Lässt die Erderwärmung unser Gehirn schrumpfen?

Eine amerikanische Untersuchung befasst sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf den Menschen. Ergebnisse deuten darauf hin, dass die klimatischen Veränderungen Einfluss auf die Größe des Gehirns haben könnten.
Das menschliche Gehirn passt sich offenbar an klimatische Veränderungen an.
Das menschliche Gehirn passt sich offenbar an klimatische Veränderungen an. Welchen Einfluss der Klimawandel hat, beschreiben Forscher in einer kürzlich veröffentlichten Studie.Foto: Suzuki et al./Cell/dpa
Von 7. Juli 2023

Der Klimawandel soll nun auch negative Auswirkungen auf das menschliche Gehirn haben. Die steigenden Temperaturen auf der Erde könnten dafür verantwortlich sein, dass das Denkzentrum des Homo sapiens schrumpft. Das haben Forscher des Natural History Museums in Los Angeles herausgefunden.

Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen sind kürzlich im Fachjournal „Brain, Behaviour and Evolution“ erschienen. Verschiedene deutsche Medien berichteten darüber, darunter unter anderem die „Frankfurter Rundschau“ (FR).

Forscher Stibel: „Wir wissen überraschend wenig“

Einleitend heißt es in der Studie, dass sich das Wachstum des Gehirns vor etwa zwei Millionen Jahren beschleunigte, um zu dem zu werden, was es heute ist. „Dennoch wissen wir immer noch überraschend wenig darüber, was genau dazu führt, dass sich das menschliche Gehirn verändert“, erläuterte der Kognitionswissenschaftler Jeff Morgan Stibel und federführende Autor der Studie. „Wir wissen zwar, dass das Gehirn in den letzten paar Millionen Jahren bei allen Menschenarten gewachsen ist. Über andere makroevolutionäre Trends haben wir dagegen nur geringe Kenntnisse.“

Die Menschheit sei schon immer Temperaturschwankungen ausgesetzt gewesen und habe sich entsprechend angepasst. Das Hirnwachstum sei davon ebenfalls betroffen, Unterbrechungen waren möglich, sagt Stibel: „Vorherige Studien gingen meist davon aus, dass das Gehirnvolumen im Verlauf der Zeit stetig angewachsen ist. Doch auch wenn es beim Gehirn des Homo eine grundsätzliche Wachstumstendenz gab, so ging diese nicht immer nur stetig nach oben.“

Bis zu 800.000 Jahre in die Vergangenheit

Angesichts der klimatischen Veränderungen befassten sich Stibel und seine Kollegen mit den möglichen Auswirkungen auf das Gehirn. Dabei blickten sie auf die eventuellen Folgen für das Verhalten der Erdbewohner. Dafür sind die Wissenschaftler zunächst 50.000 Jahre in der Menschheitsgeschichte zurückgegangen. Sie haben gemessen, wie sich seither das Gehirnvolumen im Zusammenhang zu vorliegenden Daten (Temperaturen, Luftfeuchtigkeit, Niederschläge) verändert hat. Die Informationen über die Größe der Schädel – und damit der Gehirne – stammen aus zehn anderen Studien, in denen Wissenschaftler Fossilien untersucht und vermessen hatten.

Um die jeweiligen Klimabedingungen zu bestimmen, nutzte das Team um Stibel Daten aus Eisbohrkernen des Epica-Projekts Dome C (European Project for Ice Coring in Antarctica) der European Science Foundation (ESF). Diese Institution besteht seit 50 Jahren, änderte im Jahr 2016 jedoch komplett ihre Ausrichtung. Seither bietet die ESF der Europäischen Union (EU) nun unter anderem institutionelle wissenschaftliche Unterstützungspartnerschaften, wie es auf der Internetseite heißt.

Mithilfe der Daten aus dem Epica-Projekt konnten Forscher die Oberflächentemperatur bis mehr als 800.000 Jahre zurück in die Vergangenheit bestimmen.

Geringere Gehirn- und Körpergröße offenbar auch ein Vorteil

Die Forscher glichen die Daten ab und kamen zu dem Ergebnis, dass sich das Volumen nach der letzten Eiszeit während der gesamten Wärmeperiode des Holozäns deutlich verringert. Das Holozän ist der gegenwärtige Zeitabschnitt der Erdgeschichte und dauert seit etwa 11.700 Jahren an. Im Durchschnitt nahm das Hirnvolumen um etwa 10,7 Prozent ab. „Die Veränderungen der Gehirngröße scheinen Tausende Jahre nach den Klimaveränderungen stattzufinden“, schlussfolgert Stibel.

Die Forscher glauben aufgrund ihrer Untersuchungen, dass eine geringere Hirn- und Körpergröße für den Menschen vorteilhaft bei höheren globalen Temperaturen zu sein scheine. Ist es kühler, begünstige dies das Wachstum der Hirnmasse. Auch Luftfeuchtigkeit und Niederschlagsverhältnisse wirkten sich aus.

Zudem stieß das Stibel-Team auf einen weiteren Aspekt: Trockenere Bedingungen – also weniger Niederschläge und geringere Luftfeuchtigkeit – bewirkten offenbar, dass sich das Gehirn vergrößere. Hohe Niederschlagsmengen hatten wiederum kleinere Hirne zur Folge.

Umweltstress könnte einen Einfluss haben

Letztlich seien die Gründe für die Anpassung der Gehirngröße von Menschen komplex und man wisse zu wenig darüber. Das Klima werde häufig als treibende Kraft für die Evolution der Gehirngröße angeführt, doch hätten Tests keine schlüssigen Ergebnisse geliefert, schreibt das Stibel-Team mit Hinweisen auf mehrere Studien.

Mit der eigenen Studie habe man nun die „Auswirkungen des Klimawandels systematisch testen“ können. Die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass der „Klimawandel“ einen Einfluss auf die Gehirngröße hat. Bestimmte evolutionäre Veränderungen des Gehirns könnten eine „Reaktion auf Umweltstress“ sein.



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