Warnstreiks im öffentlichen Dienst drohen – dbb-Chef: „Drei Jahre Nullrunden sind eine Zumutung“

Statt neue Arbeitskräfte in Mexiko, dem Kosovo und auf den Philippinen anzuwerben, die zu niedrigen Löhnen arbeiten, sollte man die Arbeit so attraktiv machen, dass "wir auch wieder in unserer eigenen Bevölkerung Menschen dafür gewinnen können“, so der Vorsitzenden des Beamtenbunds dbb, Ulrich Silberbach. Drei Jahre Nullrunden wären kein Angebot, sondern eine Zumutung.
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Eine Pflegekraft betreut eine Seniorin.Foto: iStock
Epoch Times18. September 2020

Im öffentlichen Dienst drohen wegen der weit auseinanderliegenden Positionen im aktuellen Tarifstreit größere Warnstreiks.

In zentralen Fragen wie beim Einkommen und einer Besserstellung von Fachkräften müssten beide Seiten jetzt in Potsdam weiterkommen, sagte der Vorsitzende des Beamtenbunds dbb, Ulrich Silberbach, der dpa in Berlin. Die Gewerkschaft Verdi, dbb Beamtenbund und Tarifunion, die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) setzen am Samstag in Potsdam die Gespräche über die Einkommen der Beschäftigten von Bund und Gemeinden nach dem Auftakt Anfang September fort.

„Wenn sich die Arbeitgeber weigern, über diese Fragen überhaupt nur konstruktiv zu reden, werden wir nach der zweiten Verhandlungsrunde den Druck auf die Arbeitgeber massiv erhöhen müssen“, sagte Silberbach. „Das ist in diesem Land immer schwierig, weil Ausstände beim öffentlichen Dienst natürlich in erster Linie die Bürgerinnen und Bürger treffen“, räumte der dbb-Chef ein. „Aber wenn es dazu kommt, werden wir dafür sorgen, dass die Menschen den wahren Verantwortlichen erkennen.“

Verdi-Chef: „Müssen die Interessen aller Beschäftigten durchsetzen“

Verdi-Chef Frank Werneke sagte der „Süddeutschen Zeitung“ mit Blick auf die Corona-Pandemie, der Gesundheitsschutz habe oberste Priorität – aber grundsätzlich seien Streiks auch jetzt möglich. Auf die Frage, ob er Streiks in Krankenhäusern oder Kitas diesen Herbst für vertretbar halte, erwiderte er: „Vertretbar sind Streiks grundsätzlich in allen Bereichen, denn wir müssen die Interessen aller Beschäftigten durchsetzen.“ Werneke wies aber auf besondere Regelungen für Krankenhäuser hin: Grundversorgung und Notdienste seien immer sichergestellt.

„Dass Streiks im Sozial- und Erziehungsdienst auch eine besondere Herausforderung darstellen, das wissen wir“, sagte der Verdi-Vorsitzende. „Falls wir zu Arbeitskampfmaßnahmen aufrufen müssen, werden wir das so verantwortungsvoll tun, wie es in dieser Zeit notwendig ist.“

Vor allem zwischen den Gewerkschaften und dem Verhandlungsführer der kommunalen Arbeitgeber, Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD), war der Ton zuletzt rau. Mädge hatte in den vergangenen Wochen mehrfach betont, es gebe nichts zu verteilen. Zuletzt beklagte er, dass die Verhandlungen noch keine Fortschritte gemacht hätten. „Das geht nicht zügig genug“, sagte Mädge der dpa. „Gerade in diesen Zeiten ist das Zeitverschwendung.“ Die langen Runden seien Rituale aus den 50er Jahren. „Es passt nicht mehr in die Zeit, die Arbeitswelt hat sich verändert und ist schneller geworden. Hoffentlich kommen wir nun zügig vorwärts.“

Beamtenbund: „Drei Jahre Nullrunden sind eine Zumutung“

Silberbach erwiderte: „Die VKA verhindert doch den schnellen Abschluss, indem sie nicht mal ein verhandlungsfähiges Angebot vorlegt. Drei Jahre Nullrunden sind kein Angebot, sondern eine Zumutung für die Kollegen.“

Dem öffentlichen Dienst fehlten digitale Infrastruktur und technische Mittel – vor allem fehlten ihm aber Menschen. „Wir brauchen mehr Fachkräfte, auch für die muss am Verhandlungstisch ein deutliches Plus herauskommen.“

Nötig seien auch Antworten für die „katastrophale Situation“ im Gesundheitssystem. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) versuche, in Mexiko, dem Kosovo und auf den Philippinen neue Pflegekräfte anzuwerben, sagte Silberbach mit Blick auf entsprechende Kampagnen des Gesundheitsressorts. „Wir sollten die Arbeit aber so attraktiv machen, dass wir auch wieder in unserer eigenen Bevölkerung Menschen dafür gewinnen können“, sagte Silberbach, „anstatt Pflegekräfte aus dem Ausland anzulocken, die bereit sind, zu niedrigen Löhnen in Deutschland zu arbeiten“.

Die Verhandlungen für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Gemeinden sind in diesem Jahr besonders schwierig. Die Gemeinden nahmen infolge der Corona-Pandemie deutlich weniger Gewerbesteuer ein. Die Arbeitnehmer hingegen pochen auf mehr Lohn, da viele Beschäftigtengruppen gerade in der Krise besonders viel geleistet hätten. Sie fordern um 4,8 Prozent steigende Einkommen.

Die Forderungen betreffen 2,3 Millionen Tarifbeschäftigte. Auf die mehr als 200.000 Beamten soll das Ergebnis nach Ansicht der Gewerkschaften übertragen werden. Die zweite Verhandlungsrunde soll am Sonntag enden, die dritte ist für den 22. und 23. Oktober angesetzt. (dpa)



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