Preisverfall am Immobilienmarkt: Neben hohen Zinsen und Inflation gibt es politische Ursachen

Nach fünfzehn Jahren kontinuierlichen Wachstums am Immobilienmarkt erlebt Deutschland einen abrupten Wertverlust. Der einstige Boom ist zu Ende und Experten sind sich einig, dass höhere Zinsen und Inflation nicht allein für diesen Abschwung verantwortlich sind.
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Preise für Wohnimmobilien sind im vergangenen Jahr im Rekordtempo gefallen.Foto: über dts Nachrichtenagentur
Von 23. März 2024

Deutschlands größter Wohnimmobilienkonzern Vonovia ist 2023 tief in die Verlustzone geraten. Unter dem Strich stand ein Verlust von fast 6,8 Milliarden Euro, wie der Konzern Mitte März meldete. Noch im Vorjahr hatte Vonovia einen Fehlbetrag von rund 669 Millionen Euro verbucht. Der Wert des Vermietungsportfolios lag Ende Dezember 2023 bei rund 83,9 Milliarden Euro. Ein Jahr zuvor hatte Vonovia die Immobilien noch mit 94,7 Milliarden Euro bewertet.

Die Immobilienwirtschaft kämpft mit den Folgen der hohen Zinsen und der explodierenden Baukosten. Es werden kaum noch neue Wohnungen gebaut, die Immobilienpreise sinken.

Hinzu kommt, dass es über lange Zeit kaum noch größere Transaktionen gab – viele Marktteilnehmer können daher nur schwer bewerten, was die Immobilienbestände in ihren Büchern wirklich wert sind. Das schürt weitere Unsicherheit. Allerdings sind nicht nur die hohe Inflation und die hohen Zinsen die Ursachen für den Wertverlust der Immobilien in Deutschland. 

Stärkster Rückgang seit 24 Jahren

Am vergangenen Donnerstag, 22. März, veröffentlichte das Bundesamt für Statistik den Bau- und Immobilienpreisindex für 2023. Das Ergebnis: Die Preise für Wohnimmobilien sind im letzten Jahr im Rekordtempo gefallen. Sie gaben um durchschnittlich 8,4 Prozent im Vergleich zu 2022 nach. 

Das ist der stärkste Rückgang seit dem Jahr 2000 und zugleich der erste seit 2007. „Von 2008 bis 2022 waren die Wohnimmobilienpreise im Jahresdurchschnitt kontinuierlich gestiegen“, schreiben die Statistiker. 

Diese Entwicklung dürfte allerdings nicht überraschend kommen. Seit 2021, also vor dem Beginn des Krieges in der Ukraine, zog die Inflation im Euroraum an. Lag die Inflation im Januar 2021 noch bei 1,0 Prozent, stieg sie im Dezember 2021 schon auf 5,3 Prozent. Die Europäische Zentralbank (EZB)  versuchte damals, den Anstieg als vorübergehendes Phänomen abzutun.

Nachdem sich die Prognose eines vorübergehenden Phänomens als ein Fehlurteil erwiesen hatte, reagierte die EZB umso schärfer. Zwischen Juni 2022 und September 2023 stieg der Leitzinssatz im Euroraum auf 4,5 Prozent. Das verteuerte die Finanzierung von Immobilien plötzlich enorm. 

Wer sich für eine Immobilie interessierte, bekam mit einem Mal für die Monatsrate, die für Zins und Tilgungen aufgebracht werden musste, eine deutlich geringere Darlehenssumme. Nur wenige konnten sich noch Immobilien leisten. Die Preise am Markt gerieten unter Druck. Die zunehmende Inflation wirkte sich auch auf die Kaufkraft aus, die nun permanent abnahm. Kaufinteressenten stellten sich die Frage, ob sie sich tatsächlich eine Wohnimmobilie leisten können.

Unter diesem Aspekt sind die Zahlen des Bundesamtes für Statistik nachzuvollziehen. Das Bundesamt beleuchtet aber einen anderen Aspekt nicht, der nicht unter den Tisch gekehrt werden kann: Die vielen Eingriffe in den Markt haben durchaus auch ihren Anteil an der jetzigen Situation. 

Preisverfall auch durch Eingriffe in den Markt

Im vergangenen Jahr waren es vor allem zwei politische Vorhaben, die Einfluss auf den Markt genommen haben. Diese Beschlüsse sorgten für eine Entwertung des Gebäudebestands. Kaufinteressenten, die sich für eine sanierungsbedürftige Immobilie interessierten, glaubten nun, dass diese preisgünstiger verkauft werden müsste. Die Sanierung, so das Argument, sei verteuert worden. Daher müsse der Käufer dem Kaufinteressenten im Preis entgegenkommen. 

