Experte warnt vor Vier-Tage-Woche für alle – Pilotstudie läuft in Deutschland an

Vier Tage arbeiten, drei Tage frei – was für viele Beschäftigte wie Musik in den Ohren klingt, ist für andere bereits Realität.
Das Vier-Tage-Modell erscheint für viele Arbeitgeber und -nehmer auf den ersten Blick lukrativ. Aber nicht für jeden ist dieses Modell geeignet. Foto: iStock
Das Vier-Tage-Modell erscheint für viele Arbeitgeber und -nehmer auf den ersten Blick lukrativ. Aber nicht für jeden ist dieses Modell geeignet.Foto: iStock
Von 10. September 2023

Doch die Vier-Tage-Woche ist kein Wundermittel und nicht eins zu eins auf alle Betriebe übertragbar, erklärt der Arbeitszeitexperte Guido Zander. Indes startete in Deutschland eine Pilotstudie, in der interessierte Betriebe die Vier-Tage-Woche einem Praxistest unterziehen können.

Dass die IG Metall dies flächendeckend für alle fordert und gleichzeitig die Löhne um 8,5 Prozent erhöhen will, hält Zander für „sehr gewagt“. Was ihm fehlt, ist das Bewusstsein für die wirtschaftliche Lage der Unternehmen.

Britische und isländische Fallstudien hätten ergeben, dass man die Arbeitszeit von 40 auf 36 Stunden reduzieren kann. „Da steigt die Produktivität natürlich“. Gehe man jedoch auf 32 Stunden herunter, sei der Effekt nicht mehr so groß.

„Wenn 40 Stunden auf vier Tage statt auf fünf verteilt werden, stellt sich in vielen Berufen – zum Beispiel dort, wo körperlich schwer gearbeitet wird, – aber auch die Frage, ob das noch attraktiv ist“, so Zander gegenüber ntv.de. Ebenso wie im Schichtdienst könne eine Arbeitszeitverkürzung bei gleicher Arbeitsleistung schnell zur Belastung werden.

Flexible 36-Stunden-Woche als alternative Lösung

Statt einer starren Vier-Tage-Regel mit 32 Stunden schlägt der Experte eine flexiblere 36-Stunden-Woche und eine Viereinhalb-Tage-Woche vor. Das würde für die Arbeitnehmer bedeuten, dass sie jede zweite Woche vier statt fünf Tage arbeiten. Sie könnten untereinander tauschen, wenn sie an einem anderen Tag freinehmen wollen. Eine derartige Flexibilität komme nicht nur den Arbeitgebern, sondern auch den Mitarbeitern zu Gute.

Auch in seinem neuen Buch „Wundermittel 4-Tage-Woche“ weist Zander eindrücklich darauf hin, dass flexible Arbeitszeiten und eine Unternehmenskultur, in der sich die Mitarbeiter wohlfühlen, die eigentlichen Themen von Unternehmen sind.

„Die Vier-Tage-Woche ist aus meiner Sicht in vielen Unternehmen, vor allem in Schichtbetrieben, schlicht nicht ohne Produktivitätseinbußen umsetzbar, für nicht wenige wäre es ein echter Todesstoß“, so Zander.

Bewerbungsfrist zum Großprojekt Vier-Tage-Woche läuft

In Deutschland ist erstmals ein Pilotprojekt zur Vier-Tage-Woche gestartet. Koordiniert wird der Modellversuch von der Beratungsagentur Intraprenör, in dessen Beirat Vertreter der Gewerkschaft IG Metall, der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und des Zentralverbands des Deutschen Handwerk sitzen. Eine Begleitung des Projekts erfolgt durch die Initiative 4 Day Week Global.

„Spannend wird die Frage sein, ob ein Absenken der Arbeitszeit mit einer signifikanten Produktivitätssteigerung einhergeht“, sagte Beiratsmitglied Kristian Schalter vom Arbeitgeberverband BDA laut RND. „Ohne diese Steigerung der Produktivität wäre das Modell der Vier-Tage-Woche für Unternehmen langfristig kaum tragbar.“

Mehr als 50 Unternehmen aus verschiedenen Branchen und mit unterschiedlicher Größe können an der Studie teilnehmen. Hier soll das 100-80-100-Prinzip umgesetzt werden – 100 Prozent Gehalt, 80 Prozent Arbeitszeit und 100 Prozent Leistung. Mit anderen Worten: Die Arbeitnehmer müssen dieselbe Leistung in weniger Arbeitszeit erbringen und erhalten dafür weiterhin gleiches Gehalt.

So läuft die Studie ab

Vom 1. September bis zum 30. November 2023 können sich Betriebe für eine Teilnahme an der Studie bewerben. Wie es von Intraprenör heißt, können Unternehmen teilnehmen, die nach Ansätzen suchen, um Arbeitgeber-Attraktivität, Bindung und Produktivität im Team zu verbessern. Dabei seien alle Betriebe – unabhängig von ihrer Branche und Größe – willkommen.

Wer an dem Projekt teilnimmt, erhält in den Folgemonaten ein spezielles Training im digitalen Format und Zugriff auf eine digitale Plattform mit allen notwendigen Ressourcen. Den Betrieben stehen Mentoren und Netzwerke zur Seite sowie „hochkarätige Wissenschaftler“, die das Team unterstützen.

Vom 1. Februar bis August 2024 läuft dann die praktische Phase. Für einen Zeitraum von sechs Monaten wird die Arbeitszeit von fünf auf vier Tage bei unverändertem Gehalt reduziert. Das Ergebnis wird wissenschaftlich durch die Universität Münster ausgewertet.

Kostenlos ist die Teilnahme jedoch nicht. Je nach Anzahl der Mitarbeiter wird eine Teilnahmegebühr erhoben, die zu 100 Prozent an die NGO 4 Day Week Global geht. „Die Gebühren kommen der Umsetzung der Pilotstudien in Deutschland und international zugute“, heißt es von Intraprenör. „In Einzelfällen können Organisationen von den Gebühren befreit werden.“

Weitere Informationen zu der Pilotstudie gibt es hier.



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