IWH: Heftige Kriegsfolgen für deutsche Wirtschaft erwartet

Der Ukraine-Krieg und seine wirtschaftlichen Auswirkungen dämpfen den einst erwarteten Aufschwung nach den Lockerungen der Corona-Politik. Das ergab eine Analyse des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle.
Container stehen im Hafen von Barcelona.
Container stehen in einem Hafen.Foto: David Zorrakino/EUROPA PRESS/dpa
Epoch Times17. März 2022

Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) erwartet heftige Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine für die deutsche Wirtschaft. Das geschehe vor allem über einen Energiepreisschock, aber auch über die Unterbrechung von Handelsströmen und über eine allgemeine Verunsicherung, teilte das Institut am Donnerstag mit. Zugleich erhalte die Konjunktur aber von der Aufhebung vieler Pandemie-Restriktionen einen kräftigen Schub.

Das IWH prognostiziert, dass das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2022 um 3,1 Prozent zunehmen wird und der Verbraucherpreisindex um 4,8 Prozent höher liegt als vor einem Jahr. Die ostdeutsche Wirtschaft werde vom Krieg kaum schwerer getroffen als die Wirtschaft in Deutschland insgesamt, hieß es in einer Analyse.

Der Angriff Russlands auf die Ukraine habe die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Europa drastisch verschlechtert. „Die Preise für Rohstoffe und Energie und hier besonders für Erdgas sind stark gestiegen, die Sanktionen bringen den Russland-Handel, der über Energielieferungen hinausgeht, nahezu zum Erliegen, und europäische Aktienkurse haben deutlich an Wert verloren“, so das IWH.

Scharfe Rezession droht

Im Fall eines Stopps der russischen Gaslieferungen wäre für Deutschland mit einer Bewirtschaftung des Rohstoffs und einer scharfen Rezession vor allem im verarbeitenden Gewerbe zu rechnen. „Wenn, wie hier unterstellt, Gas weiter geliefert wird, ist der konjunkturelle Haupteffekt der Krise der Energiepreisanstieg, der zu Realeinkommenseinbußen der privaten Haushalte und zum Verlust an Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen führt, insbesondere wegen des in Europa besonders teuren Erdgases“, so das IWH.

Auch würden Wertschöpfungsketten, die durch die Ukraine oder Russland führten, zerrissen. „Der in den meisten Weltregionen schon vor Kriegsbeginn hohe Inflationsdruck verstärkt sich weiter“, so die Analyse. Davon, dass in den USA geldpolitisch die Zügel gestrafft würden, gehe das Risiko eines Konjunkturabschwungs im Land selbst, aber auch weltweit einher.

Die deutsche Konjunktur treffe der Krieg in einer Erholungsphase, nachdem die Winterwelle der Pandemie den privaten Konsum und die wirtschaftliche Aktivität im Schlussquartal 2021 noch hatte schrumpfen lassen. „Auch wenn die Pandemie noch keineswegs vorbei ist, dürfte die Erholung mit der Aufhebung vieler zur Pandemiebekämpfung erlassener Restriktionen im März an Schwung gewinnen“, sagte Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident des IWH. Denn die privaten Haushalte würden einen Teil ihrer während der Pandemie angesammelten Ersparnis in den kommenden Quartalen wohl zusätzlich verausgaben, was insbesondere den Dienstleistern zugutekomme.

Konsumenten brauchen Ersparnisse für Preissteigerungen

Die Produktion dürfte im zweiten Quartal deshalb recht kräftig expandieren. Freilich müssen die Konsumenten das Geld auch dazu verwenden, die höheren Lebenshaltungskosten zu bestreiten, denn die ohnehin schon starke Preisdynamik in Deutschland werde durch den russischen Krieg noch einmal erhöht. „Die Teuerung, Ausfälle von Exporten nach Osteuropa und eine allgemeine Verunsicherung sind Kanäle, über die der Krieg gegen die Ukraine die deutsche Konjunktur dämpft, was sich in der zweiten Jahreshälfte in deutlich niedrigeren Zuwachsraten der Produktion niederschlägt“, so Holtemöller.

Der Aufbau der Erwerbstätigkeit verlangsamt sich nach Berechnungen des IWH im Jahresverlauf 2022. Gegen Ende des Jahres komme er aufgrund der starken Mindestlohnerhöhung nahezu zum Stehen. Die hohen Energie- und Rohstoffpreise ließen den deutschen Leistungsbilanzsaldo deutlich von 6,9 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2021 auf 5,4 Prozent im Jahr 2022 sinken.

Das Haushaltsdefizit dürfte im laufenden Jahr deutlich zurückgehen, denn mit der anziehenden Konjunktur dürften vor allem die Einnahmen der Sozialversicherungen beschleunigt expandieren, während die öffentlichen Ausgaben im Zusammenhang mit rückläufigen Kosten der Corona-Pandemie kaum steigen werden, so das IWH. (dts/mf)



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