Amerikas Höhenflug und Deutschlands Abstieg

Im ZDF-Sommerinterview betonte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Deutschlands angeblich guten wirtschaftlichen Kurs. Die Realität sieht allerdings ganz anders aus: Während die USA im Moment einen wirtschaftlichen Aufschwung erleben, wird Deutschland immer weiter abgehängt. Die Kluft könnte sogar noch tiefer werden. Eine Analyse.
Bundeskanzler Olaf Scholz (r) reist zum zweiten Mal seit seinem Amtsantritt zu US-Präsident Joe Biden nach Washington.
Archivbild: Bundeskanzler Olaf Scholz im Gespräch mit US-Präsident Joe Biden.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 15. August 2023

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Am vergangenen Sonntag lud das ZDF Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum Sommerinterview ein. Wäre die Bundesregierung ein Ruderboot, dann wäre Scholz derjenige, der für die Geschwindigkeit sorge. So zumindest die Selbsteinschätzung des Kanzlers.

Angesprochen auf die Wirtschaft, sieht Scholz Deutschland – entgegen der Meinung vieler Experten – auf einem guten Kurs. Hersteller würden im Moment riesige Summen in ihre Produkte investieren. Als Beispiele nennt der Bundeskanzler die Chipindustrie. In Magdeburg gebe es „die größte Direktinvestition in der Geschichte Europas.“ Olaf Scholz meint damit die geplante Halbleiterfabrik von Intel. Auch in Dresden will der weltgrößte Chipkonzern TSMC eine Halbleiterfabrik errichten. Von 2.000 Arbeitsplätzen ist die Rede, die in der sächsischen Landeshauptstadt entstehen sollen. Die Botschaft, die Olaf Scholz aus seinem Wahlkreis Potsdam am Sonntagabend in die Welt schickt, ist unmissverständlich: In Deutschland läuft es!

Effekte der Subvention werden kritisch gesehen

Man spürt in diesem Moment die Verwunderung von Moderator Theo Koll, als der Bundeskanzler zur Lobhudelei auf die Wirtschaftspolitik der Ampel anhebt. Gerade die von Scholz selbst gewählten Beispiele aus der Chipindustrie werden von Experten kritisch gesehen, da hinter dem Engagement der Hersteller auch gleichzeitig hohe Subventionszusagen der Politik stehen. Die Ansiedlung von Intel in Magdeburg lässt sich der Bund zehn Milliarden Euro an Subventionen kosten. TSMC in Dresden subventioniert der Staat mit fünf Milliarden Euro.

Wirtschaftswissenschaftler sehen die milliardenschwere Förderung der Chipindustrie in Deutschland kritisch. Skeptisch schauen sie auch auf die von der Politik versprochenen Effekte für die Wirtschaft. Diese halten sie schlicht für überzogen. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht die Subventionen als Wette auf die Zukunft. Die lohne sich nur, wenn es auch einen Impuls für die gesamte regionale Wirtschaft gebe, sagte Marcel Fratzscher im „Tagesspiegel“.

Dass Bundeskanzler Scholz die Wirtschaft im Sommerinterview „auf gutem Kurs“ sieht, hält einem Realitätscheck kaum stand: Deutschland wird gerade wirtschaftlich abgehängt. Es sind die USA, die immer mehr Fahrt aufnehmen und im Sauseschritt davoneilen. Das Land lockt gerade mit Milliardeninvestitionen zukunftsträchtige Unternehmen an. Das Konzept von US-Präsident Joe Biden, über Milliardenschulden die Wirtschaft anzukurbeln, scheint zumindest für den Moment aufzugehen. Während in Deutschland die Angst vor der Deindustrialisierung umgeht und die Deutschen pessimistisch in die Zukunft schauen, herrscht in den USA eine große Euphorie.

Amerikanische Wirtschaft wächst schneller als deutsche

In Deutschland hat man sich angewöhnt, einen mitleidigen Blick auf Amerika zu werfen. Die deutsche Hybris sieht in den USA lediglich ein Land, dem seine Mittelschicht und seine Zuversicht abhandengekommen sind, tief gespalten und hoffnungslos überschuldet.

Der Abgesang auf die USA, der immer wieder in der deutschen Öffentlichkeit angestimmt wird, ist allerdings völlig verfrüht. Schon 2020 brachte der Ökonom Michael Strain ein Buch unter dem Titel „The American Dream is Not Dead“ auf den Markt. Strain arbeitet für das American Enterprice Institut, einem konservativen Thinktank in Washington. In seinem Buch negierte er die Probleme seines Landes nicht, führte aber auch Dinge ins Feld, die schon damals hellhörig machten. Für einen Großteil der Amerikaner verbessern sich die Lebensumstände permanent, so der Ökonom vor drei Jahren. Seit September 2010 schaffe die amerikanische Wirtschaft Monat für Monat mehr Stellen, als verloren gehen. Im Schnitt betrug der Zuwachs damals 200.000 Jobs pro Monat.

Bis heute wächst die amerikanische Wirtschaft schneller als in Deutschland. Das Land wirkt im Moment hochdynamisch und lässt nicht nur Deutschland, sondern auch Europa hinter sich. Ende Juli warnte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im „Handelsblatt“: „Die USA gehen mit massiv Geld rein und investieren. Deutschland darf sich hier nicht an den Spielfeldrand drängen lassen.“

Trotz der Angriffe aus China und anderer sogenannter BRICS-Staaten auf den US-Dollar ist die Dominanz der US-Währung im Welthandel ungebrochen. Auch die Innovationskraft der Konzerne im Silicon Valley ist in Europa unerreicht. Eine Zahl macht das deutlich: Allein die amerikanische Softwarefirma Microsoft ist mit 2,63 Billionen US-Dollar mehr als doppelt so viel wert wie alle 40 DAX-Konzerne zusammengerechnet.

