Genaue Prognose schwierig: DIW erwartet Abschwächen der Inflation

Gefahr für eine klassische Lohn-Preis-Spirale, die zu hoher Inflation führt, droht laut den Ökonomen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung eher durch die Erwartungen der Menschen. „Das, was die Inflation derzeit treibt, sind vor allem vorübergehende Effekte, die aber leider alle gleichzeitig zusammenkommen“, erklärt DIW-Ökonomin Kerstin Bernoth.
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Containerschiffe im Hamburger Hafen am 20. Oktober 2021.Foto: Morris MacMatzen/Getty Images
Epoch Times25. Oktober 2021

Seit Januar 2021 steigt die jährliche Inflation im Euroraum, offiziell lag diese im September bei 3,4 Prozent und damit über dem höchsten Stand seit September 2008. Nicht wenige fordern ein Ende der sehr laxen Geldpolitik.

Ob eine Änderung der Geldpolitik tatsächlich Früchte trüge, hängt davon ab, ob der aktuelle Anstieg eine temporäre Erscheinung ist oder damit eine längerfristige Wende begonnen hat.

Aktuelle Studie des DIW Berlin

Derzeit tragen vor allem die höheren Energiepreise zur Gesamtinflation im Euroraum bei – mit knapp 50 Prozent. Die klassischen Inflationstreiber wie Lohndruck, Konsum oder Produktionskosten entwickeln sich hingegen eher moderat und wirken nur temporär.

Ein Risiko geht von den Inflationserwartungen aus, die eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen könnten. Das sind die zentralen Ergebnisse einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).

Ein Teil der Inflation gehe auf einmalige Maßnahmen und Ereignisse zurück. Dazu zählen die Kosten für Energie oder die Rücknahme der Mehrwertsteuersenkungen. Andere kurz- bis mittelfristig wirkende Faktoren wie die Produktion, Arbeitsmarkt, Konsum, fiskalpolitische Pandemie-Maßnahmen, Erzeugerpreise und Inflationserwartungen wurden in der Studie genauer analysiert.

Abschwächen der Inflation erwartet

„Das, was die Inflation derzeit treibt, sind vor allem vorübergehende Effekte, die aber leider alle gleichzeitig zusammenkommen“, resümiert DIW-Ökonomin Kerstin Bernoth, die zusammen mit ihrem Kollegen Gökhan Ider die wesentlichen Preistreiber untersuchte. Einbezogen wurden auch die Auswirkungen der Pandemie-Konjunkturpakete.

Das DIW schätzt, dass die Effekte der Konjunkturpakete, die die Inflation über die nächsten zwei bis drei Jahre verteilt und um 0,6 bis 1,7 Prozentpunkte schüren werden, in absehbarer Zeit auslaufen. Gleiches gilt für die Lieferengpässe, die derzeit die Kosten in der Produktion in die Höhe schießen lassen. Die Studienautoren erwarten, dass sich diese im kommenden Jahr auflösen.

Von den Inflationserwartungen und der Angebotsseite drohen mittelfristig die größten Inflationsrisiken

© DIW Berlin

Erwartungen und Angst könnten die Inflation treiben

Gefahr droht laut dem DIW eher von den Erwartungen der Menschen. Wenn die Verbraucher und die Unternehmen davon ausgehen, dass die Preise weiter ansteigen, dann würden die Menschen Käufe vorziehen und höhere Löhne fordern. Das wiederum führe dazu, dass die Unternehmen ihre Preise erhöhen, sofern sie damit rechnen, höhere Löhne und höhere Erzeugerpreise zahlen zu müssen.

Dies könnte eine klassische Lohn-Preis-Spirale in Gang setzten. Nach Ansicht der DIW-Ökonomin würde diese weniger auf tatsächlichen strukturellen Faktoren als auf einer psychologischen Dynamik basieren: „Höhere Inflationserwartungen könnten dann zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden und die tatsächliche Inflation ankurbeln“, so die Studienleiterin.

Auf die mittelfristigen Inflationserwartungen hatte die derzeit steigende Inflation im Euroraum bislang kaum Einfluss. „Die EZB sollte die Entwicklung dieser Erwartungen aber genau beobachten und sich rechtzeitig für den Fall einer Lohn-Preis-Spirale wappnen, möglichst jetzt schon kommunikativ gegensteuern“, rät Bernoth.

Die Ökonomen gehen davon aus, dass sich die Inflation in den nächsten Quartalen zunächst ungefähr auf dem aktuellen Niveau stabilisieren wird, aber im nächsten Jahr wieder zurückgeht, sobald die Einmaleffekte abebben. „Eine genaue Prognose ist aber schwierig, weil wir eine Situation wie die Pandemie noch nie hatten.“ (ks)



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