Raus aus Top 5: So sehen internationale Investoren den Standort Deutschland

Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG hat 350 Finanzvorstände deutscher Tochtergesellschaften internationaler Konzerne zum Standort Deutschland befragt. Mittlerweile büßt dieser auch bezüglich Lebensqualität und politischer Stabilität an Ansehen ein.
Die Chemiebranche hofft darauf, sich bald wieder zu erholen. Dazu gehört auch der Chemie-Standort Ludwigshafen in Rheinland-Pfalz, wo unter anderem BASF seinen Hauptsitz hat.
Schlechte Nachrichten für den Standort Deutschland haben KPMG und das IW.Foto: Uwe Anspach/dpa
Von 15. März 2024

Die gute Nachricht für den Standort Deutschland: Seine geografische Lage in der Mitte Europas wird sich auf absehbare Zeit nicht verändern. Und diese bewerten 79 Prozent von 350 Finanzvorständen deutscher Tochtergesellschaften internationaler Konzerne als Stärke. Bei den veränderlichen Faktoren sieht es hingegen durchwachsen aus: Wie eine KPMG-Umfrage unter besagten Managern ergab, gilt Deutschland unter europäischen Standorten nur noch als Mittelmaß.

KPMG sieht rasante Abwärtsentwicklung beim Standort Deutschland

Am Dienstag, 12. März, veröffentlichte die international renommierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft die Ergebnisse ihrer Umfrage „Business Destination Germany 2024“. Die Daten dazu hatte man in den Monaten September bis Dezember 2023 gewonnen. Eindeutig war die Tendenz bei den Einschätzungen: Deutschland hat deutlich an Attraktivität eingebüßt, und „alle Standortfaktoren verschlechtern sich mit zunehmender Dynamik“.

Das Bemerkenswerte daran: Bei den Befragten handelte es sich um keine Gegner umstrittener und teurer Vorhaben wie der Energiewende oder der Aufrüstung. Diese eröffneten nach Meinung einer knappen Mehrheit der Befragten sogar Geschäftschancen – wie auch die Digitalisierung oder Investitionen in die Bewältigung der demografischen Krise.

Dennoch ordnen immer weniger Befragte die einst führende Industrienation Europas in entscheidenden Bereichen noch unter die Top 5 der Standorte in der EU ein. Noch im Jahr 2021 ordneten 72 Prozent der Befragten Deutschland als eines der fünf führenden EU-Länder im Bereich der Arbeitsproduktivität ein. Mittlerweile tun dies nur noch 55 Prozent.

Gleich 22 Prozentpunkte Verlust bei politischer Stabilität

Bezüglich der logistischen und physischen Infrastruktur ist die Zahl der Top-5-Nennungen EU-weit von 59 auf 43 Prozent gesunken. Ebenso wenige unter den Befragten nannten Deutschland bei Forschung und Entwicklung in diesem Bereich. Dies stellt einen Rückgang von 13 Prozentpunkten dar.

Noch seltener wird Deutschland unter den besten Standorten aufgeführt, wenn es um Offenheit für ausländische Investitionen (34 Prozent; minus 16), Ausrichtung auf Investorenbedürfnisse (19 Prozent; minus 13) und Förderung für Ansiedlungen und Erweiterungen (14 Prozent; minus 10) geht.

Deutlich abwärts geht es auch bei Umfeldfaktoren, die man bisher in Deutschland noch als besonders große Pluspunkte angesehen hatte. Nur noch 72 Prozent und damit um neun Prozentpunkte weniger als bei der letzten KPMG-Umfrage sehen das Land bei der Lebensqualität unter den Top 5. Nur noch 69 Prozent nennen es im Kontext der öffentlichen Sicherheit (minus 11).

Am rasantesten war die Talfahrt jedoch mit Blick auf die politische Stabilität. Nur noch 58 Prozent sehen Deutschland hier unter den fünf besten EU-Mitgliedstaaten – das entspricht einem Minus von gleich 22 Prozentpunkten.

