Russische Energie derzeit unverzichtbar für Deutschland

Im Rahmen des Ukraine-Krieges wird in Deutschland heftig über mögliche Sanktionen von russischem Öl und Gas debattiert. Doch wie abhängig ist Deutschlands Energieversorgung von Russland? Welche Schritte führen aus der Abhängigkeit? Kann beispielsweise die Chemiebranche auf russisches Öl verzichten? Im Folgenden ein Überblick.
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Nord Stream 2-Pipeline.Foto: JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images
Epoch Times8. März 2022

Der Ukraine-Krieg macht die problematische Abhängigkeit Deutschlands und der EU von russischer Energie deutlich. Die Debatte um einen Importstopp für russische Energie ist entbrannt, doch insbesondere beim Erdgas könnte das schwierig werden.

Wie viel Energie importiert Deutschland aus Russland?

Russland ist der wichtigste Energielieferant Deutschlands. 2020 importierte die Bundesrepublik 56,3 Milliarden Kubikmeter russisches Erdgas. Das entsprach rund 55 Prozent der Importe. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums blieb dieser Anteil 2021 in etwa gleich. Zudem importierte Deutschland 2020 gut 28 Millionen Tonnen Rohöl aus Russland. Das entsprach rund einem Drittel der Rohölimporte.

Sollten diese Lieferungen ausbleiben, würde sich dies nach aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts auch an den deutschen Seehäfen bemerkbar machen: Russland war mit 24,1 Millionen Tonnen von Januar bis November 2021 wichtigster Handelspartner der deutschen Seehäfen. 10,8 Millionen Tonnen davon entfielen auf fossile Energieträger, dies entsprach 37,7 Prozent aller über die Seehäfen importierten Brennstoffe.

Wie abhängig ist Russland von seinen Energieexporten?

Russland ist auf die Einnahmen aus dem Verkauf von Rohstoffen angewiesen. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) stammten im Januar 2022 rund 45 Prozent der russischen Haushaltsmittel aus Steuern und Zöllen auf den Export von Öl und Gas.

Allein für Erdgas fließen pro Tag insgesamt rund 400 Millionen Dollar (368 Millionen Euro) aus der EU nach Russland, dieser Betrag könnte bei den aktuell hohen Gaspreisen weiter ansteigen. Die gesamten russischen Exporteinnahmen für Rohöl und Erdölfertigprodukte belaufen sich auf rund 700 Millionen Dollar pro Tag.

Kann Deutschland seine Abhängigkeit von russischer Energie kurzfristig verringern?

Laut dem Bundeskanzleramt wurde der russische Energiesektor vorerst bewusst von den Sanktionen ausgenommen. „Die Versorgung Europas mit Energie für die Wärmeerzeugung, für die Mobilität, die Stromversorgung und für die Industrie kann im Moment nicht anders gesichert werden“, erklärt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Gemeinsam mit den westlichen Partnern werde „mit Hochdruck“ daran gearbeitet, Alternativen zu russischer Energie zu entwickeln.

Laut der Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) wäre ein Lieferstopp zumindest bei Kohle und Rohöl denkbar. Hier gebe es Alternativen. Die IEA verweist auf Saudi Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate sowie den wachsenden Ölschiefersektor in den USA.

Problematischer sei die Situation beim Erdgas, so Kemfert weiter. Die Abhängigkeit insbesondere Deutschlands sei hier besonders groß, zudem gebe es nur wenige Alternativen. Mehr Erdgas könnte über Pipelines aus Norwegen und Aserbaidschan kommen, doch die zusätzlichen Kapazitäten sind begrenzt.

Können Deutschland und die EU auf LNG ausweichen?

Eine weitere Alternative ist verflüssigtes Erdgas, bekannt unter der Abkürzung LNG. Im Jahr 2020 importierte Europa laut Zahlen des Energiekonzerns BP bereits knapp 115 Milliarden Kubikmeter LNG. Die Lieferungen kamen zumeist aus Katar und den USA. Auch aus Russland kamen 17,1 Milliarden Kubikmeter.

Allerdings werden für die Annahme von LNG-Lieferungen und die Aufbereitung des Gases besondere Terminals zur Schiffsabfertigung benötigt. Die gibt es in Deutschland nicht, womit ein direkter Import also nicht möglich ist. Bisher wird das LNG in Deutschland über Terminals im belgischen Zeebrügge, im französischen Dünkirchen und aus den Niederlanden bezogen.

Wegen des Ukraine-Krieges hat Bundeskanzler Scholz in einer Regierungserklärung den beschleunigten Bau von zwei LNG-Terminals in Brunsbüttel und Wilhelmshaven angekündigt. Als Standort im Gespräch ist auch ein Terminal in Stade. Europaweit gibt es aktuell 37 LNG-Terminals, 26 davon liegen in Mitgliedstaaten der EU.

Kann die Chemiebranche auf russisches Öl verzichten?

Die deutsche Chemie-Industrie warnt vor den Kosten eines möglichen Öl-Embargos gegen Russland. Zwar stamme lediglich ein Drittel der Ölimporte in Deutschland aus russischen Quellen. Dennoch gehe man davon aus, „dass ein Einfuhrembargo durch steigende Kosten in vielen Lebensbereichen zu spürbaren gesamtgesellschaftlichen Belastungen führen würde“, teilt der Verband der Chemischen Industrie (VCI) mit. Der Verband verwies auf die Kosten für Heizen sowie für Autofahrer und die Logistikbranche. Am Montag waren die Preise für Diesel und E10 im Schnitt bereits über die Marke von zwei Euro je Liter geklettert.

Während Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) weiter auf Energieimporte aus Russland setzt, hat die US-Regierung noch nicht über einen Importstopp für Öl aus Russland entschieden. Darüber werde auch mit den Partnern in Europa noch diskutiert, hieß es am Montag.

Mit dem Ukraine-Krieg und den Sanktionen habe sich der Preisauftrieb bei Energie und Rohstoffen dramatisch beschleunigt, erklärte der VCI. „Im Falle eines Importstopps muss mit noch weiter steigenden Kosten gerechnet werden.“ Öl sei auf dem Weltmarkt aber von vielen Anbietern verfügbar, die Versorgung per Schiff oder Pipeline gesichert.

Die energieintensive Chemie-Industrie leidet seit längerem unter hohen Energiepreisen. Sie verarbeitet als Rohstoff nicht direkt Erdöl, sondern Rohbenzin, das von den Raffinerien aus Öl destilliert wird. Viele Branchenfirmen könnten den massiven Preisanstieg bei Öl und Gas nicht oder nur teilweise an Kunden weitergeben, so der VCI.

Wie schnell Preissteigerungen bei Alltagsprodukten für Verbraucher ankommen, lasse sich nur schwer sagen. Rohöl steckt in vielen Gütern wie Kunststoffen, Arzneien, Waschmitteln, Spielwaren und Textilien.

(afp/dpa/mf)



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