im März vorlegen. Falls die SPD-Basis zustimmt, könnte die schwarz-rote GroKo vielleicht schon im April mit ihrer Arbeit beginnen.
CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner.
Kai Wegner (CD), der designierte Regierende Bürgermeister Berlins, will den Koalitionsvertrag für die GroKo möglichst noch im März vorlegen.Foto: Fabian Sommer/dpa
Von 3. März 2023

Der CDU-Landesvorstand Berlin hat am Abend des 2. März wie erwartet zugestimmt, Koalitionsgespräche mit der Berliner SPD zu führen. Nun will der wahrscheinliche neue Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) für eine schnelle Einigung mit den Sozialdemokraten sorgen.

„Wir haben uns einen sehr straffen Zeitrahmen gesetzt. Wir haben gesagt, wir wollen in vier Wochen fertig sein“, erklärte Wegner am Abend des 2. März in einem Auftritt bei „Welt“ (Video auf YouTube). Der schwarz-rote Koalitionsvertrag solle Ende März fertig sein, mit der Regierungsarbeit könnte dann Ende April oder Anfang Mai begonnen werden.

SPD-Basis soll Koalitionspapier zustimmen

Dazwischen aber müsse man noch die Erlaubnis der SPD-Basis per Mitgliederbefragung einholen. Diese Hürde war von der SPD-Sondierungskommission empfohlen worden. Nach Informationen von n-tv unterstützt Giffey das Vorhaben. Wegner geht davon aus, dass der Koalitionsvertrag „zu hundert Prozent“ den Segen der SPD-Mitglieder erhalten wird, „da wir gemeinsam Verantwortung für diese Stadt haben“.

Einige Kreisverbände und vor allem die Berliner Jusos werden sich allerdings wohl gegen das Koalitionspapier aussprechen, ganz gleich, was darin enthalten sein wird. „Was jetzt folgen wird und muss, ist die größte parteiinterne Kampagne, die die @spdberlin je gesehen hat“, heißt es auf dem Twitter-Account der Jungsozialisten. Und: „Die CDU passt nicht zu Berlin und nicht zur SPD. Wir werden uns jeder Bestrebung, eine Koalition mit der CDU zu bilden, entgegenstellen.“

Viel zu tun für die GroKo

Kai Wegner kündigte im „Welt“-Interview unterdessen an, dass am Montag, 6. März, Arbeitsgruppen eingesetzt werden sollen, um den gemeinsamen Koalitionsvertrag zu entwerfen.

Zu den inhaltlich dringendsten Aufgaben der GroKo wird es nach Angaben von Wegner gehören, die Verwaltung auf Vordermann zu bringen, die Bildungssituation zu verbessern, die Stadt sicherer zu machen und eine „Verkehrspolitik für alle“ umzusetzen. „Wir haben enorm viele große Baustellen“, sagte Wegner. So wolle er beispielsweise mit den Anrainern und Geschäftsleuten im Bezirk Mitte eine „Zukunftswerkstatt“ auf die Beine stellen, um über die verkehrspolitische Zukunft zu sprechen – besonders in der Friedrichstraße und am Gendarmenmarkt.

Giffey: „Notwendig, um Berlin voranzubringen“

Die amtierende Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey, zugleich Vorsitzende des Berliner SPD-Landesverbands, hatte sich zum Erstaunen ihrer bisherigen grünen und linken Koalitionspartner diesmal für eine Kooperation mit den Christdemokraten um Kai Wegner entschieden. Im sozialen Netzwerk Twitter nannte sie am Donnerstag Abend noch einmal ihre Gründe:

Ohne entscheidende Veränderungen im politischen Kurs + der Zusammenarbeit, wird es nicht die Verbesserungen geben, die notwendig sind, um Berlin voranzubringen“.

Die CDU habe „mit Abstand gewonnen“, die bisherige Koalition habe 250.000 Stimmen verloren, stellte Giffey fest. „Ein mögliches Zweierbündnis stärkt die Gestaltungsmöglichkeiten der Koalitionspartner + sorgt für mehr Stabilität“. Nun bestehe die Möglichkeit, „dass die SPD weiter entscheidend mitgestalten kann und sich weiter für eine soziale, bezahlbare und gerechte Stadt einsetzt“. Sie selbst sei bereit, aus „Verantwortung“ für die Stadt ihren „Beitrag zu leisten, […] auch wenn das mit dem Verlust meines Amtes einhergeht“.