Traditionsbranchen kaum Wachstumsmotoren

Deutschland ist in den traditionellen Branchen wie Automobil, Maschinenbau, chemische Industrie und Elektroindustrie stark. Diesen Branchen werden aber, abgesehen von Sonderkonjunktureffekten, keine besonders hohen Wachstumschancen mehr eingeräumt. Das Beratungsunternehmen Deloitte hat in seiner Studie „Perspektiven 2030: Wachstumschancen für Deutschland“ festgestellt, dass in Zukunft Demografie, Digitalisierung und Klimawandel als die großen Herausforderungen das Wirtschaftswachstum in Deutschland beeinflussen werden. „Wenn Politik und Unternehmen in diesen Themenfeldern ihre Bemühungen gegenüber dem Status quo nicht verstärken, könnte dies das Wachstum empfindlich bremsen.“, so die Prognose der Berater.

Tatsächlich haben amerikanische Unternehmen die Digitalisierung besser genutzt. Mit dem Boom von Künstlicher Intelligenz (KI) droht der Graben zwischen den USA und Deutschland noch tiefer zu werden. Führend in diesem Bereich sind im Moment Microsoft, Alphabet, Meta und NVIDIA – alle US-Unternehmen. Allein die Chinesen können noch mit den USA konkurrieren. Deutsche oder europäische Firmen spielen praktisch keine Rolle.

Die Zukunftsaussichten für Europa in diesem Bereich sind düster. Die Brüsseler Denkfabrik „European Centre for International Political Economy (ECIPE)“ schreibt in einer aktuellen Analyse: Wenn der derzeitige ökonomische Trend anhält, „wird das Wohlstandsgefälle zwischen dem Durchschnittseuropäer und dem Durchschnittsamerikaner im Jahr 2035 genauso groß sein wie zwischen dem Durchschnittseuropäer und dem Durchschnittsinder heute“.

Berücksichtigt man die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten, die in den USA etwas höher sind, dann war 2008 die US-Wirtschaft 15 Prozent größer als die europäische. Inzwischen beträgt der Unterschied laut der ECIPE-Analyse 31 Prozent.

Deutschland geht angeschlagen in ein Jahrzehnt der Umbrüche

Deutschland war bisher das ökonomisch erfolgreichste und wichtigste Land in Europa. Nun taumelt das Land und geht angeschlagen in ein Jahrzehnt der Umbrüche. Das im Sommerinterview von Bundeskanzler Scholz versprochene neue Wirtschaftswunder ist nirgendwo in Sicht. Während die USA im Moment auf der Überholspur sind, ist Deutschland im Abstiegskampf.

Selbst die eigene Industrie investiert lieber im Ausland als in Deutschland. So kündigte im März der BASF-Konzern an, eine Düngerfabrik in Ludwigshafen zu schließen. In China errichtet der Konzern hingegen für zehn Milliarden Euro ein neues Werk. In Ludwigshafen gehen gut 2.600 Arbeitsplätze verloren.

Die Autoindustrie – über Jahrhunderte die deutsche Musterbranche – schwächelt seit Jahren. Zwar verzeichnen VW, Mercedes und BMW immer noch gute Umsätze, ihren Profit machen sie aber größtenteils mit dem Verbrennungsmotor. Dieser steht jedoch absehbar vor dem Aus. Auf dem schnell wachsenden Markt der Elektroautos geben US-Unternehmen wie Tesla oder chinesische Firmen wie Geely oder BYD den Ton an.

Billionenschwere Investitionen in den USA

Seitdem Biden sein Subventionsprogramm unter dem Namen „Inflation Reduction Act“ (IRA) ausgerufen hat, fließen fast 190 Milliarden US-Dollar in die Fertigung. In den nächsten Jahren könnten für saubere Energieprojekte allein drei Billionen US-Dollar an Investitionen fließen. Die Analysten von Goldman Sachs schätzen sogar, dass bis 2050 elf Billionen US-Dollar mobilisiert werden könnten. Wo einst die Schwerindustrie im „Rust Belt“ der USA verkümmerte, beleben nun Ausläufer eines „Batterya Belt“, also die Investition in Elektromobilität als Zukunftstechnologie, die einst abgehängten Regionen.

Es sind aber nicht nur Subventionen, die im Moment für Amerika als Ansiedlungsstandort sprechen. Energie ist in den USA im Gegensatz zu Deutschland günstig. Die amerikanischen Kapitalmärkte leiten Geld an innovative Firmen. Mit dieser Politik können Start-ups innerhalb weniger Jahre zu Weltkonzernen heranwachsen. In Deutschland sind solche Erfolgsgeschichten heute mit der Lupe zu suchen.

Die Daten sprechen für die USA: Seit dem Ausbruch der Pandemie ist die US-Wirtschaft um 5,4 Prozent gewachsen, während das Wachstum in den übrigen G7-Staaten durchschnittlich nur 1,3 Prozent betrug.

Es sind inzwischen die Amerikaner, die mitleidig auf Deutschland schauen. Das US-Portal „Politico“ schrieb kürzlich im Hinblick auf Deutschland vom „Rostgürtel am Rhein“.

In den USA herrscht ein klarer wirtschaftspolitischer Plan. Der deutsche Bundeskanzler hingegen fabuliert vom Wachstum wie zu Zeiten des „Wirtschaftswunders“, während Deutschland gerade abgehängt wird.



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