Rechtsstreit um Massentötung von männlichen Küken – Ist sie mit dem Tierschutzgesetz vereinbar?

Rund 45 Millionen männliche Küken werden jedes Jahr in Deutschland getötet. Ist das Kükentöten mit dem Tierschutzgesetz vereinbar? Mit dieser Frage befasst sich am Donnerstag das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.
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Küken (Symbolbild).Foto: KIRILL KUDRYAVTSEV/AFP/Getty Images
Epoch Times11. Mai 2019

Rund 45 Millionen männliche Küken werden jedes Jahr in Deutschland getötet. Die männlichen Eintagsküken aus Legehennenrassen sterben direkt nach dem Schlüpfen, weil sie keine Eier legen und zu wenig Fleisch ansetzen. Am Donnerstag befasst sich das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig damit, ob das Kükentöten mit dem Tierschutzgesetz vereinbar ist. Über Alternativen wird diskutiert – doch noch ist die Massentötung in der Agrarbranche Alltag.

Hintergrund für das Verfahren in Leipzig ist ein Erlass aus dem Jahr 2013 des damals noch von den Grünen geführten Landwirtschaftsministeriums in Nordrhein-Westfalen, mit dem die Aufsichtsbehörden zu einem Verbot der Kükentötung angewiesen wurden. Gegen die daraufhin von den örtlichen Behörden ausgesprochenen Verfügungen zogen Brütereien vor Gericht – mit Erfolg.

Im Mai 2016 entschied das Oberverwaltungsgericht Münster, dass das Töten von Eintagsküken mit dem Tierschutzgesetz vereinbar sei. Nun muss das Bundesverwaltungsgericht die Frage klären, wann es einen im Gesetz vorgesehenen „vernünftigen Grund“ für eine solche Praxis gibt. Denn im maßgeblichen Paragrafen 1 des Tierschutzgesetzes heißt es: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“

Das OVG sah einen solchen Grund darin, dass die Aufzucht der männlichen Küken im Widerspruch zum Stand der Hühnerzucht und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stehe. Aufgezogene männliche Küken seien für die Unternehmen praktisch nicht zu vermarkten.

Geschlechtsbestimmung im Brutei soll Kükentöten stoppen

Gearbeitet wird schon seit langem an Alternativen. Als „Durchbruch“ betrachtet das Bundeslandwirtschaftsministerium ein im November vorgestelltes Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Brutei. Dadurch werden männliche Küken erst gar nicht ausgebrütet. Das Ministerium förderte das sogenannte Seleggt-Verfahren mit fünf Millionen Euro.

Hinter dem Projekt steht vor allem der Supermarktkonzern Rewe, der entsprechende Eier bereits im Großraum Berlin anbietet. Bis zum Jahresende sollen die „respeggt“-Eier bundesweit angeboten werden, ab 2020 soll die Methode allen Brütereien zur Verfügung stehen.

Deutscher Tierschutzbund lehnt Methode ab: Embryos könnten Schmerz empfinden

Doch die Methode ist nicht unumstritten. Dies liegt zum einen daran, dass das Geschlecht derzeit erst zwischen dem achten und zehnten Bruttag bestimmt wird. Wissenschaftlich umstritten ist, ob die Embryos dann schon ein Schmerzempfinden haben. Ausgeschlossen wird dies derzeit nur vor dem siebten Bruttag.

Der Deutsche Tierschutzbund lehnt deshalb jede Methode ab, die nach dem sechsten Bruttag angewendet wird. Ist dies gesichert, ist das Verfahren nach seiner Ansicht aber immerhin eine „kurzfristige Lösung zur Vermeidung des Kükentötens“.

Keine praxistaugliche Alternative bisher in Sicht

Als einzige „langfristige Lösung“ kämen jedoch nur „Zweinutzungshühner“ infrage, erklärt der Tierschutzbund. Dabei legen die Hennen Eier, während die Hähne gemästet werden. Das Bundeslandwirtschaftsministerium weist aber darauf hin, dass die Hennen weniger und teilweise kleinere Eier legten und Hähne dieser Rassen langsamer wüchsen. Eine dritte Alternative ist die Aufzucht männlicher Küken. Dies geschieht im Rahmen sogenannter Bruderhahn-Initiativen.

Auch der Zentralverband der deutschen Geflügelwirtschaft erklärte vor der Verhandlung in Leipzig, dass die Branche aus dem „aktuell weltweit praktizierten Kükentöten“ aussteigen wolle, „sobald eine praxistaugliche Alternative“ vorliege. Aktuell sei dies aber nicht der Fall. Der Verband hofft deshalb, dass das Bundesverwaltungsgericht die bisherigen Gerichtsentscheidungen bestätigt.

Foodwatch: Tierschutzgesetz ist in seiner jetzigen Form verfassungswidrig

Damit rechnet auch Matthias Wolfschmidt von der Verbraucherorganisation Foodwatch. Das Gericht werde vermutlich entscheiden, „dass das Töten der männlichen Küken in Ermangelung von Alternativen ein vernünftiger Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes ist“, sagte Wolfschmidt der Nachrichtenagentur AFP. Er forderte deshalb, das Tierschutzgesetz grundsätzlich auf den Prüfstand zu stellen.

Da im Grundgesetz der Tierschutz als Staatsziel festgeschrieben sei, sei das Gesetz seiner Meinung nach in seiner jetzigen Form verfassungswidrig. Er ist überzeugt: „Wirtschaftliche Gründe können keine vernünftigen Gründe sein, um Schmerzen, Leiden oder gar das Töten von Tieren zu rechtfertigen.“ (afp)



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