Vorgängerstudien der KPMG bestätigen beunruhigende Entwicklung

Als größte Investitionshemmnisse nannten die Befragten das hohe Maß an Bürokratie (61 Prozent) und die enormen Energiekosten (57 Prozent). Klagen wurden aber auch über mangelhafte Digitalisierung, staatliche Regulierungswut in ESG-Bereichen und fehlende Technologieoffenheit laut.

Insgesamt rangiert Deutschland als Standort auf einer Skala von minus zehn bis plus zehn noch bei 1,2 Punkten. Gegenüber der Befragung vor zwei Jahren („Business Destination Germany 2022“) ist das eine Halbierung, im Ranking von 2018 hatte man noch bei 3,1 gelegen.

Nur 23 Prozent sehen Deutschland unter den Top 5 bezüglich der Verfügbarkeit von Fachkräften und hoch qualifizierten Arbeitskräften. Demgegenüber ordneten 21 Prozent das Land sogar unter den fünf schlechtesten Standorten ein. KPMG-Bereichsvorstand Andreas Glunz spricht von einer jährlich erforderlichen Zuwanderung von 500.000 qualifizierten Arbeitskräften, um den Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge auszugleichen.

Zahlen des IW bestätigen schwindendes Vertrauen in den Standort

Jüngste Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), über die das „Handelsblatt“ berichtete, bestätigen den Vertrauensverlust in den Standort Deutschland. Mit 94 Milliarden Euro war im vergangenen Jahr der dritthöchste Nettoabfluss von Direktinvestitionen seit 1971 zu beobachten. Weltweit schnitt nur noch Japan schlechter ab.

IW-Chef Michael Hüther nennt ebenfalls „hohe Kosten, zermürbende Bürokratie und kaputte Infrastruktur“ als Faktoren für eine negative Standortentscheidung. Der Untersuchung lagen Daten von OECD und Deutscher Bundesbank zugrunde. Erfasst wurden Zu- und Abflüsse von Kapital, neben klassischen Investitionen in Fabriken und Ausrüstung auch Bargeldbewegungen und Kredite.

Die Zuflüsse nach Deutschland waren die geringsten seit 2014, heißt es in dem Bericht weiter. Seit 2020 gehen die Direktinvestitionen von Jahr zu Jahr zurück. Zum Jahresende seien die Investitionen in Ausrüstungen von Maschinen über Geräte bis hin zu Fahrzeugen um 3,5 Prozent gegenüber 2022 zurückgegangen. Dies, so Ruth Brand, die Präsidentin des Statistischen Bundesamtes, habe entscheidend zum Minus bei der Wirtschaftsentwicklung beigetragen.

Deutschland fällt ins EU-Mittelfeld zurück – obwohl auch in Europa selbst die Lage schwierig ist

Überdurchschnittlich betroffen waren von den Abflüssen unter anderem die chemisch-pharmazeutische Industrie. Aber auch Stahl, Autozulieferer oder Hersteller von elektronischen Geräten waren zuletzt vermehrt ins Ausland abgewandert. Viele davon zog es in die USA oder nach Asien, insbesondere nach China.

IW-Chef Hüther attestiert der Regierung „keine Hoffnung auf Besserung“. Die Ampel müsse „diesen Warnruf ernst nehmen und Standortpolitik betreiben“. In der EU insgesamt ist die Situation im Übrigen wenig besser – auch in anderen Mitgliedstaaten bleiben viele Investitionen aus oder Unternehmen wandern ab.

Für Deutschland ist dies aber nur ein schwacher Trost. Man ist zwar mit der Abwärtsentwicklung nicht allein. Dass man aber bei KPMG sogar in einem ungünstigen europäischen Umfeld als Standort aus den Top 5 fällt, wiegt angesichts dessen noch schwerer.



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