Fremde sind Freunde, die wir noch nicht kennen

Hamburger Kinder reisen in ihrer Stadt um die Welt
Titelbild
Hourvash Pourkian, die Initiatorin von Switch, mit vier Preisträgerinnen für die schönsten Reisetagebücher. Das sind von links nach rechts: Yasmin (Iran), Leonie (Deutschland), Farahnaz (Afghanistan), Sophie-Marie (Russland) (Foto: Eva-Helen Thoele)
Von 24. Dezember 2006
Hourvash Pourkian, die Initiatorin von Switch, mit vier Preisträgerinnen für die schönsten Reisetagebücher. Das sind von links nach rechts: Yasmin (Iran), Leonie (Deutschland), Farahnaz (Afghanistan), Sophie-Marie (Russland) (Hourvash Pourkian, die Initiatorin von Switch, mit vier Preisträgerinnen für die schönsten Reisetagebücher. Das sind von links nach rechts: Yasmin (Iran), Leonie (Deutschland), Farahnaz (Afghanistan), Sophie-Marie (Russland) (Foto: Eva-Helen Thoele)

Samstagnachmittag in einem Hamburger Hotel. Kinder unterschiedlicher Herkunft – Türkei, Afghanistan, Äthiopien, Portugal, Spanien, Deutschland, Japan, Taiwan, Gambia, Frankreich, Philippinen, Kenia, Aserbaidschan, Iran, Madagaskar – fast alle tragen weiße Sweatshirts und Kappen mit der gelben Aufschrift „Switch“, manche robben munter unter den Polterstühlen, andere stehen etwas schüchtern bei ihren Eltern, die angeregt mit Familien aus anderen Kulturkreisen besprechen, wie ihre Kinder in den Winterferien zusammen „switchen“.

Switch, das ist eine kostenlose „Weltreise“ in der eigenen Stadt, ein Projekt der Kulturbrücke Hamburg e.V.. Dabei können Kinder von 9 bis 14 Jahren Familien aus anderen Völkern und Kulturen kennen lernen.

Das Abenteuer wohnt gleich nebenan

Kinder, es gibt ein Instrument, die Valiha, die sieht aus wie eine riesige Flöte, manchmal auch wie eine Pfeife, aber man bläst nicht hinein, sondern man zupft daran. Wie man damit musiziert, lernen Switch-Kinder in Madagaskar, wenn sie bei der Familie des 13-jährigen Andy Andrianavalona sind. Und wenn nach den Ferien der zarte Voile-Vorhang nicht mehr am Fenster, sondern am Kind hängt, dreimal gefaltet und dann als Schleier über die Schulter geworfen, dann dürfte die Kinder-Reisegruppe in „Indien“ gelernt haben, wie Saris gewickelt werden. Die Jungendlichen reisen jedoch nicht wirklich in andere Länder, sondern besuchen sich gegenseitig. Jede Familie stellt das Reiseland ihrer Herkunft dar. Und in jedem Land wird zusammen etwas Landestypisches gekocht, das fremde Essen schmeckt allen überraschend gut.

„Was wir alles nicht von einander wussten!“

Sarah Marie möchte ihr Switch-Shirt in einer anderen Größe, Frau Pourkian kümmert sich darum. Im Vordergrund: die Goldene Göre, der Preis vom Deutschen Kinderhilfswerk (Sarah Marie möchte ihr Switch-Shirt in einer anderen Größe, Frau Pourkian kümmert sich darum. Im Vordergrund: die Goldene Göre, der Preis vom Deutschen Kinderhilfswerk (Foto: Heike Soleinsky)

Die Kinder haben Spaß, lernen viel über andere Länder und jäten Vorurteile aus, bevor diese noch Wurzeln treiben können. Hier ihre Kommentare.

