Ifo-Präsident: Mindestlohn vernichtet 180.000 Minijobs

"Am besten ist es, wenn der Mindestlohn generell für alle, die in Deutschland erstmals einen Job annehmen, einige Jahre lang ausgesetzt wird, also auch für deutsche Neueinsteiger in das Berufsleben", sagt Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Instituts.
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Hans-Werner SinnFoto: über dts Nachrichtenagentur
Epoch Times27. Dezember 2015

Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Instituts, sieht sich in seinen Bedenken gegen den gesetzlichen Mindestlohn bestärkt. "Der Wegfall von circa 170.000 bis 180.000 Minijobs in diesem Jahr wäre uns erspart geblieben", sagte Sinn der "Welt am Sonntag". Die Lohnuntergrenze in Höhe von 8,50 Euro in der Stunde war vor knapp einem Jahr, am 1. Januar 2015, eingeführt worden.

Sinn und Experten aus seinem Haus hatten eindringlich vor den negativen Wirkungen einer zu hohen Lohnuntergrenze gewarnt. Langfristig könnten 900.000 Jobs in Deutschland verloren gehen.

Sinn betont nun, sein Institut habe in seinen Untersuchungen durchaus einkalkuliert, dass es Unternehmen gelingen könnte, die höheren Lohnkosten an ihre Abnehmer weiterzureichen. Diese Entwicklung habe das Ifo "in unseren beiden Prognosen des Jahres 2014 überschätzt, und die Jobverluste haben wir unterschätzt", sagte Sinn der "Welt am Sonntag".

"Wir gingen davon aus, dass es wegen solcher Überwälzungsmöglichkeiten im Jahr 2015 zunächst zu positiven Konsumeffekten kommen würde, die den Jobverlust stark begrenzen. Es ist in der Tat schon nach wenigen Monaten mehr passiert, als wir erwartet hatten."

Für eine Zwischenbilanz ist es zu zeitig

Im Übrigen lasse sich nach zwölf Monaten bestenfalls eine Zwischenbilanz ziehen: "Die ökonomischen Effekte solcher strukturellen Maßnahmen stellen sich erst nach Jahren ein." Ehe zum Beispiel die "Agenda 2010" von Gerhard Schröder ihre volle Wirkung entfaltet habe, seien sieben Jahre vergangen. Hinzu komme, dass die Wirkungen des Mindestlohns im Moment überlagert würden durch andere Faktoren.

"Man muss auf jeden Fall bis zur Normalisierung der Konjunkturlage und der Rückkehr zu einem normalen Wechselkurs warten. Derzeit ist der Euro, vermutlich wegen der Maßnahmen der EZB, um etwa 15 Prozent unterbewertet." Das sei im Wettbewerb mit Ländern außerhalb der Euro-Zone so, als seien alle Löhne um 15 Prozent gesenkt worden.

Der Mindestlohn kann frühestens zum 1. Januar 2017 erhöht werden. Dazu müsste von der Mindestlohnkommission, in der neben Gewerkschaftern und Arbeitgebern auch zwei Wirtschaftswissenschaftler vertreten sind, ein dahin gehender Vorschlag kommen; die Bundesregierung wiederum müsste eine entsprechende Rechtsverordnung erlassen.

Es wäre unverantwortlich, den Mindestlohn zu erhöhen

Hans-Werner Sinn hielte eine Anhebung für verfehlt: "Es wäre angesichts der vielen Flüchtlinge, die einen Job suchen, unverantwortlich, den Mindestlohn zu erhöhen." Ausnahmen vom Mindestlohn, um Flüchtlingen die Integration in den Jobmarkt zu erleichtern, lehnt Sinn ab.

Stattdessen plädiert der Professor für eine allgemeine Ausnahmeregelung: "Am besten ist es, wenn der Mindestlohn generell für alle, die in Deutschland erstmals einen Job annehmen, einige Jahre lang ausgesetzt wird, also auch für deutsche Neueinsteiger in das Berufsleben." Denn so viel konzediert auch Sinn: "Wenn man einige Jahre gearbeitet hat, sollte die Produktivität hoch genug sein, dass der Mindestlohn keine Barriere mehr darstellt." (dts)



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