Zahl der Insolvenzen seit 2004 rückläufig: Bundesbank hält dies für schlechtes Zeichen

Seit 2004 ist die Zahl der Insolvenzen und Betriebsaufgaben deutlich zurückgegangen. Die Bundesbank hält das für kein gutes Zeichen. Mehr Eintritte und Austritte auf dem Markt wären ein Anzeichen für mehr Produktivität. Diese ist jedoch rückläufig.
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Deutsche Bundesbank in München. Symbolbild.Foto: iStock
Von 21. März 2024

Unternehmen, die nicht insolvent sind, aber auch nicht mehr produzieren? Was als Ausspruch vielen einst zum Anlass für Häme gegen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck geriet, sieht die Deutsche Bundesbank als höchst reales Phänomen. Und als eines, das die Produktivität in Deutschland zum Erliegen bringt.

Die deutsche Notenbank hat in ihrer jüngst vorgelegten Studie „Unternehmensdynamik im Euroraum“ darauf hingewiesen, dass es seit mittlerweile zwei Jahrzehnten in Deutschland keinen nennenswerten Fortschritt gebe. In ihrem Bericht hat die Bundesbank versucht, mögliche Ursachen für die Entwicklung herauszuarbeiten.

Bundesbank: geringe Zahl an Unternehmensgründungen

Auffällig sei unter anderem der deutliche Rückgang von Insolvenzen und Betriebsaufgaben. Seit 2004 ist die Zahl der Insolvenzen um 55 Prozent gesunken, im gleichen Zeitraum haben um 30 Prozent weniger Unternehmen ihren Betrieb geschlossen als zuvor. Für die einzelnen Unternehmen selbst ist das eine erfreuliche Entwicklung. Aus Sicht der Bundesbank ist es gesamtwirtschaftlich jedoch ein Alarmsignal.

Der Grund dafür ist, dass eine solche lineare Entwicklung ökonomischen Erkenntnissen und Erfahrungen über eine gesunde Volkswirtschaft zuwiderläuft. Diese braucht eine hinreichende Dynamik von Markteintritten und -austritten, damit produktivere Unternehmen weniger produktive ersetzen.

Zwischen 2004 und 2014 war zudem die Zahl der jährlichen Gewerbeanmeldungen um 30 Prozent auf etwa 86.000 im Jahr gesunken. Seither hat sie weitgehend stagniert, obwohl die konjunkturelle Entwicklung von 2014 bis zur Coronakrise positiv war.

Insolvenzregeln der Corona-Zeit Faktor für „Zombieunternehmen“

Damit kommt offenbar ein Faktor bei der Abbremsung von Produktivität zum Tragen, den Ökonomen als „Zombieunternehmen“ bezeichnen. Der Begriff hatte es in den Corona-Jahren kurzfristig in die Schlagzeilen geschafft, damals ging es um die temporäre Lockerung der Insolvenzvorgaben.

Mehrere Verbände und Experten hatten damals vor Wohlfahrtsverlusten gewarnt. Diese würden dadurch eintreten, dass Unternehmen, die sich unter regulären Umständen nicht auf dem Markt halten könnten, weiterhin dort vertreten wären. Dadurch verbauten sie potenziellen neuen, produktiveren Anbietern den Weg zu Mitarbeitern und Kunden.

Die Bundesbank geht nun davon aus, dass nicht nur die kurzfristigen Insolvenzlockerungen im Zeichen von Corona diesen Effekt gehabt hätten. Vielmehr hätten auch die Jahre der Nullzinspolitik vonseiten der EZB das Gleiche bewirkt. Günstige Kredite, so hieß es in der Studie, hätten Unternehmen Zugang zu Krediten ermöglicht, die objektiv keine Marktperspektive mehr gehabt hätten. Dies würde auch erklären, warum in der Hochkonjunkturphase so wenig neue Akteure auf den Markt getreten seien.

Produktivität kurzfristig nur durch Reformen zu steigern

Allerdings, so die Bundesbank, seien die Zombieunternehmen nicht der einzige Faktor, der die Produktivität in Deutschland belaste. Ein noch wesentlich gravierenderer sei die Demografie. Überalterung und Arbeitskräftemangel hätten zur Folge, dass Dynamik weiter abgeschwächt werde und Stillstand drohe.

Eine weitere Belastung für die Produktivität ergebe sich aus den multiplen Krisen, die den Euroraum bereits seit der Weltfinanzkrise 2008 ereilt hätten. Diese, die Eurokrise, der Ukrainekonflikt, Corona, die Energiekrise und die Inflation hätten zu Verunsicherungen geführt. Auch deshalb sei es zu weniger Unternehmensneugründungen gekommen.

Die Zinswende hat unterdessen auch prompt zu einer Steigerung der Anzahl der Insolvenzen geführt. Grund dafür ist anscheinend jedoch eher die schlechte Konjunktur als eine größere wirtschaftliche Dynamik. Denn von einer Wende bei der Zahl der Neugründungen von Unternehmen kann keine Rede sein.

Da die Demografie ein bestenfalls längerfristig beeinflussbarer Faktor sei, rät die Bundesbank zu einer umfassenden Reformagenda. Immerhin seien auch „ausufernde Regulierung und mangelnde institutionelle Qualität“ Bremser der Produktivität. Der Politik schreibt die Bundesbank deshalb ins Stammbuch:

„Strukturreformen stellen ein Schlüsselelement staatlicher Handlungsmöglichkeiten dar.“



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