Der erste Beschluss, der einen Anteil am Preisverfall hatte, war die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG), das seit Anfang dieses Jahres Eigentümer verpflichtet, vorbehaltlich einer kommunalen Wärmeplanung beim Austausch der Heizung auf eine Lösung zu setzen, die zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbarer Energie betrieben wird.

In der Regel wird man nun auf Wärmepumpen setzen. Bei Neubauten sicherlich eine weitverbreitete Lösung. Bei Bestandsbauten lässt sich eine Wärmepumpe aber nicht so einfach ohne eine mehr oder weniger aufwendige Ertüchtigung betreiben. 

Die unzureichende Ausarbeitung des Heizungsgesetzes durch den inzwischen entlassenen grünen Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Patrick Graichen sowie die daraus resultierende fehlerhafte Kommunikation und das anhaltende Chaos bei den entsprechenden Förderprogrammen haben den Markt nachhaltig verunsichert.

Gleichzeitig trieb die EU-Kommission unter der Leitung des Grünen Cirián Cuffe die sogenannte Gebäuderichtlinie voran, die Mitgliedsländern die Verpflichtung auferlegte, ihren Gebäudebestand innerhalb weniger Jahre auf energetische Mindeststandards zu bringen. Dabei erwies sich Deutschlands vergleichsweise hohe Qualität seines Gebäudebestands als ein Nachteil: Die ursprünglich festgelegten CO₂-Einsparziele waren an den jeweiligen Status quo angelehnt. Die Richtlinie wurde mittlerweile in leicht abgeänderter Form verabschiedet.

Politik hat Markt tief verunsichert

Dass diese beiden Aspekte tatsächlich einen nicht zu unterschätzenden Anteil an dem Preisverfall der Immobilien in Deutschland haben, sieht auch Thomas Beyerle, Chefanalyst des internationalen Immobiliendienstleisters Catella so. Gegenüber der „Welt“ sagt er, dass diese Aspekte in der „Analyse des Preisverfalls im Vorjahr tatsächlich zu kurz“ kommen. „Die Debatten um Heizungsgesetz und Gebäuderichtlinie haben am Markt für hohe Verunsicherung gesorgt. Auch dadurch haben Interessenten ihren Kaufwunsch erst einmal aufgeschoben“, so Beyerle. Wer heute nicht wisse, was sich die Politik als Nächstes einfallen lasse und wie teuer das werde, lasse im Zweifel lieber erst mal die Finger von einem Lebensprojekt wie dem Immobilienkauf – oder senke das Gebot eben deutlich ab. 

„Das ist eine ähnliche Psychologie wie bei einer Aktie, zu der es unerwartete Nachrichten gab und bei der niemand weiß, ob das schon alles war“, so Beyerle, „die fasst auch erst mal niemand mit der Kneifzange an.“ Diesen Schaden zu beheben und verlorenes Vertrauen bei den Stakeholdern am Markt wiederherzustellen, werde nicht einfach. „Die Branche bräuchte jetzt mal fünf Jahre Ruhe und pragmatische Entscheidungen, damit für alle Beteiligten wieder Planungssicherheit gegeben ist.“

Ähnlich sieht es auch Michael Voigtländer, Leiter Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte am IW Köln. „Käufer müssen höhere Sanierungskosten und Unsicherheiten in der Regulierung einpreisen, weshalb sich der Abschlag für ältere Immobilien insgesamt vergrößert hat“, sagte er der „Welt“.

Tobias Just, der den Lehrstuhl für Immobilienwirtschaft an der IREBS International Real Estate Business School der Universität Regensburg innehat, differenziert die Ursachen und fügt hinzu: „Gewerbeimmobilien sind von wirtschaftlichen Schwächen ungleich stärker betroffen als Wohnimmobilien. Letztere zeigen aufgrund erhöhter Unsicherheiten eine zurückhaltende Kaufhaltung.“

Eckhard Wurzel, Professor für Europäische Ökonomie an der Universität Konstanz und der Universität Göttingen, betont, dass es zu oberflächlich ist, die Auswirkungen steigender Zinsen isoliert zu betrachten. „Auch regulatorische Bedingungen beeinflussen, wie schnell sich der Immobiliensektor erholt und Preise sich stabilisieren. Ein gutes Beispiel ist die Umsetzung klimapolitischer Ziele, wie sie insbesondere in der EU-Gebäuderichtlinie enthalten sind.“



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