Airlines verlieren Millionenprozess gegen Lotsengewerkschaft

Grundsatzurteil: Fluggesellschaften können die Gewerkschaft für Flüge, die wegen Streiks ausfielen oder gestrichen wurden, nicht mit Millionenbeträgen haftbar machen - selbst wenn ein Arbeitskampf rechtlich fraglich ist.
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Fluggesellschaften können die Gewerkschaft für Flüge, die wegen Streiks ausfielen oder gestrichen wurden, nicht mit Millionenbeträgen haftbar machen.Foto: Fredrik Von Erichsen/dpa
Epoch Times25. August 2015

Der Chef der kleinen Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF), Matthias Maas, erhält am Dienstag in Erfurt Rückendeckung von den höchsten deutschen Arbeitsrichtern für umstrittene Lotsenstreiks.

Das Urteil: Fluggesellschaften können die Gewerkschaft für Flüge, die wegen Streiks ausfielen oder gestrichen wurden, nicht mit Millionenbeträgen haftbar machen – selbst wenn ein Arbeitskampf rechtlich fraglich ist.

Das Grundsatzurteil, wonach es in der Regel keine Schadenersatzansprüche Dritter bei Streiks gibt, hat weitreichende Konsequenzen – auch für Folgekosten zum Beispiel durch geschlossene Kitas oder ausgefallene Züge.

Worum ging es bei den beiden Verfahren am Bundesarbeitsgericht?

Fluggesellschaften und die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) treffen sich seit Jahren vor Arbeitsgerichten. Nun hatte die höchste Instanz zu entscheiden, ob die Gewerkschaft für indirekte Folgen eines nach Ansicht der Fluggesellschaften rechtswidrigen Arbeitskampfes haftbar gemacht werden kann.

Lufthansa, Air Berlin, TUIfly, Germanwings und Ryanair machten als Kläger nach Angaben des Bundesarbeitsgericht insgesamt einen finanziellen Schaden von rund 3,2 Millionen Euro geltend.

Was war Auslöser für den Rechtsstreit?

Bei den verhandelten Fällen ging es um die finanziellen Folgen eines gut fünfstündigen Unterstützungsstreiks 2009 am Flughafen Stuttgart sowie Streikankündigungen 2011 an Airports bundesweit.

In den Tarifauseinandersetzungen mit der Flughafen Stuttgart GmbH und der Deutschen Flugsicherung GmbH wollte die GdF mehr Geld für Vorfeld- und Fluglotsen durchsetzen.

In Stuttgart fielen wegen des Unterstützungsstreiks der Fluglotsen für die Vorfeldmannschaft 36 Flüge aus. 2011 blieb es bei der Streikankündigung der GdF – die Airlines hatten jedoch bereits Flüge abgesagt und Passagiere umgebucht.

Was haben die höchsten deutschen Arbeitsrichter nun entschieden?

Die Luftfahrtgesellschaften, die unter anderem vom Fluglotsenstreik am 6. April 2009 am Stuttgarter Flughafen betroffen waren, „haben gegen die streikführende Gewerkschaft keine Schadenersatzansprüche wegen ausgefallener, verspäteter oder umgeleiteter Flüge“, heißt es in der Entscheidung des Ersten Senats.

Die Richter verneinten eine Eigentumsverletzung durch eine erhebliche Nutzungsbeeinträchtigung der Flugzeuge sowie einen Eingriff in den Gewerbebetrieb der Airlines.

Warum ist von einem Grundsatzurteil die Rede?

Erstmals beschäftigte sich das Bundesarbeitsgericht mit der Frage, ob Unternehmen, die nicht selbst bestreikt werden, Schadenersatz für Streikfolgekosten verlangen können – wenn es Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Arbeitskampfes gibt.

Es ging also um den Anspruch Unbeteiligter, den die Richter verneinten – in diesem Fall bei ausgefallenen Flügen. Die Frage stellt sich aber auch bei geschlossenen Kitas, lahmgelegten Eisenbahnverbindungen oder liegengebliebenen Zulieferteilen. Es sei kaum vermeidbar, dass bei Streiks auch Dritte Nachteile erlitten, argumentierte GdF-Chef Maas.

Was sagen Fachleute zu der Entscheidung?

Letztlich hätten die Bundesrichter entschieden, dass das finanzielle Risiko von Gewerkschaften, die zu Arbeitsniederlegungen aufrufen, nicht steigt, sagte der Bremer Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler.

Sie hätten damit ein „enormes Schadenersatzrisiko“ von den Gewerkschaften genommen, das im schlimmsten Fall deren Existenz gefährdet hätte. „Richter haben ein Gespür dafür, was man machen kann und was nicht“, betonte Däubler.

Wie ist die bisherige Rechtsprechung?

Däubler, Rechtsprofessor an der Universität Bremen, verweist auf den seit mehr als 100 Jahren geltenden zivilrechtlichen Grundsatz, nach dem nur der unmittelbar Betroffene Schadenersatz erhält.

Ein bei einem Verkehrsunfall verletzter Geschäftsführer einer Firma könne auch nur seine Gesundheitskosten und nicht den Schaden durch einen möglicherweise entgangenen Auftrag in Rechnung stellen.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) haben nur rechtswidrig bestreikte Arbeitgeber Schadenersatzansprüche gegen die streikführende Gewerkschaft.

„Das ist unstrittig“, sagte BAG-Sprecher Waldemar Reinfelder. Ein entsprechendes Urteil von 2002 führte beispielsweise dazu, dass die Gewerkschaft Verdi Schadenersatz in Millionenhöhe an die Stadtwerke Bonn zahlte. Ihr Streik war in allen Instanzen als unrechtmäßig bewertet worden. (dpa/ks)



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