Am Freitagmorgen legte Giffey nach: „Ich bin fest davon überzeugt, dass der Weg, den wir jetzt gehen, der Beste für #Berlin und die SPD ist.“

Enttäuschte Anhänger

Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten: „Ich finde es vor allem den hunderten SPD-Mitgliedern mit Migrationsgeschichte, welche Wochenlang auf der Straße für dich Wahlkampf gemacht haben, eine absolute Respektlosigkeit gegenüber, mit solchen Rassist*innen zu koalieren“, antwortete beispielsweise der Twitterer Leo Schneider. „Brokkoli Mann“ schrieb von einer „Schande für die Sozialdemokratie“.

„Hauptsache, ich darf weiter am Trog bleiben!“, legte der Twitterer „Bob Dobosh“ der mutmaßlichen künftigen „Super-Senatorin“ in den Mund. „littlefairworld“ lenkte den Blick auf die bundespolitischen Auswirkungen einer künftigen CDU-SPD-Landesregierung: „Und was ist mit dem Bundesrat? Kommt dann noch irgendwas von den Ampelvorhaben durch? Oder scheißt man mal wieder auf Minderheitenrechte? Die CDU als traditionell homophobe Partei wird mit Sicherheit nichts durchwinken. Mir solchen Leuten koaliert man nicht“.

Bereits im „Tagesspiegel“-Interview hatte sich Giffey bemüht, ihre enttäuschten Anhänger zu besänftigen:

Wir brauchen Verbesserungen in essenziellen Bereichen. Dazu zählt der Wohnungsbau, die funktionierende Stadt, eine Verkehrspolitik, die auf Ausgleich setzt, und innere Sicherheit. Wir haben uns auch im letzten Jahr bemüht, auf diesen Feldern viel zu erreichen. Für die Zukunft müssen wir das noch konsequenter angehen. Wir haben sehr ernsthaft abgewogen, mit welchem Partner das am besten gelingen kann. Und wir haben festgestellt, dass die Aussichten auf Umsetzung mit der CDU besser sind.“ Im künftigen Zweierbündnis sei es wichtig, „dass man es schafft, auf Augenhöhe miteinander zu arbeiten“, sagte Giffey dem „Tagesspiegel“.

Giffey war nach der Wahl im Dezember 2021 Regierende Bürgermeisterin geworden. Da die Wahl am 26. September 2021 aber nicht regelgerecht abgelaufen war, wurden die Berliner am 12. Februar 2023 erneut an die Urnen gerufen. Die Wiederholungswahl kostet Giffey nun ihr Amt.

22 Jahre Warten

Sollte es am Ende nach den Koalitionsverhandlungen und auch mit der SPD-Basis klappen, wäre eine lange Durststrecke für die CDU Berlin nach 22 Jahren zu Ende. Zuletzt hatte mit Eberhard Diepgen 2001 ein Christdemokrat an der Spitze des Landes gestanden. Diepgen hatte zwischen 1984 und 1989 und noch einmal von 1991 bis 2001 das Amt des Regierenden Bürgermeisters inne. Auf ihn folgten die Sozialdemokraten Klaus Wowereit (2001–2014), Michael Müller (2014–2021) und zuletzt Franziska Giffey. Nun also kommt höchstwahrscheinlich Kai Wegner. Grüne und Linke in Berlin müssen sich wohl einige Jahre lang mit der Oppositionsrolle zufriedengeben.

Kopf-an-Kopf-Rennen von SPD und Grünen

Nach dem 12. Februar hatte es 15 Tage gedauert, bis am 27. Februar das amtliche Endergebnis der Wiederholungswahlzum Abgeordnetenhaus endlich vorlag. Denn es hatte erneut Unregelmäßigkeiten bei der Stimmenzählung in den Wahllokalen gegeben. Inzwischen aber steht fest, dass ein knapper Vorsprung von 53 Zweitstimmen den Ausschlag für die SPD als zweitstärkste Kraft gab. Für die Grünen bedeutete das Ergebnis das schlechteste Abschneiden in Berlin seit ihrem Bestehen.

  • CDU: 28,2 Prozent (52 Sitze, 428.228 Stimmen)
  • SPD: 18,4 Prozent (34 Sitze, 279.017 Stimmen)
  • Grüne: 18,4 Prozent (34 Sitze, 278.964 Stimmen)
  • Linke: 12,2 Prozent (22 Sitze, 185.119 Stimmen)
  • AfD: 9,1 Prozent (17 Sitze, 137.871 Stimmen)
  • FDP: 4,6 Prozent (70.416 Stimmen, nicht mehr im Parlament vertreten)

[Mit Informationen aus Agenturen]



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion