Kritik am Konzept von Altmaier: „Ökonomen sind gegenüber dem Rosinenpicken durch Politiker skeptisch“

"Vor dem Hintergrund vieler Erfahrungen in der Vergangenheit", bezweifelt DIHK-Präsident Schweitzer, dass "die Politik besser weiß, was die Märkte, Branchen oder Technologien der Zukunft sind".
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Epoch Times3. Februar 2019

Offiziell präsentiert wird das Konzept der „Nationalen Industriestrategie 2030“ von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Dienstag kommender Woche in Berlin. Auf viel Kritik stößt der Altmaier`sche Ansatz, „industrielle Schlüsselbereich“ zu definieren und „strategische Game-Changer-Technologien“ zu benennen.

„Ökonomen sind gegenüber dem Rosinenpicken durch Politiker traditionell skeptisch, und ich glaube, die empirische Evidenz gibt uns Recht“, sagte ifo-Experte Felbermayr.

Was wir eigentlich brauchen ist ein Umfeld, in dem jede Branche Spitzenunternehmen hervorbringen kann, wenn sich die Möglichkeiten dazu in Deutschland eröffnen“, so der Ökonom.

Staat soll flankieren, Entscheidung über Investitionen muss die Wirtschaft treffen

Auch von den Wirtschaftsverbänden bekommt Minister Altmaier an dieser Stelle wenig Zustimmung. „Der Staat hat die Aufgabe, zu flankieren und die richtigen Leitplanken zu setzen“, sagt BDI-Chef Kempf. „Die Entscheidungen über Investitionen trifft die Wirtschaft.“ Und DIHK-Präsident Schweitzer ist

skeptisch, wenn sich der Staat mehr und mehr in der Rolle eines Unternehmers und eines Investitionslenkers sieht“.

„Vor dem Hintergrund vieler Erfahrungen in der Vergangenheit“, so Schweitzer, bezweifele er, dass

die Politik besser weiß, was die Märkte, Branchen oder Technologien der Zukunft sind“.

Der DIHK-Chef plädiert „deshalb dafür, dass die Politik sich auf die Gestaltung besserer Standortfaktoren konzentriert – da gibt es genug zu tun“.

FDP: Es wimmelt nur von so von Staatseingriffen

Ähnlich äußert sich der FDP-Vorsitzende Christian Lindner: „Die strategischen Ziele der Industriepolitik sind ehrenwert, aber in der Praxis stehen die Ampeln bei Schlüsselbranchen wie dem Auto oder der Chemieindustrie auf Rot“, so der Freidemokrat.

Es wimmelt nur so vor Staatseingriffen in dem Papier, dafür fehlen die Basics wettbewerbsfähiger Strukturen bei Steuer, Infrastruktur, Energie und Flexibilität.“

Die Idee, der Schaffung von deutschen und europäischen Champions eine „strategische Bedeutung“ zuzuschreiben, stößt unterdessen auf ein geteiltes Echo: „Wir müssen die Interessen unserer Unternehmen aktiv verteidigen“, sagte SPD-Wirtschafsfachmann Frenzel. Zusammenschlüsse von europäischen Unternehmen seien dabei „unter Umständen notwendig“. Jedenfalls habe „der Bundeswirtschaftsminister in uns einen Partner, wenn er die Weiterentwicklung des nationalen und europäischen Wettbewerbsrechts anstrebt“.

Das erinnere an längst überwunden geglaubte „Machbarkeitsphantasien vergangener Jahrzehnte“

Es dürfe „nicht darum gehen, die Platzhirschen von heute unter besonderen Schutz zu stellen“, erklärte dagegen Gabriel Felbermayr. Vielmehr sei es zentral, dass „wir in Deutschland gute Geschäftsideen schneller entwickeln, sie schneller skalieren und globalisieren. Dafür sind die Rahmenbedingungen oft genug nicht gut.“

Champions bewusst Schaffen zu wollen hält der Österreicher demgegenüber für „zu etatistisch“. Die Politik solle die Entstehung solcher Konzerne lediglich zulassen. Und „die Logik dafür sollte aber immer eine ökonomische sein und nicht eine politische“.

Lars Feld, Mitglied des Sachverständigenrats seit 2011, hatte Altmaier bereits zuvor harsch für sein Konzept kritisiert. Es „erinnere an längst überwunden geglaubte Machbarkeitsphantasien vergangener Jahrzehnte“, so der Ökonom in der „Welt“.

Im Ganzen ergebe sich aus dem Altmaier-Konzept, soweit bisher erkennbar, „eine Förderungs-, Subventions- und Regulierungskulisse, die erschreckender kaum sein könnte“, so der Wirtschaftsweise. „Marktwirtschaft sieht jedenfalls anders aus.“

25-Prozent Industrieanteil an der Bruttowertschöpfung?

Zu den besonders umstrittenen Vorschlägen des Altmaier-Papiers zählt die Zielvorgabe, den Industrieanteil an der Bruttowertschöpfung bis 2030 auf 25 Prozent zu erhöhen – ein Wert, der seit 1992 nicht mehr erreicht wurde in Deutschland und der zuletzt bei 23,2 Prozent lag. „Deutschland braucht eine industriepolitische Strategie, die auf 25 Prozent abzielt“, sagte dazu Wolfgang Steiger, der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats.

Gabriel Felbermayr, der Direktor des Zentrums für Außenwirtschaft am Münchener ifo-Institut wies darauf hin, dass ein 25-Prozent-Ziel „politisch Sinn“ ergeben, „aber ökonomisch kaum sinnvoll festzulegen“ ist. Hinzu kämen Abgrenzungsprobleme:

Die Grenzen zwischen Industrie und Dienstleistungssektor verschwimmen immer mehr.“

Industriegüter enthielten immer mehr Software, und in vielen Fällen seien Wartung- und Finanzierungsverträge die wahren Gewinnbringer. (dts)



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