Dena aus Afghanistan: „Über Deutsche hatten wir gesagt, das sind Spießer, aber das ist ja doch nicht so.“

Sena-Desdina aus der Türkei: „Ich habe noch nie Weihnachten gefeiert und wusste gar nicht, dass man zu Weihnachten Gans isst.“

Ein Mädchen aus Russland: „In Russland ist Sylvester wichtiger als Weihnachten, dort gibt es auch zu Sylvester die Geschenke.“

Kiawash, ein 11-Jähriger aus dem Iran: „Ich habe herausgefunden, dass die Frauen in Deutschland seit 1918 das Wahlrecht haben.“

 

Und sie sind alle Hamburger

Die Idee für Switch hatte Frau Hourvash Pourkian, Vorstandsvorsitzende der Kulturbrücke Hamburg e. V. Sie wuchs in Teheran auf und kam als 17-Jährige nach Hamburg: „Im Iran hatte ich ein Schlüsselerlebnis, als ich bei einer japanischen Familie zu Besuch war. Ich war dermaßen beeindruckt von ihrer Einrichtung, ihrem Essen, einfach von allem. Hier in Deutschland dachte ich dann: Meine Güte, Hamburg hat so viel zu bieten, wir haben 186 Nationen vor unserer Tür. Haben wir ein Glück!“

Der Iran ist ein Vielvölkerstaat. Dort drückte Frau Pourkian die Schulbank zusammen mit Türken, Kurden, Juden. „Diese Menschen hatten zu Hause alle eine andere Kultur. Wir waren alle miteinander befreundet und wir waren gleichzeitig alle Iraner, “ erinnert sich Hourvash Pourkian, „und alle Kinder, die bei Switch mitmachen, sind Hamburger.“

Vor einem Jahr lief das Pilotprojekt der Kulturbrücke e.V. an. 18 Familien aus 10 Nationen traten die „Reise“ an. In den darauf folgenden Sommerferien waren es schon 50 Familien aus 15 Nationen und für die dritte „Weltreise“ in den kommenden Winterferien haben sich 80 Familien aus 25 Nationen gemeldet.

 

Kinder-Filmteams und die Goldene Göre

Zu jeder Vierer-Reisegruppe gehört ein deutsches Kind. Da aber mehr deutsche Kinder angemeldet wurden, als es Plätze gab, wurden aus den übrig Gebliebenen Filmteams gebildet. Sie besuchen die Weltreisenden, interviewen sie und gucken mit der Kamera in die fremden Töpfe. Wie schneidet man einen Film und unterlegt ihn mit passender Musik? Auch die Filmteams lernen viel und haben Spaß dabei. Mit dem Film, den sie im Sommer gedreht haben, beeindruckte Switch die Jury des Preises „Die goldene Göre“ des Deutschen Kinderhilfswerkes. Am 8. Dezember wurde Switch mit dem 2. Platz ausgezeichnet.

 

Zum Abschied gab der Vater der Familie Lau einen Song von Frank Sinatra zum Besten (Zum Abschied gab der Vater der Familie Lau einen Song von Frank Sinatra zum Besten (Foto: Heike Soleinsky)

Fremde sind Freunde, die wir noch nicht kennen

Die schönste Bestätigung für Frau Pourkian sind die Freundschaften, die geschlossen werden, nicht nur unter den Kindern. Auch die Erwachsenen knüpfen Kontakte. Zum Beispiel die Eltern von Kenryu Lau, der zum dritten Mal mit switcht und Japan repräsentiert. Seine Eltern haben sich auch mit Familien verabredet, die nicht zu ihrer Reisegruppe gehören. Zum Abschied gibt der Vater ganz international einen Song von Frank Sinatra zum Besten. Wann wird es Switch für Erwachsene geben?

 

„Ich bin fest davon überzeugt, dass die Kinder in diesen 4 Tagen mehr an Verständnis voneinander mitnehmen als in einigen Jahren Schule.“ (Alexandra Dinges-Dierig, Hamburgs Senatorin für Bildung und Sport und Schirmherrin des Switch-Projektes)



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