Nach Klimafonds-Urteil: Ostdeutscher Aufschwung gefährdet?

Kommt das Intel-Projekt? Werden Förderzusagen zurückgezogen? Ökonomen warnen davor, nach dem Klima-Urteil aus Karlsruhe Investitionen zu streichen, die für Ostdeutschland vorgesehen sind.
Das Logo des Chipherstellers Intel an der Zentrale des Unternehmens in Kalifornien.
Das Logo des Chipherstellers Intel an der Zentrale des Unternehmens in Kalifornien.Foto: Andrej Sokolow/dpa
Epoch Times27. November 2023

Vor einer Sondersitzung der Energie- und Wirtschaftsminister aus Bund und Ländern am Montag in Berlin hat der Ökonom Marcel Fratzscher vor einem Zurückziehen versprochener Fördermittel gewarnt. Ein erheblicher Teil des Geldes sei für Projekte in Ostdeutschland vorgesehen, sagte Fratzscher den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

„Die Bundesregierung würde mit einer Rücknahme der Versprechen somit die wirtschaftliche Polarisierung in Deutschland weiter verschärfen“, erklärte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).

Was wird mit Intel?

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte Mitte November die Verschiebung nicht genutzter Corona-Kredite in den sogenannten Klima- und Transformationsfonds (KTF) für unzulässig erklärt.

Dadurch fehlen 60 Milliarden Euro für zahlreiche klimapolitische Projekte der Ampel-Koalition, aber auch für die wirtschaftliche Transformation. Aus dem Fonds sollten etwa auch Industrieansiedlungen wie das Werk des Chipherstellers Intel in Magdeburg in Sachsen-Anhalt finanziert werden.

Der Wirtschaftsminister Sachsen-Anhalts, Sven Schulze (CDU), sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, er erwarte nun schnellstmöglich Klarheit zur Finanzierung. „Ich gehe weiterhin davon aus, dass Bundeskanzler Olaf Scholz seine Zusagen zum Intel-Projekt vollständig einhält“, sagte er.

Förderzusagen zurückziehen ist heikel

Auch der Zweite Vorsitzende der Industriegewerkschaft IG Metall, Jürgen Kerner, warnte davor, Förderzusagen wieder zurückzuziehen. „Bei den Unternehmen entsteht eine große Verunsicherung mit der Folge, dass Zukunftsinvestitionen ausbleiben. Am Ende steht unser gesamtes Industriemodell in Frage. Arbeitsplätze und Wohlstand sind in akuter Gefahr“, sagte Kerner.

Er forderte die Politik auf, langfristig ein Modell zu finden, das Investitionen und Transformationsfinanzierung von einer künftigen Schuldenbremse ausnimmt.

Schuldenbremse abschaffen?

Der dänische Wirtschaftsexperte Jacob Funk Kirkegaard rät Deutschland nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts dringend zur Abschaffung der Schuldenbremse. „Die Schuldenbremse ist eine Verrücktheit“, sagte Kirkegaard, der für die Denkfabrik German Marshall Fund und das Peterson Institute for International Economics in Washington forscht, dem „Spiegel“. Am Donnerstag hatte die Ampelkoalition angekündigt, die Schuldenbremse auch für das Jahr 2023 aussetzen zu wollen.

Bei einem Festhalten an der Regel drohe der Bundesrepublik eine Wirtschaftskrise, warnte Kirkegaard: „Wenn man die Schuldenbremse nicht lockert oder frivol einen weiteren Notstand erklärt, wird Deutschland schon bald in eine tiefe Rezession schlittern.“

Das werde nicht nur das Wachstum in vielen anderen Ländern Europas, sondern auch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank torpedieren. „Mit seiner verfehlten Fiskalpolitik nimmt Deutschland die gesamte EU als Geisel“, sagte Kirkegaard, der auch für eine Lockerung der europäischen Maastricht-Schuldenregeln plädiert.

Mit Blick auf die Herausforderungen bei Klimaschutz, Verteidigungspolitik und Digitalisierung seien höhere Staatsausgaben ein Gebot der Stunde, so der Ökonom. „All diese Herausforderungen waren bei der Einführung der Schuldenbremse und der Maastricht-Kriterien kein Thema, doch die Zeiten haben sich geändert.“ (afp/dts/red)



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