„Bis zu 200 Mal stärker als CO₂“ – Baerbocks Flugpanne löst Debatte über Kerosinablass aus

Verschmierte Fenster, öliges Gemüse. Von den Umständen in den Regionen, in denen regelmäßig Kerosin abgelassen wird, ist nur wenig bekannt. Das gilt auch für die Gesundheitsrisiken.
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Dass Kerosin bei Landungen abgelassen wird, ist kein Geheimnis. Die Auswirkungen hingegen werden unter den Teppich gekehrt.Foto: iStock
Von 16. August 2023

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Zweimal hob Außenministerin Annalena Baerbock mit ihrem Flieger in Abu Dhabi Richtung Neuseeland ab, zweimal musste die Regierungsmaschine wegen eines technischen Defekts der Landeklappen umkehren. Vor der Landung wurde insgesamt 160 Tonnen Kerosin ablassen. Die Auswirkungen auf die Umwelt sind immens.

„Kerosin ist ein sehr starkes Treibhausgas. So wie Methan etwa 30 Mal stärker als Treibhausgas wirkt, so wirkt das Kerosin bis zu 200 Mal stärker als CO₂“, erklärte Prof. Michael Braungart, Leiter des Hamburger Umweltinstituts, auf Nachfrage von Epoch Times. Außerdem könnten diese Kohlenwasserstoffe zur Bildung von Ozon führen.

Die Flugpanne der Außenministerin sei nur ein aktuelles Fallbeispiel. Auch im Rhein-Main-Gebiet rund um den Frankfurter Flughafen würde regelmäßig Kerosin vor der Landung abgelassen. Systematische Untersuchungen gebe es dazu aber nicht, kritisiert Braungart.

Im Mai 2019 veröffentlichte das Umweltbundesamt ein Positionspapier zu den Wirkungen von Treibstoffschnellablässen aus Luftfahrzeugen auf Umwelt und Gesundheit. Diese seien „nach aktuellem Kenntnisstand für Mensch und Umwelt unkritisch“, heißt es von der Behörde. Auch ein Jahr später ergaben Modellierungen des Amtes „keine kritischen Umweltauswirkungen auf Boden, Grundwasser, Luft und menschliche Gesundheit“.

Öliger Überzug auf Fenster und Gemüse

Die Realität sieht laut Prof. Braungart jedoch anders aus. Ihm gehen die Untersuchungen nicht weit genug. Immerhin könnten Flugzeuge je nach Größe mit bis zu 240 Tonnen Kerosin betankt werden. Wenn es bei einem Notfall kurz nach dem Abflug landen müsse, geraten große Mengen davon in die Umwelt.

Ich kenne seit Jahren eine ganze Reihe Leute in der Region Rhein-Main, die davon berichten, dass ihre Fenster verschmiert sind oder ihr Obst und Gemüse einen öligen Überzug hat. Die Leute bauen dort Erdbeeren oder andere Nahrungsmittel an.“

Auch Tiere geraten mit den Substanzen in Kontakt, wenn sie beispielsweise das Gras in der Region fressen. Selbst wenn man sich größte Mühe gebe, könne von einem Bioanbau in einem solchen Gebiet nicht mehr die Rede sein.

„Kerosin hat in der Zusammensetzung eine große Ähnlichkeit mit Diesel. An jeder Tankstelle bietet man deshalb Schutzhandschuhe an, damit man möglichst wenig damit in Kontakt kommt. Viele dieser Substanzen sind sehr stark krebserzeugend und lösen Asthma aus.“ Das sollte man wirklich nicht bagatellisieren, so Prof. Braungart.

Was von den Kerosinrückständen am Boden ankommt, hängt nach Aussage des Chemikers von vielen Faktoren ab wie Windgeschwindigkeit, Temperatur und Inversionswetterlage, wenn also die Luft weiter oben wärmer als in Bodennähe ist.

Keine Alternativen, aber strategische Maßnahmen

Das Ablassen des Kerosins sei eine „traurige Notwendigkeit“, um eine sichere Landung zu gewähren. Trotzdem könne man mit Strategien dem Problem beikommen, erklärt der Chemiker weiter, beispielsweise indem man die Flugzeuge auf ein höheres Landegewicht auslegt. So brauche weniger Treibstoff vor der Landung abgelassen werden.

Zudem könnte man das Kerosin mit Substanzen versehen, damit es, wenn es in die Umwelt gelangt, viel schneller abgebaut wird.

Ein guter Anfang wäre laut Prof. Braungart schon gemacht, wenn man transparent berichten und offenlegen würde, in welchen Regionen Korridore für den Kerosinablass in München und Frankfurt bestehen. „Insgesamt kommt der Staat seiner Fürsorgepflicht nicht nach.“ Das gelte aber auch für andere Dinge, so der Chemiker.



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